Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

Bild:
<< vorherige Seite
Vermischte Gedichte.
9.
Doch laß die thoren sich in dieser welt vergaffen.
Du weißt, was Salomon aus der erfahrung hat:
Das aug' (und ohre) sieht (und hört) sich nimmer satt.
Dis überlege wohl, und wende dich rechtschaffen
Von dem, was sichtbar ist, zu dem, was niemand sieht,
Damit der himmel dir nicht alle gnad entzieht.


Das andere capitel.
1.
DEr mensch ist von natur begierig viel zu wissen:
Doch ohne gottesfurcht hilfft keine wissenschafft.
Ein bauer, der nicht erst nach hohen grillen gafft,
Und in der demuth GOtt zu dienen ist beflissen,
Jst besser, denn ein thor, der durch die sternen rennt,
Und sich vor übermuth und weisheit selbst nicht kennt.
2.
Wer sich nun selbst recht kennt, der wird ihm schlecht gefallen:
Jch weiß, es kommt ihm nichts als lauter demuth ein.
Drum muß das menschen-lob ihm höchst verdrüßlich seyn.
Denn wenn ich alles wüst', und hätte bey dem allen
Des Höchsten liebe nicht; so würd' ich doch vor GOtt,
Der auf das leben sieht, zu schanden und zum spott.
3.
Drum setze deiner lust, zu wissen, ziel und ende.
Viel wissen bringt viel sorg, und denn auch viel betrug.
Wer viel gegrübelt hat, der hält sich selbst vor klug,
Und will, daß alle welt zu ihm nach weisheit sende.
Viel dinge nützen nichts, wenn man sie schon mit fleiß
Jn seinen kopff gefaßt, und zu entscheiden weiß.
4.
Der ist ein großer narr, der mehr auf andre sachen,
Als an sein heyl gedenckt, daran doch alles liegt.
Von
S 2
Vermiſchte Gedichte.
9.
Doch laß die thoren ſich in dieſer welt vergaffen.
Du weißt, was Salomon aus der erfahrung hat:
Das aug’ (und ohre) ſieht (und hoͤrt) ſich nimmer ſatt.
Dis uͤberlege wohl, und wende dich rechtſchaffen
Von dem, was ſichtbar iſt, zu dem, was niemand ſieht,
Damit der himmel dir nicht alle gnad entzieht.


