Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 4. Leipzig, 1708.verliebte Gedichte. Meinstu daß diese lentzen-zeit/Will zorn und feindschafft munter machen? Jn der doch vieh und menschen lachen/ Ja sich die gantze welt erfreut: Du must dich gegen alle schämen/ Weil du dein selbst nicht wahr kanst nehmen. So viel in diesem umkreiß ist/ Jst alles voll/ voll süsser liebesschmertzen; Schau nur wie dort mit girrend-frohem hertzen/ Der täuber seine taube küst: Gib auff die nachtigal nur acht/ Wie sie von äst auff äste springet/ Und mit verbuhlter stimme singet: Jch lieb' ich liebe tag und nacht/ Die natter läst ihr gifft selbst fahren/ Mit ihrem buhler sich zu paaren: Die rauhen tieger sind verliebt: Der Löwe laufft voll brunst in dem gefilde; Nur deine brust ist also kalt und wilde/ Daß sie ihr keinen sitz nicht giebt. Was aber sag' ich nur von tieger/ löw' und schlangen? Weil jedes dieser fühlen kan: Schau die verliebten pflantzen an/ Wie dort der Ulmenbaum die reben-äst umfangen/ Die Weiden fühln die heisse liebes brunst: Schau wie die Tanne Tannen liebet: Die Fichte Fichten küsse giebet: Die erl' umarmt die erle nicht umsonst/ Das süsse lieben kan erweichen Die Rinde der verjahrten Eichen; Du würdest/ hätte dich ihr geist genommen ein/ Die seufftzer ihrer brunst vernehmen; Allein du wilt dich nicht beqvemen/ Und rauher noch als alle stauden seyn. Aus D 3
verliebte Gedichte. Meinſtu daß dieſe lentzen-zeit/Will zorn und feindſchafft munter machen? Jn der doch vieh und menſchen lachen/ Ja ſich die gantze welt erfreut: Du muſt dich gegen alle ſchaͤmen/ Weil du dein ſelbſt nicht wahr kanſt nehmen. So viel in dieſem umkreiß iſt/ Jſt alles voll/ voll ſuͤſſer liebesſchmertzen; Schau nur wie dort mit girrend-frohem hertzen/ Der taͤuber ſeine taube kuͤſt: Gib auff die nachtigal nur acht/ Wie ſie von aͤſt auff aͤſte ſpringet/ Und mit verbuhlter ſtimme ſinget: Jch lieb’ ich liebe tag und nacht/ Die natter laͤſt ihr gifft ſelbſt fahren/ Mit ihrem buhler ſich zu paaren: Die rauhen tieger ſind verliebt: Der Loͤwe laufft voll brunſt in dem gefilde; Nur deine bruſt iſt alſo kalt und wilde/ Daß ſie ihr keinen ſitz nicht giebt. Was aber ſag’ ich nur von tieger/ loͤw’ und ſchlangen? Weil jedes dieſer fuͤhlen kan: Schau die verliebten pflantzen an/ Wie dort der Ulmenbaum die reben-aͤſt umfangen/ Die Weiden fuͤhln die heiſſe liebes brunſt: Schau wie die Tanne Tannen liebet: Die Fichte Fichten kuͤſſe giebet: Die erl’ umarmt die erle nicht umſonſt/ Das ſuͤſſe lieben kan erweichen Die Rinde der verjahrten Eichen; Du wuͤrdeſt/ haͤtte dich ihr geiſt genommen ein/ Die ſeufftzer ihrer brunſt vernehmen; Allein du wilt dich nicht beqvemen/ Und rauher noch als alle ſtauden ſeyn. Aus D 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg> <pb facs="#f0055" n="53"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">verliebte Gedichte.</hi> </fw><lb/> <l>Meinſtu daß dieſe lentzen-zeit/</l><lb/> <l>Will zorn und feindſchafft munter machen?</l><lb/> <l>Jn der doch vieh und menſchen lachen/</l><lb/> <l>Ja ſich die gantze welt erfreut:</l><lb/> <l>Du muſt dich gegen alle ſchaͤmen/</l><lb/> <l>Weil du dein ſelbſt nicht wahr kanſt nehmen.