Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 4. Leipzig, 1708.verliebte Gedichte. Den Brunn/ der Götter-tranck vor schlechtes Wasser reichet;Die Qvelle/ wo offt zorn/ doch meistens lust entsteht; Die Wohnung/ wo der West/ wenn er dem Herbste weichet/ Mit samt dem Frühlinge sich einzulagern geht; Das bette/ wo ein paar der Seeleu hochzeit machen; Den Ehstand dessen zucht gewünschte küsse seyn; Die wiege/ die man wiegt mit sehnsucht-vollem lachen; Und wo so alt als jung offt nach der Amme schreyn; Dies alles sind wir auch: allein auf unsern Klippen/ Liegt noch von schmuck und ruhm ein grösser überfluß. Wer ist es der nicht kennt den Richterstul der lippen Vor dem ein jeder selbst allein erscheinen muß? Wir können über tod und leben urtheil fällen/ Drum nehmet euch vor uns ihr augen wohl in acht/ Die netze/ welche wir mit grosser klugheit stellen Die haben Könige zu Sklaven offt gemacht. Von unserm throne hört die Erde die gesetze/ Hier henget der befehl/ der küsse zollen heist/ Doch so/ daß nicht ein biß das stegel dran verletze/ Wenn sich der Unterthan gar zu gehorsam weist. Von uns zwo Müttern sind zwey zwillinge gebohren/ Das lachen und der kuß/ das schweigen und das wort/ Und haben diese Welt zu ihrem sitz erkohren Was wider sie hier ist muß alles über bort. Doch auf den rechten weg itzt wiederum zu kommen: Wir sind zwo Muscheln/ wo man theuren purpur find; Ein fluß/ auf dem die kost der Seelen kömmt geschwommen; Ein tranck/ von welchem sie nicht selten truncken sind; Ein faß/ aus welchem thau und milch und ambra fliessen; Ein becher von der hand der wollust eingeschenckt/ Aus dem ein jeder mensch will gerne was geniessen; Zwey wälle/ deren Creiß so gärt als Feld umschrenckt; Zwo pforten/ die bald zu bald wieder offen stehen; Sie sollen auch itzund gar bald geschlossen seyn/ Wir können doch den Ruhm nach würden nicht erhöhen Drum soll uns nur die Welt die sieges-palmen weihn Und unser hohes lob in diamanten graben/ Denn A 5
verliebte Gedichte. Den Brunn/ der Goͤtter-tranck vor ſchlechtes Waſſer reichet;Die Qvelle/ wo offt zorn/ doch meiſtens luſt entſteht; Die Wohnung/ wo der Weſt/ wenn er dem Herbſte weichet/ Mit ſamt dem Fruͤhlinge ſich einzulagern geht; Das bette/ wo ein paar der Seeleu hochzeit machen; Den Ehſtand deſſen zucht gewuͤnſchte kuͤſſe ſeyn; Die wiege/ die man wiegt mit ſehnſucht-vollem lachen; Und wo ſo alt als jung offt nach der Amme ſchreyn; Dies alles ſind wir auch: allein auf unſern Klippen/ Liegt noch von ſchmuck und ruhm ein groͤſſer uͤberfluß. Wer iſt es der nicht kennt den Richterſtul der lippen Vor dem ein jeder ſelbſt allein erſcheinen muß? Wir koͤnnen uͤber tod und leben urtheil faͤllen/ Drum nehmet euch vor uns ihr augen wohl in acht/ Die netze/ welche wir mit groſſer klugheit ſtellen Die haben Koͤnige zu Sklaven offt gemacht. Von unſerm throne hoͤrt die Erde die geſetze/ Hier henget der befehl/ der kuͤſſe zollen heiſt/ Doch ſo/ daß nicht ein biß das ſtegel dran verletze/ Wenn ſich der Unterthan gar zu gehorſam weiſt. Von uns zwo Muͤttern ſind zwey zwillinge gebohren/ Das lachen und der kuß/ das ſchweigen und das wort/ Und haben dieſe Welt zu ihrem ſitz erkohren Was wider ſie hier iſt muß alles uͤber bort. Doch auf den rechten weg itzt wiederum zu kommen: Wir ſind zwo Muſcheln/ wo man theuren purpur find; Ein fluß/ auf dem die koſt der Seelen koͤm̃t geſchwommen; Ein tranck/ von welchem ſie nicht ſelten truncken ſind; Ein faß/ aus welchem thau und milch und ambra flieſſen; Ein becher von der hand der wolluſt eingeſchenckt/ Aus dem ein jeder menſch will gerne was genieſſen; Zwey waͤlle/ deren Creiß ſo gaͤrt als Feld umſchrenckt; Zwo pforten/ die bald zu bald wieder offen ſtehen; Sie ſollen auch itzund gar bald geſchloſſen ſeyn/ Wir koͤnnen doch den Ruhm nach wuͤrden nicht erhoͤhen Drum ſoll uns nur die Welt die ſieges-palmen weihn Und unſer hohes lob in diamanten graben/ Denn A 5
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verliebte Gedichte.
