Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Herrn von Hofmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte anderer Theil. Leipzig, 1697.Vermischte Gedichte. Der seinen freyen geist an kunst und regeln bind't.Ein narr hat tausendmahl mehr lust in seinem dichten/ Er darff sich/ wenn er reimt/ nach keinen wörtern richten/ Liebt alles/ was er macht/ und bildet selbst ihm ein/ Daß er und seine schrifft die grösten wunder seyn. Allein ein hoher geist sucht nur umsonst auff erden/ Jn dieser schweren kunst vollkommen klug zu werden. Er ist stets mißvergnügt ob dem/ was er verricht/ Gefället aller welt/ nur bloß ihm selber nicht; Und da ein ieder mensch ihn preisen muß und lieben/ Wünscht er zu seiner ruh: er hätte nichts geschrieben. Drum bitt ich nochmahls dich/ du fürst der dichterey/ Moliere/ bringe mir die kunst zu reimen bey: Jst aber dieses dir unmöglich/ mir zu zeigen/ So lehre mich die kunst im reimen gar zu schweigen. Auff den nahmens-tag Hn. Nicolaus Will- mann/ Churfürstl. Brandenburgischen amts- und steuer-raths. B. N. DJe kluge welt hat noch biß heute nicht ergründt/ Was Martyr dennoch will vor eine warheit schreiben; Ob in Longuca sich ein wunder-brunn befindt/ Der alte leiber kan in junge formen treiben: Diß aber ist gewiß: daß GOttes stille krafft Verlebten dingen offt das meiste leben schafft. Wie spielt nicht die natur an dem gestirnten bogen? Des monden silber fällt und nimmet wieder zu: Die wolcken werden ab- und wieder auffgezogen: Die Q 3
Vermiſchte Gedichte. Der ſeinen freyen geiſt an kunſt und regeln bind’t.Ein narr hat tauſendmahl mehr luſt in ſeinem dichten/ Er darff ſich/ wenn er reimt/ nach keinen woͤrtern richten/ Liebt alles/ was er macht/ und bildet ſelbſt ihm ein/ Daß er und ſeine ſchrifft die groͤſten wunder ſeyn. Allein ein hoher geiſt ſucht nur umſonſt auff erden/ Jn dieſer ſchweren kunſt vollkommen klug zu werden. Er iſt ſtets mißvergnuͤgt ob dem/ was er verricht/ Gefaͤllet aller welt/ nur bloß ihm ſelber nicht; Und da ein ieder menſch ihn preiſen muß und lieben/ Wuͤnſcht er zu ſeiner ruh: er haͤtte nichts geſchrieben. Drum bitt ich nochmahls dich/ du fuͤrſt der dichterey/ Moliere/ bringe mir die kunſt zu reimen bey: Jſt aber dieſes dir unmoͤglich/ mir zu zeigen/ So lehre mich die kunſt im reimen gar zu ſchweigen. Auff den nahmens-tag Hn. Nicolaus Will- mann/ Churfuͤrſtl. Brandenburgiſchen amts- und ſteuer-raths. B. N. DJe kluge welt hat noch biß heute nicht ergruͤndt/ Was Martyr dennoch will vor eine warheit ſchreiben; Ob in Longuca ſich ein wunder-brunn befindt/ Der alte leiber kan in junge formen treiben: Diß aber iſt gewiß: daß GOttes ſtille krafft Verlebten dingen offt das meiſte leben ſchafft. Wie ſpielt nicht die natur an dem geſtirnten bogen? Des monden ſilber faͤllt und nimmet wieder zu: Die wolcken werden ab- und wieder auffgezogen: Die Q 3
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Vermiſchte Gedichte.
Der ſeinen freyen geiſt an kunſt und regeln bind’t.
Ein narr hat tauſendmahl mehr luſt in ſeinem dichten/
Er darff ſich/ wenn er reimt/ nach keinen woͤrtern richten/
Liebt alles/ was er macht/ und bildet ſelbſt ihm ein/
Daß er und ſeine ſchrifft die groͤſten wunder ſeyn.
Allein ein hoher geiſt ſucht nur umſonſt auff erden/
Jn dieſer ſchweren kunſt vollkommen klug zu werden.
Er iſt ſtets mißvergnuͤgt ob dem/ was er verricht/
Gefaͤllet aller welt/ nur bloß ihm ſelber nicht;
Und da ein ieder menſch ihn preiſen muß und lieben/
Wuͤnſcht er zu ſeiner ruh: er haͤtte nichts geſchrieben.
Drum bitt ich nochmahls dich/ du fuͤrſt der dichterey/
Moliere/ bringe mir die kunſt zu reimen bey:
Jſt aber dieſes dir unmoͤglich/ mir zu zeigen/
So lehre mich die kunſt im reimen gar zu ſchweigen.
Auff den nahmens-tag Hn. Nicolaus Will-
mann/ Churfuͤrſtl. Brandenburgiſchen
amts- und ſteuer-raths.
B. N.
DJe kluge welt hat noch biß heute nicht ergruͤndt/
Was Martyr dennoch will vor eine warheit ſchreiben;
Ob in Longuca ſich ein wunder-brunn befindt/
Der alte leiber kan in junge formen treiben:
Diß aber iſt gewiß: daß GOttes ſtille krafft
Verlebten dingen offt das meiſte leben ſchafft.
Wie ſpielt nicht die natur an dem geſtirnten bogen?
Des monden ſilber faͤllt und nimmet wieder zu:
Die wolcken werden ab- und wieder auffgezogen:
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