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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

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Begräbniß-Gedichte.
Und meiner seelen trost, der mit euch starb, zusprechen.
Denn mir liegt ertz und bley auf der beschwehrten brust;
Bin ich ins gottes-hauß mit andacht gleich getreten,
So läst verwirrung mich nicht vor den sorgen beten.
So prüft GOtt meinen sinn: so stürtzt er mich in grauß:
Und demnach will sein grimm in heissem eifer wütten,
Denselben tag vor tag auf meine scheitel schütten,
Nun die erhitzte hand mir reißt den pfeiler aus,
Der steiff und unbewegt die kirche halff erhalten,
Da sich ihr fester grund erschüttert wolte spalten.
Jhr steine möget selbst der feder zeuge seyn,
Wie Preussens helden-geist hat vor den riß gestanden,
Als in der wahrheit-burg die gröste noth verhanden.
Jhm fielen dazumal offt die gedancken ein:
Man müste, wolte man mit teufels-lügen kriegen,
Wie Pauli glaubens-schild, mit GOttes worte siegen.
Wie that der frische mund nicht seine lippen auf?
Er ließ der stimme thon, posaunen-gleich, erschallen,
Und Moses höllen-fluch von seiner zunge fallen,
Kein dräuen, neid, gefahr verhemmte diesen lauff;
Nein, er war unverzagt die wahrheit anzusagen,
Die die verkehrte welt gar übel kan vertragen.
Wer aber auch zu ihm in seinen beicht-stuhl trat,
Dem wurde seelig wohl um das geklemmte hertze:
Es brannte lichter-loh die glaubens-helle kertze:
Die müde hand ward starck, das knie erqvickte rath:
Die angst zerstreute sich, weil GOttes zorn verföhnet:
Und der zerknirschte geist war nun mit lust gecrönet.
O was erfahr ich doch! der liegt schon in der grufft,
Der mir den schweren streich, die tief-geschlagnen wunden
Mit salb aus Gilead so kräfftig hat verbunden.
Sein tod, o jammer-wort! weist mich in eine klufft,
Da sorge, schrecken, noth, pein, foltern, ketten, degen,
Sich mit verzweiffelung ums eingeweide legen.
Der schmertz frißt weiter fort, wenn ich das angst-geschrey
Der treuen bürgerschafft, und wittib höre klingen,
Das saltz der thränen seh aus ihren augen dringen:
Die cantzel bleibet nicht von diesem winseln frey;
Ein
Hofm. w. V. Th. H
Begraͤbniß-Gedichte.
Und meiner ſeelen troſt, der mit euch ſtarb, zuſprechen.
Denn mir liegt ertz und bley auf der beſchwehrten bruſt;
Bin ich ins gottes-hauß mit andacht gleich getreten,
So laͤſt verwirrung mich nicht vor den ſorgen beten.
So pruͤft GOtt meinen ſinn: ſo ſtuͤrtzt er mich in grauß:
Und demnach will ſein grimm in heiſſem eifer wuͤtten,
Denſelben tag vor tag auf meine ſcheitel ſchuͤtten,
Nun die erhitzte hand mir reißt den pfeiler aus,
Der ſteiff und unbewegt die kirche halff erhalten,
Da ſich ihr feſter grund erſchuͤttert wolte ſpalten.
Jhr ſteine moͤget ſelbſt der feder zeuge ſeyn,
Wie Preuſſens helden-geiſt hat vor den riß geſtanden,
Als in der wahrheit-burg die groͤſte noth verhanden.
Jhm fielen dazumal offt die gedancken ein:
Man muͤſte, wolte man mit teufels-luͤgen kriegen,
Wie Pauli glaubens-ſchild, mit GOttes worte ſiegen.
Wie that der friſche mund nicht ſeine lippen auf?
Er ließ der ſtimme thon, poſaunen-gleich, erſchallen,
Und Moſes hoͤllen-fluch von ſeiner zunge fallen,
Kein draͤuen, neid, gefahr verhemmte dieſen lauff;
Nein, er war unverzagt die wahrheit anzuſagen,
Die die verkehrte welt gar uͤbel kan vertragen.