Den Brunn/ der Goͤtter-tranck vor ſchlechtes Waſſer reichet;
Die Qvelle/ wo offt zorn/ doch meiſtens luſt entſteht;
Die Wohnung/ wo der Weſt/ wenn er dem Herbſte weichet/
Mit ſamt dem Fruͤhlinge ſich einzulagern geht;
Das bette/ wo ein paar der Seeleu hochzeit machen;
Den Ehſtand deſſen zucht gewuͤnſchte kuͤſſe ſeyn;
Die wiege/ die man wiegt mit ſehnſucht-vollem lachen;
Und wo ſo alt als jung offt nach der Amme ſchreyn;
Dies alles ſind wir auch: allein auf unſern Klippen/
Liegt noch von ſchmuck und ruhm ein groͤſſer uͤberfluß.
Wer iſt es der nicht kennt den Richterſtul der lippen
Vor dem ein jeder ſelbſt allein erſcheinen muß?
Wir koͤnnen uͤber tod und leben urtheil faͤllen/
Drum nehmet euch vor uns ihr augen wohl in acht/
Die netze/ welche wir mit groſſer klugheit ſtellen
Die haben Koͤnige zu Sklaven offt gemacht.
Von unſerm throne hoͤrt die Erde die geſetze/
Hier henget der befehl/ der kuͤſſe zollen heiſt/
Doch ſo/ daß nicht ein biß das ſtegel dran verletze/
Wenn ſich der Unterthan gar zu gehorſam weiſt.
Von uns zwo Muͤttern ſind zwey zwillinge gebohren/
Das lachen und der kuß/ das ſchweigen und das wort/
Und haben dieſe Welt zu ihrem ſitz erkohren
Was wider ſie hier iſt muß alles uͤber bort.
Doch auf den rechten weg itzt wiederum zu kommen:
Wir ſind zwo Muſcheln/ wo man theuren purpur find;
Ein fluß/ auf dem die koſt der Seelen koͤm̃t geſchwommen;
Ein tranck/ von welchem ſie nicht ſelten truncken ſind;
Ein faß/ aus welchem thau und milch und ambra flieſſen;
Ein becher von der hand der wolluſt eingeſchenckt/
Aus dem ein jeder menſch will gerne was genieſſen;
Zwey waͤlle/ deren Creiß ſo gaͤrt als Feld umſchrenckt;
Zwo pforten/ die bald zu bald wieder offen ſtehen;
Sie ſollen auch itzund gar bald geſchloſſen ſeyn/
Wir koͤnnen doch den Ruhm nach wuͤrden nicht erhoͤhen
Drum ſoll uns nur die Welt die ſieges-palmen weihn
Und unſer hohes lob in diamanten graben/
Denn
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Zitationshilfe: | Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 4. Leipzig, 1708, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte04_1708/11>, abgerufen am 16.02.2025. |