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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

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Begräbniß-Gedichte.
Besonders wurde sie von unmuth eingenommen,
Als ihr, Geehrter Herr! sein ruff zu ohren kommen:
Der Liebsten leben steht in äusserster gefahr,
Es ist das aussenwerck schon allbereits erstiegen,
Drum mache deine kunst doch eilend offenbar,
Und hilff durch deine macht den frechen feind besiegen.

Die göttin ward hierauf mit bleicher furcht bestricket,
Sie dachte: Fehlet dem die offt erfahrne kunst,
Dem sie bey andern hat so vielmal wohl geglücket?
So lacht man meinen arm, und heist mein wissen dunst.
Sie rieff: Zergliederung! laß iedermann erkennen,
Daß man dich billig kan mein rechtes auge nennen;
Entdecke, was da sey die qvelle dieser pein.
Du edle scheide-kunst! nicht spare deine säffte,
Und zeuch den besten kern aus kräutern, thier und stein,
Verneu durch trinckbar gold die schon verlohrne kräffte.
Sie sah hierauf erfreut, wie man ihr hähne schlachte,
Und stets ihr opffer-tisch von neuem weine floß,
Wie man ihr täglich mehr geweihte kertzen brachte,
Und machte selbsten sich in ihrem geiste groß.
Allein es können sich auch götter nicht so freuen,
Daß Eris nicht darein kan unlusts-äpffel streuen:
Denn Mortens mord-geschrey verstörte dieses fest;
Sie schrie: Wer will sich mehr auf Phöbens macht verlassen?
Denn Luja, dem er sich sonst gütig finden läst,
Sieht seiner seelen licht itzt jämmerlich erblassen.
Hygea starrte drauf, als wie vom blitz gerühret,
Es fiel der scepter ihr vor schmertzen aus der hand,
Jhr sitz, den die natur verwundert aufgeführet,
Woran die meß-kunst auch hatt' allen witz gewandt,
Brach unversehns entzwey. Jhr auge ward verhüllet,
Der gantze tempel ward mit nebel angefüllet;
Die seuffzer schalleten aus der entzündten brust;
Der adern heisser qvell fieng hefftig an zu wallen,
Es war die ärmste kaum sich von sich selbst bewust,
Daß sie aus ungeduld ließ diese wörter fallen:
So

Begraͤbniß-Gedichte.
Beſonders wurde ſie von unmuth eingenommen,
Als ihr, Geehrter Herr! ſein ruff zu ohren kommen:
Der Liebſten leben ſteht in aͤuſſerſter gefahr,
Es iſt das auſſenwerck ſchon allbereits erſtiegen,
Drum mache deine kunſt doch eilend offenbar,
Und hilff durch deine macht den frechen feind beſiegen.

Die goͤttin ward hierauf mit bleicher furcht beſtricket,
Sie dachte: Fehlet dem die offt erfahrne kunſt,
Dem ſie bey andern hat ſo vielmal wohl gegluͤcket?
So lacht man meinen arm, und heiſt mein wiſſen dunſt.
Sie rieff: Zergliederung! laß iedermann erkennen,
Daß man dich billig kan mein rechtes auge nennen;
Entdecke, was da ſey die qvelle dieſer pein.
Du edle ſcheide-kunſt! nicht ſpare deine ſaͤffte,
Und zeuch den beſten kern aus kraͤutern, thier und ſtein,
Verneu durch trinckbar gold die ſchon verlohrne kraͤffte.
Sie ſah hierauf erfreut, wie man ihr haͤhne ſchlachte,
Und ſtets ihr opffer-tiſch von neuem weine floß,
Wie man ihr taͤglich mehr geweihte kertzen brachte,
Und machte ſelbſten ſich in ihrem geiſte groß.
Allein es koͤnnen ſich auch goͤtter nicht ſo freuen,
Daß Eris nicht darein kan unluſts-aͤpffel ſtreuen:
Denn Mortens mord-geſchrey verſtoͤrte dieſes feſt;
Sie ſchrie: Wer will ſich mehr auf Phoͤbens macht verlaſſen?
Denn Luja, dem er ſich ſonſt guͤtig finden laͤſt,
Sieht ſeiner ſeelen licht itzt jaͤmmerlich erblaſſen.
Hygea ſtarrte drauf, als wie vom blitz geruͤhret,
Es fiel der ſcepter ihr vor ſchmertzen aus der hand,
Jhr ſitz, den die natur verwundert aufgefuͤhret,
Woran die meß-kunſt auch hatt’ allen witz gewandt,
Brach unverſehns entzwey. Jhr auge ward verhuͤllet,
Der gantze tempel ward mit nebel angefuͤllet;
Die ſeuffzer ſchalleten aus der entzuͤndten bruſt;
Der adern heiſſer qvell fieng hefftig an zu wallen,
Es war die aͤrmſte kaum ſich von ſich ſelbſt bewuſt,
Daß ſie aus ungeduld ließ dieſe woͤrter fallen:
So
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[102/0104] Begraͤbniß-Gedichte. Beſonders wurde ſie von unmuth eingenommen, Als ihr, Geehrter Herr! ſein ruff zu ohren kommen: Der Liebſten leben ſteht in aͤuſſerſter gefahr, Es iſt das auſſenwerck ſchon allbereits erſtiegen, Drum mache deine kunſt doch eilend offenbar, Und hilff durch deine macht den frechen feind beſiegen. Die goͤttin ward hierauf mit bleicher furcht beſtricket, Sie dachte: Fehlet dem die offt erfahrne kunſt, Dem ſie bey andern hat ſo vielmal wohl gegluͤcket? So lacht man meinen arm, und heiſt mein wiſſen dunſt. Sie rieff: Zergliederung! laß iedermann erkennen, Daß man dich billig kan mein rechtes auge nennen; Entdecke, was da ſey die qvelle dieſer pein. Du edle ſcheide-kunſt! nicht ſpare deine ſaͤffte, Und zeuch den beſten kern aus kraͤutern, thier und ſtein, Verneu durch trinckbar gold die ſchon verlohrne kraͤffte. Sie ſah hierauf erfreut, wie man ihr haͤhne ſchlachte, Und ſtets ihr opffer-tiſch von neuem weine floß, Wie man ihr taͤglich mehr geweihte kertzen brachte, Und machte ſelbſten ſich in ihrem geiſte groß. Allein es koͤnnen ſich auch goͤtter nicht ſo freuen, Daß Eris nicht darein kan unluſts-aͤpffel ſtreuen: Denn Mortens mord-geſchrey verſtoͤrte dieſes feſt; Sie ſchrie: Wer will ſich mehr auf Phoͤbens macht verlaſſen? Denn Luja, dem er ſich ſonſt guͤtig finden laͤſt, Sieht ſeiner ſeelen licht itzt jaͤmmerlich erblaſſen. Hygea ſtarrte drauf, als wie vom blitz geruͤhret, Es fiel der ſcepter ihr vor ſchmertzen aus der hand, Jhr ſitz, den die natur verwundert aufgefuͤhret, Woran die meß-kunſt auch hatt’ allen witz gewandt, Brach unverſehns entzwey. Jhr auge ward verhuͤllet, Der gantze tempel ward mit nebel angefuͤllet; Die ſeuffzer ſchalleten aus der entzuͤndten bruſt; Der adern heiſſer qvell fieng hefftig an zu wallen, Es war die aͤrmſte kaum ſich von ſich ſelbſt bewuſt, Daß ſie aus ungeduld ließ dieſe woͤrter fallen: So

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/104>, abgerufen am 23.11.2024.