Wer aber auch zu ihm in ſeinen beicht-ſtuhl trat,
Dem wurde ſeelig wohl um das geklemmte hertze:
Es brannte lichter-loh die glaubens-helle kertze:
Die muͤde hand ward ſtarck, das knie erqvickte rath:
Die angſt zerſtreute ſich, weil GOttes zorn verfoͤhnet:
Und der zerknirſchte geiſt war nun mit luſt gecroͤnet.
O was erfahr ich doch! der liegt ſchon in der grufft,
Der mir den ſchweren ſtreich, die tief-geſchlagnen wunden
Mit ſalb aus Gilead ſo kraͤfftig hat verbunden.
Sein tod, o jammer-wort! weiſt mich in eine klufft,
Da ſorge, ſchrecken, noth, pein, foltern, ketten, degen,
Sich mit verzweiffelung ums eingeweide legen.
Der ſchmertz frißt weiter fort, wenn ich das angſt-geſchrey
Der treuen buͤrgerſchafft, und wittib hoͤre klingen,
Das ſaltz der thraͤnen ſeh aus ihren augen dringen:
Die cantzel bleibet nicht von dieſem winſeln frey;
Ein
Hofm. w. V. Th. H
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[113/0115] Begraͤbniß-Gedichte. Und meiner ſeelen troſt, der mit euch ſtarb, zuſprechen. Denn mir liegt ertz und bley auf der beſchwehrten bruſt; Bin ich ins gottes-hauß mit andacht gleich getreten, So laͤſt verwirrung mich nicht vor den ſorgen beten. So pruͤft GOtt meinen ſinn: ſo ſtuͤrtzt er mich in grauß: Und demnach will ſein grimm in heiſſem eifer wuͤtten, Denſelben tag vor tag auf meine ſcheitel ſchuͤtten, Nun die erhitzte hand mir reißt den pfeiler aus, Der ſteiff und unbewegt die kirche halff erhalten, Da ſich ihr feſter grund erſchuͤttert wolte ſpalten. Jhr ſteine moͤget ſelbſt der feder zeuge ſeyn, Wie Preuſſens helden-geiſt hat vor den riß geſtanden, Als in der wahrheit-burg die groͤſte noth verhanden. Jhm fielen dazumal offt die gedancken ein: Man muͤſte, wolte man mit teufels-luͤgen kriegen, Wie Pauli glaubens-ſchild, mit GOttes worte ſiegen. Wie that der friſche mund nicht ſeine lippen auf? Er ließ der ſtimme thon, poſaunen-gleich, erſchallen, Und Moſes hoͤllen-fluch von ſeiner zunge fallen, Kein draͤuen, neid, gefahr verhemmte dieſen lauff; Nein, er war unverzagt die wahrheit anzuſagen, Die die verkehrte welt gar uͤbel kan vertragen. Wer aber auch zu ihm in ſeinen beicht-ſtuhl trat, Dem wurde ſeelig wohl um das geklemmte hertze: Es brannte lichter-loh die glaubens-helle kertze: Die muͤde hand ward ſtarck, das knie erqvickte rath: Die angſt zerſtreute ſich, weil GOttes zorn verfoͤhnet: Und der zerknirſchte geiſt war nun mit luſt gecroͤnet. O was erfahr ich doch! der liegt ſchon in der grufft, Der mir den ſchweren ſtreich, die tief-geſchlagnen wunden Mit ſalb aus Gilead ſo kraͤfftig hat verbunden. Sein tod, o jammer-wort! weiſt mich in eine klufft, Da ſorge, ſchrecken, noth, pein, foltern, ketten, degen, Sich mit verzweiffelung ums eingeweide legen. Der ſchmertz frißt weiter fort, wenn ich das angſt-geſchrey Der treuen buͤrgerſchafft, und wittib hoͤre klingen, Das ſaltz der thraͤnen ſeh aus ihren augen dringen: Die cantzel bleibet nicht von dieſem winſeln frey; Ein Hofm. w. V. Th. H

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/115>, abgerufen am 05.05.2024.