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Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Herrn von Hofmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte anderer Theil. Leipzig, 1697.

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Vermischte Gedichte.
Wie diese häupter stehn/ und diese glieder wesen/
Wird endlich euer leib auch so vermodert seyn.
Hier lieget schönheit gantz verdorret und verblühet/
Auf welche mancher geist so grosse wunder setzt.
Seht/ wie nur ungestalt aus iedem gliede stehet/
Und ieder knochen hie von schlangen ist zerfretzt.
Schaut doch dies kleine reich/ in das wir uns verstecken/
Sind auch drey ellen wol desselben breit und läng'?
O schlecht gebautes hauß! und doch must du uns decken;
Die kleine todten-hütt ist keinem nicht zu eng.
Laß nur/ gerechter GOtt/ mein end mich glücklich finden/
Und bald zu diesem heer der leichen seyn gebracht!
Doch/ seh' ich das gesicht nicht wiederum verschwinden?
Ja/ ja/ ich weiß genug: nun/ todten/ gute nacht!


Uber die worte Sirachs:
O todt/ wie bitter bistu!

H. A. F. v. A.
WJe bitter bistu herber todt/
Wenn du uns das entziehst/
Was uns auff dieser welt nechst GOtt
Am allerliebsten ist:
Wenn mit betrübten hertz-zerschneiden
Die treusten freunde von uns scheiden.
Wie bitter bistu blasser tod/
Wenn du dich findest ein/
Weil noch die frischen wangen roth
Und unverfallen seyn/
Wenn wir/ weil keine kräffte fehlen/
Noch wollen lange jahre zehlen.
Wie bitter bistu herber todt/
Wenn du den thron umschmeist/
Worauff ein stoltzer erden-gott
Zu prangen sich befleist/
Wenn
Vermiſchte Gedichte.
Wie dieſe haͤupter ſtehn/ und dieſe glieder weſen/
Wird endlich euer leib auch ſo vermodert ſeyn.
Hier lieget ſchoͤnheit gantz verdorret und verbluͤhet/
Auf welche mancher geiſt ſo groſſe wunder ſetzt.
Seht/ wie nur ungeſtalt aus iedem gliede ſtehet/
Und ieder knochen hie von ſchlangen iſt zerfretzt.
Schaut doch dies kleine reich/ in das wir uns verſtecken/
Sind auch drey ellen wol deſſelben breit und laͤng’?
O ſchlecht gebautes hauß! und doch muſt du uns decken;
Die kleine todten-huͤtt iſt keinem nicht zu eng.
Laß nur/ gerechter GOtt/ mein end mich gluͤcklich finden/
Und bald zu dieſem heer der leichen ſeyn gebracht!
Doch/ ſeh’ ich das geſicht nicht wiederum verſchwinden?
Ja/ ja/ ich weiß genug: nun/ todten/ gute nacht!


Uber die worte Sirachs:
O todt/ wie bitter biſtu!

H. A. F. v. A.
WJe bitter biſtu herber todt/
Wenn du uns das entziehſt/
Was uns auff dieſer welt nechſt GOtt
Am allerliebſten iſt:
Wenn mit betruͤbten hertz-zerſchneiden
Die treuſten freunde von uns ſcheiden.
Wie bitter biſtu blaſſer tod/
Wenn du dich findeſt ein/
Weil noch die friſchen wangen roth
Und unverfallen ſeyn/
Wenn wir/ weil keine kraͤffte fehlen/
Noch wollen lange jahre zehlen.
Wie bitter biſtu herber todt/
Wenn du den thron umſchmeiſt/
Worauff ein ſtoltzer erden-gott
Zu prangen ſich befleiſt/
Wenn
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[285/0301] Vermiſchte Gedichte. Wie dieſe haͤupter ſtehn/ und dieſe glieder weſen/ Wird endlich euer leib auch ſo vermodert ſeyn. Hier lieget ſchoͤnheit gantz verdorret und verbluͤhet/ Auf welche mancher geiſt ſo groſſe wunder ſetzt. Seht/ wie nur ungeſtalt aus iedem gliede ſtehet/ Und ieder knochen hie von ſchlangen iſt zerfretzt. Schaut doch dies kleine reich/ in das wir uns verſtecken/ Sind auch drey ellen wol deſſelben breit und laͤng’? O ſchlecht gebautes hauß! und doch muſt du uns decken; Die kleine todten-huͤtt iſt keinem nicht zu eng. Laß nur/ gerechter GOtt/ mein end mich gluͤcklich finden/ Und bald zu dieſem heer der leichen ſeyn gebracht! Doch/ ſeh’ ich das geſicht nicht wiederum verſchwinden? Ja/ ja/ ich weiß genug: nun/ todten/ gute nacht! Uber die worte Sirachs: O todt/ wie bitter biſtu! H. A. F. v. A. WJe bitter biſtu herber todt/ Wenn du uns das entziehſt/ Was uns auff dieſer welt nechſt GOtt Am allerliebſten iſt: Wenn mit betruͤbten hertz-zerſchneiden Die treuſten freunde von uns ſcheiden. Wie bitter biſtu blaſſer tod/ Wenn du dich findeſt ein/ Weil noch die friſchen wangen roth Und unverfallen ſeyn/ Wenn wir/ weil keine kraͤffte fehlen/ Noch wollen lange jahre zehlen. Wie bitter biſtu herber todt/ Wenn du den thron umſchmeiſt/ Worauff ein ſtoltzer erden-gott Zu prangen ſich befleiſt/ Wenn

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Zitationshilfe: Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Herrn von Hofmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte anderer Theil. Leipzig, 1697, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte02_1697/301>, abgerufen am 12.05.2024.