</l><lb/> <l>So viel in dieſem umkreiß iſt/</l><lb/> <l>Jſt alles voll/ voll ſuͤſſer liebesſchmertzen;</l><lb/> <l>Schau nur wie dort mit girrend-frohem hertzen/</l><lb/> <l>Der taͤuber ſeine taube kuͤſt:</l><lb/> <l>Gib auff die nachtigal nur acht/</l><lb/> <l>Wie ſie von aͤſt auff aͤſte ſpringet/</l><lb/> <l>Und mit verbuhlter ſtimme ſinget:</l><lb/> <l>Jch lieb’ ich liebe tag und nacht/</l><lb/> <l>Die natter laͤſt ihr gifft ſelbſt fahren/</l><lb/> <l>Mit ihrem buhler ſich zu paaren:</l><lb/> <l>Die rauhen tieger ſind verliebt:</l><lb/> <l>Der Loͤwe laufft voll brunſt in dem gefilde;</l><lb/> <l>Nur deine bruſt iſt alſo kalt und wilde/</l><lb/> <l>Daß ſie ihr keinen ſitz nicht giebt.</l><lb/> <l>Was aber ſag’ ich nur von tieger/ loͤw’ und ſchlangen?</l><lb/> <l>Weil jedes dieſer fuͤhlen kan:</l><lb/> <l>Schau die verliebten pflantzen an/</l><lb/> <l>Wie dort der Ulmenbaum die reben-aͤſt umfangen/</l><lb/> <l>Die Weiden fuͤhln die heiſſe liebes brunſt:</l><lb/> <l>Schau wie die Tanne Tannen liebet:</l><lb/> <l>Die Fichte Fichten kuͤſſe giebet:</l><lb/> <l>Die erl’ umarmt die erle nicht umſonſt/</l><lb/> <l>Das ſuͤſſe lieben kan erweichen</l><lb/> <l>Die Rinde der verjahrten Eichen;</l><lb/> <l>Du wuͤrdeſt/ haͤtte dich ihr geiſt genommen ein/</l><lb/> <l>Die ſeufftzer ihrer brunſt vernehmen;</l><lb/> <l>Allein du wilt dich nicht beqvemen/</l><lb/> <l>Und rauher noch als alle ſtauden ſeyn.</l> </lg> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="sig"> <hi rendition="#b">D 3</hi> </fw> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Aus</hi> </fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [53/0055]
verliebte Gedichte.
Meinſtu daß dieſe lentzen-zeit/
Will zorn und feindſchafft munter machen?
Jn der doch vieh und menſchen lachen/
Ja ſich die gantze welt erfreut:
Du muſt dich gegen alle ſchaͤmen/
Weil du dein ſelbſt nicht wahr kanſt nehmen.
So viel in dieſem umkreiß iſt/
Jſt alles voll/ voll ſuͤſſer liebesſchmertzen;
Schau nur wie dort mit girrend-frohem hertzen/
Der taͤuber ſeine taube kuͤſt:
Gib auff die nachtigal nur acht/
Wie ſie von aͤſt auff aͤſte ſpringet/
Und mit verbuhlter ſtimme ſinget:
Jch lieb’ ich liebe tag und nacht/
Die natter laͤſt ihr gifft ſelbſt fahren/
Mit ihrem buhler ſich zu paaren:
Die rauhen tieger ſind verliebt:
Der Loͤwe laufft voll brunſt in dem gefilde;
Nur deine bruſt iſt alſo kalt und wilde/
Daß ſie ihr keinen ſitz nicht giebt.
Was aber ſag’ ich nur von tieger/ loͤw’ und ſchlangen?
Weil jedes dieſer fuͤhlen kan:
Schau die verliebten pflantzen an/
Wie dort der Ulmenbaum die reben-aͤſt umfangen/
Die Weiden fuͤhln die heiſſe liebes brunſt:
Schau wie die Tanne Tannen liebet:
Die Fichte Fichten kuͤſſe giebet:
Die erl’ umarmt die erle nicht umſonſt/
Das ſuͤſſe lieben kan erweichen
Die Rinde der verjahrten Eichen;
Du wuͤrdeſt/ haͤtte dich ihr geiſt genommen ein/
Die ſeufftzer ihrer brunſt vernehmen;
Allein du wilt dich nicht beqvemen/
Und rauher noch als alle ſtauden ſeyn.
Aus
D 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |