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Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Herrn von Hofmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte anderer Theil. Leipzig, 1697.

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Begräbniß-Gedichte.

Euch soll in kurtzer zeit so sehnlich bange werden;
Umb nur so fort zu fliehn die eiteln lust-beschwerden!

Denn was verführt uns mehr in abgrund böser lüste/
Als das Sirenen-lied der lockend-schlauen welt?
Dis wohnhauß/ da wir sind/ ist eine weite wüste/
Wo löw und tieger uns nach fleisch und leben stellt:
Ein kercker/ in dem wir gefesselt speise nehmen/
Und uns um kurtze lust zu ewger pein bequemen.
Wer diesem netze nun bey zeiten noch entgehet/
Eh ihn die eitle pracht in dessen schlingen trieb/
Eh er den schlauen kram der laster recht verstehet/
Hat den des Höchsten hertz nicht wol vor andern lieb?
Das schaf ist aller list des wolffes bald entschwunden/
Das zeitig seinen weg ins hirten-hauß gefunden.
Und also macht es auch der himmel mit den seinen/
Die ihm in dieser welt mit treuer brust gedient:
Er fodert sie zu sich/ eh sie und wirs vermeinen/
Und stellt sie an den ort/ wo sichres wohlseyn grünt:
Kein frommer/ wie gar bald er auch wird weggenommen/
Jst/ wenn mans recht bedenckt/ der welt zu früh entkommen.
Und so verletzen wir auch mehr mit unsern thränen/
Mein Kottwitz/ deinen tod/ als unsrer pflicht gebührt.
Du hast den port erlangt/ wornach viel tausend sehnen/
Die dieser wüsten welt gefährlich Scylla rührt.
Du bist zwar früh/ doch fromm/ und mit viel nutz gestorben:
Denn eh du recht gekämpft/ hast du den sieg erworben.
Du stehst mit größrer pracht nun vor des HErren throne/
Als tausend edele üm ihren fürsten stehn:
Nun deckt dich ein gewand/ nun schmückt dich eine krone/
Vor derer kostbarkeit uns aug' und ohr vergehn/
Und

Begraͤbniß-Gedichte.

Euch ſoll in kurtzer zeit ſo ſehnlich bange werden;
Umb nur ſo fort zu fliehn die eiteln luſt-beſchwerden!

Denn was verfuͤhrt uns mehr in abgrund boͤſer luͤſte/
Als das Sirenen-lied der lockend-ſchlauen welt?
Dis wohnhauß/ da wir ſind/ iſt eine weite wuͤſte/
Wo loͤw und tieger uns nach fleiſch und leben ſtellt:
Ein kercker/ in dem wir gefeſſelt ſpeiſe nehmen/
Und uns um kurtze luſt zu ewger pein bequemen.
Wer dieſem netze nun bey zeiten noch entgehet/
Eh ihn die eitle pracht in deſſen ſchlingen trieb/
Eh er den ſchlauen kram der laſter recht verſtehet/
Hat den des Hoͤchſten hertz nicht wol vor andern lieb?
Das ſchaf iſt aller liſt des wolffes bald entſchwunden/
Das zeitig ſeinen weg ins hirten-hauß gefunden.
Und alſo macht es auch der himmel mit den ſeinen/
Die ihm in dieſer welt mit treuer bruſt gedient:
Er fodert ſie zu ſich/ eh ſie und wirs vermeinen/
Und ſtellt ſie an den ort/ wo ſichres wohlſeyn gruͤnt:
Kein frommer/ wie gar bald er auch wird weggenommen/
Jſt/ wenn mans recht bedenckt/ der welt zu fruͤh entkommen.
Und ſo verletzen wir auch mehr mit unſern thraͤnen/
Mein Kottwitz/ deinen tod/ als unſrer pflicht gebuͤhrt.
Du haſt den port erlangt/ wornach viel tauſend ſehnen/
Die dieſer wuͤſten welt gefaͤhrlich Scylla ruͤhrt.
Du biſt zwar fruͤh/ doch fromm/ und mit viel nutz geſtorben:
Denn eh du recht gekaͤmpft/ haſt du den ſieg erworben.
Du ſtehſt mit groͤßrer pracht nun vor des HErren throne/
Als tauſend edele uͤm ihren fuͤrſten ſtehn:
Nun deckt dich ein gewand/ nun ſchmuͤckt dich eine krone/
Vor derer koſtbarkeit uns aug’ und ohr vergehn/
Und
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[202/0218] Begraͤbniß-Gedichte. Euch ſoll in kurtzer zeit ſo ſehnlich bange werden; Umb nur ſo fort zu fliehn die eiteln luſt-beſchwerden! Denn was verfuͤhrt uns mehr in abgrund boͤſer luͤſte/ Als das Sirenen-lied der lockend-ſchlauen welt? Dis wohnhauß/ da wir ſind/ iſt eine weite wuͤſte/ Wo loͤw und tieger uns nach fleiſch und leben ſtellt: Ein kercker/ in dem wir gefeſſelt ſpeiſe nehmen/ Und uns um kurtze luſt zu ewger pein bequemen. Wer dieſem netze nun bey zeiten noch entgehet/ Eh ihn die eitle pracht in deſſen ſchlingen trieb/ Eh er den ſchlauen kram der laſter recht verſtehet/ Hat den des Hoͤchſten hertz nicht wol vor andern lieb? Das ſchaf iſt aller liſt des wolffes bald entſchwunden/ Das zeitig ſeinen weg ins hirten-hauß gefunden. Und alſo macht es auch der himmel mit den ſeinen/ Die ihm in dieſer welt mit treuer bruſt gedient: Er fodert ſie zu ſich/ eh ſie und wirs vermeinen/ Und ſtellt ſie an den ort/ wo ſichres wohlſeyn gruͤnt: Kein frommer/ wie gar bald er auch wird weggenommen/ Jſt/ wenn mans recht bedenckt/ der welt zu fruͤh entkommen. Und ſo verletzen wir auch mehr mit unſern thraͤnen/ Mein Kottwitz/ deinen tod/ als unſrer pflicht gebuͤhrt. Du haſt den port erlangt/ wornach viel tauſend ſehnen/ Die dieſer wuͤſten welt gefaͤhrlich Scylla ruͤhrt. Du biſt zwar fruͤh/ doch fromm/ und mit viel nutz geſtorben: Denn eh du recht gekaͤmpft/ haſt du den ſieg erworben. Du ſtehſt mit groͤßrer pracht nun vor des HErren throne/ Als tauſend edele uͤm ihren fuͤrſten ſtehn: Nun deckt dich ein gewand/ nun ſchmuͤckt dich eine krone/ Vor derer koſtbarkeit uns aug’ und ohr vergehn/ Und

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Zitationshilfe: Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Herrn von Hofmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte anderer Theil. Leipzig, 1697, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte02_1697/218>, abgerufen am 02.05.2024.