Das andere capitel.
1.
DEr menſch iſt von natur begierig viel zu wiſſen:
Doch ohne gottesfurcht hilfft keine wiſſenſchafft.
Ein bauer, der nicht erſt nach hohen grillen gafft,
Und in der demuth GOtt zu dienen iſt befliſſen,
Jſt beſſer, denn ein thor, der durch die ſternen rennt,
Und ſich vor uͤbermuth und weisheit ſelbſt nicht kennt.
2.
Wer ſich nun ſelbſt recht kennt, der wird ihm ſchlecht gefallen:
Jch weiß, es kommt ihm nichts als lauter demuth ein.
Drum muß das menſchen-lob ihm hoͤchſt verdruͤßlich ſeyn.
Denn wenn ich alles wuͤſt’, und haͤtte bey dem allen
Des Hoͤchſten liebe nicht; ſo wuͤrd’ ich doch vor GOtt,
Der auf das leben ſieht, zu ſchanden und zum ſpott.
3.
Drum ſetze deiner luſt, zu wiſſen, ziel und ende.
Viel wiſſen bringt viel ſorg, und denn auch viel betrug.
Wer viel gegruͤbelt hat, der haͤlt ſich ſelbſt vor klug,
Und will, daß alle welt zu ihm nach weisheit ſende.
Viel dinge nuͤtzen nichts, wenn man ſie ſchon mit fleiß
Jn ſeinen kopff gefaßt, und zu entſcheiden weiß.
4.
Der iſt ein großer narr, der mehr auf andre ſachen,
Als an ſein heyl gedenckt, daran doch alles liegt.
Von
S 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0277" n="275"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vermi&#x017F;chte Gedichte.</hi> </fw><lb/>
          <lg n="9">
            <head> <hi rendition="#c">9.</hi> </head><lb/>
            <l>Doch laß die thoren &#x017F;ich in die&#x017F;er welt vergaffen.</l><lb/>
            <l>Du weißt, was Salomon aus der erfahrung hat:</l><lb/>
            <l>Das aug&#x2019; (und ohre) &#x017F;ieht (und ho&#x0364;rt) &#x017F;ich nimmer &#x017F;att.</l><lb/>
            <l>Dis u&#x0364;berlege wohl, und wende dich recht&#x017F;chaffen</l><lb/>
            <l>Von dem, was &#x017F;ichtbar i&#x017F;t, zu dem, was niemand &#x017F;ieht,</l><lb/>
            <l>Damit der himmel dir nicht alle gnad entzieht.</l>
          </lg>
        </lg><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <lg type="poem">
          <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Das andere capitel.</hi> </hi> </head><lb/>
          <lg n="1">
            <head> <hi rendition="#c">1.</hi> </head><lb/>
            <l><hi rendition="#in">D</hi>Er men&#x017F;ch i&#x017F;t von natur begierig viel zu wi&#x017F;&#x017F;en:</l><lb/>
            <l>Doch ohne gottesfurcht hilfft keine wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft.</l><lb/>
            <l>Ein bauer, der nicht er&#x017F;t nach hohen grillen gafft,</l><lb/>
            <l>Und in der demuth GOtt zu dienen i&#x017F;t befli&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>J&#x017F;t be&#x017F;&#x017F;er, denn ein thor, der durch die &#x017F;ternen rennt,</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;ich vor u&#x0364;bermuth und weisheit &#x017F;elb&#x017F;t nicht kennt.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="2">
            <head> <hi rendition="#c">2.</hi> </head><lb/>
            <l>Wer &#x017F;ich nun &#x017F;elb&#x017F;t recht kennt, der wird ihm &#x017F;chlecht gefallen:</l><lb/>
            <l>Jch weiß, es kommt ihm nichts als lauter demuth ein.</l><lb/>
            <l>Drum muß das men&#x017F;chen-lob ihm ho&#x0364;ch&#x017F;t verdru&#x0364;ßlich &#x017F;eyn.</l><lb/>
            <l>Denn wenn ich alles wu&#x0364;&#x017F;t&#x2019;, und ha&#x0364;tte bey dem allen</l><lb/>
            <l>Des Ho&#x0364;ch&#x017F;ten liebe nicht; &#x017F;o wu&#x0364;rd&#x2019; ich doch vor GOtt,</l><lb/>
            <l>Der auf das leben &#x017F;ieht, zu &#x017F;chanden und zum &#x017F;pott.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="3">
            <head> <hi rendition="#c">3.</hi> </head><lb/>
            <l>Drum &#x017F;etze deiner lu&#x017F;t, zu wi&#x017F;&#x017F;en, ziel und ende.</l><lb/>
            <l>Viel wi&#x017F;&#x017F;en bringt viel &#x017F;org, und denn auch viel betrug.</l><lb/>
            <l>Wer viel gegru&#x0364;belt hat, der ha&#x0364;lt &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t vor klug,</l><lb/>
            <l>Und will, daß alle welt zu ihm nach weisheit &#x017F;ende.</l><lb/>
            <l>Viel dinge nu&#x0364;tzen nichts, wenn man &#x017F;ie &#x017F;chon mit fleiß</l><lb/>
            <l>Jn &#x017F;einen kopff gefaßt, und zu ent&#x017F;cheiden weiß.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="4">
            <head> <hi rendition="#c">4.</hi> </head><lb/>
            <l>Der i&#x017F;t ein großer narr, der mehr auf andre &#x017F;achen,</l><lb/>
            <l>Als an &#x017F;ein heyl gedenckt, daran doch alles liegt.</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">S 2</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Von</fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[275/0277] Vermiſchte Gedichte. 9. Doch laß die thoren ſich in dieſer welt vergaffen. Du weißt, was Salomon aus der erfahrung hat: Das aug’ (und ohre) ſieht (und hoͤrt) ſich nimmer ſatt. Dis uͤberlege wohl, und wende dich rechtſchaffen Von dem, was ſichtbar iſt, zu dem, was niemand ſieht, Damit der himmel dir nicht alle gnad entzieht. Das andere capitel. 1. DEr menſch iſt von natur begierig viel zu wiſſen: Doch ohne gottesfurcht hilfft keine wiſſenſchafft. Ein bauer, der nicht erſt nach hohen grillen gafft, Und in der demuth GOtt zu dienen iſt befliſſen, Jſt beſſer, denn ein thor, der durch die ſternen rennt, Und ſich vor uͤbermuth und weisheit ſelbſt nicht kennt. 2. Wer ſich nun ſelbſt recht kennt, der wird ihm ſchlecht gefallen: Jch weiß, es kommt ihm nichts als lauter demuth ein. Drum muß das menſchen-lob ihm hoͤchſt verdruͤßlich ſeyn. Denn wenn ich alles wuͤſt’, und haͤtte bey dem allen Des Hoͤchſten liebe nicht; ſo wuͤrd’ ich doch vor GOtt, Der auf das leben ſieht, zu ſchanden und zum ſpott. 3. Drum ſetze deiner luſt, zu wiſſen, ziel und ende. Viel wiſſen bringt viel ſorg, und denn auch viel betrug. Wer viel gegruͤbelt hat, der haͤlt ſich ſelbſt vor klug, Und will, daß alle welt zu ihm nach weisheit ſende. Viel dinge nuͤtzen nichts, wenn man ſie ſchon mit fleiß Jn ſeinen kopff gefaßt, und zu entſcheiden weiß. 4. Der iſt ein großer narr, der mehr auf andre ſachen, Als an ſein heyl gedenckt, daran doch alles liegt. Von S 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/277
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/277>, abgerufen am 12.05.2024.