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Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.

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Galante Gedichte.
Es läst dein paradeiß mich liebes-äpffel suchen/
Darbey die schlange sich nicht leichtlich spüren läst.
Bleßine/ weist du auch/ warum ich dieses schreibe/
Warum dir meine faust itzt hundert reime schickt?
Du kennst den schönen mertz/ als aus der mutter leibe
Vor siebzehn jahren du die welt hast angeblickt.
Da hat die Venus dich bald auff den arm geleget/
Und dich mit ihrer milch als mutter auch getränckt;
Sie hat die lieblichkeit dir reichlich eingepräget/
Und selbst ihr ebenbild auff deine brust gehenckt.
Sie hat mit rosen-blut die lippen dir besprützet/
Und ihre zunge hat die deinige genetzt;
Sie hat dir alsobald das junge blut erhitzet/
Und warmen wunder-schnee in deine hand gesetzt.
Nach diesem hat sie dich den Gratien befohlen/
Die eine küßte dich/ du weist es wohl auff was;
Cupido muste dir zeug zu den windeln holen/
Der niemahls allzuweit von deiner wiege saß/
Er sang dir: kindgen schlaff; dein mund ist wie rubinen/
Dein bäuchlein schwanen-weiß/ dein hals wie helffenbein/
Es wird die freyheit dir vor eine sclavin dienen/
Wann um dein brünnlein wird ein schönes püschgen seyn.
Schlaff sanfft! Es müsse dich kein harter schall erwecken/
Die mutter decket dich mit ihrem flore zu.
In deine lippen will sie zucker-stengel stecken/
Die mehr als zucker sind/ und lieblich seyn/ wie du.
Er lehrte bald darauff die glatten füsse schreiten/
Er macht' aus seinem pfeil dir offt ein tummel-pferd/
Die Venus lacht'/ und sprach: Wie kan diß dirnlein reiten?
Der himmel mache sie des besten reuters werth!
Sie ließ die tauben offt in deiner kammer bleiben/
Die weil ihr schnäblen dir fürtrefflich wohl gefiel/
Du fragtest: Was ist diß? was sie vor kurtzweil treiben?
O fürwitz/ sagte sie/ es ist ihr liebes-spiel.
Was soll ich endlich viel von deiner jugend sagen?
Dich hat der himmel selbst als tochter angelacht.
Und dich ohn unterlaß auff arm und schooß getragen/
Ja sammt und seide dir zu bett und stuhl gemacht.
Und hat er etwan dich was sauer angeblicket/
So hat er doppelt dich auch wieder bald geliebt/
Und aus dem nebel dir den schönsten strahl geschicket/
So wie ein pinsel thut/ der neuen fürniß giebt.
Bleßine/ darff ich dir mein hertze recht entschliessen?
Du weist/ ich bin kein freund der schnöden heucheley;

So

Galante Gedichte.
Es laͤſt dein paradeiß mich liebes-aͤpffel ſuchen/
Darbey die ſchlange ſich nicht leichtlich ſpuͤren laͤſt.
Bleßine/ weiſt du auch/ warum ich dieſes ſchreibe/
Warum dir meine fauſt itzt hundert reime ſchickt?
Du kennſt den ſchoͤnen mertz/ als aus der mutter leibe
Vor ſiebzehn jahren du die welt haſt angeblickt.
Da hat die Venus dich bald auff den arm geleget/
Und dich mit ihrer milch als mutter auch getraͤnckt;
Sie hat die lieblichkeit dir reichlich eingepraͤget/
Und ſelbſt ihr ebenbild auff deine bruſt gehenckt.
Sie hat mit roſen-blut die lippen dir beſpruͤtzet/
Und ihre zunge hat die deinige genetzt;
Sie hat dir alſobald das junge blut erhitzet/
Und warmen wunder-ſchnee in deine hand geſetzt.
Nach dieſem hat ſie dich den Gratien befohlen/
Die eine kuͤßte dich/ du weiſt es wohl auff was;
Cupido muſte dir zeug zu den windeln holen/
Der niemahls allzuweit von deiner wiege ſaß/
Er ſang dir: kindgen ſchlaff; dein mund iſt wie rubinen/
Dein baͤuchlein ſchwanen-weiß/ dein hals wie helffenbein/
Es wird die freyheit dir vor eine ſclavin dienen/
Wann um dein bruͤnnlein wird ein ſchoͤnes puͤſchgen ſeyn.
Schlaff ſanfft! Es muͤſſe dich kein harter ſchall erwecken/
Die mutter decket dich mit ihrem flore zu.
In deine lippen will ſie zucker-ſtengel ſtecken/
Die mehr als zucker ſind/ und lieblich ſeyn/ wie du.
Er lehrte bald darauff die glatten fuͤſſe ſchreiten/
Er macht’ aus ſeinem pfeil dir offt ein tummel-pferd/
Die Venus lacht’/ und ſprach: Wie kan diß dirnlein reiten?
Der himmel mache ſie des beſten reuters werth!
Sie ließ die tauben offt in deiner kammer bleiben/
Die weil ihr ſchnaͤblen dir fuͤrtrefflich wohl gefiel/
Du fragteſt: Was iſt diß? was ſie vor kurtzweil treiben?
O fuͤrwitz/ ſagte ſie/ es iſt ihr liebes-ſpiel.
Was ſoll ich endlich viel von deiner jugend ſagen?
Dich hat der himmel ſelbſt als tochter angelacht.
Und dich ohn unterlaß auff arm und ſchooß getragen/
Ja ſammt und ſeide dir zu bett und ſtuhl gemacht.
Und hat er etwan dich was ſauer angeblicket/
So hat er doppelt dich auch wieder bald geliebt/
Und aus dem nebel dir den ſchoͤnſten ſtrahl geſchicket/
So wie ein pinſel thut/ der neuen fuͤrniß giebt.
Bleßine/ darff ich dir mein hertze recht entſchlieſſen?
Du weiſt/ ich bin kein freund der ſchnoͤden heucheley;

So
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[6/0050] Galante Gedichte. Es laͤſt dein paradeiß mich liebes-aͤpffel ſuchen/ Darbey die ſchlange ſich nicht leichtlich ſpuͤren laͤſt. Bleßine/ weiſt du auch/ warum ich dieſes ſchreibe/ Warum dir meine fauſt itzt hundert reime ſchickt? Du kennſt den ſchoͤnen mertz/ als aus der mutter leibe Vor ſiebzehn jahren du die welt haſt angeblickt. Da hat die Venus dich bald auff den arm geleget/ Und dich mit ihrer milch als mutter auch getraͤnckt; Sie hat die lieblichkeit dir reichlich eingepraͤget/ Und ſelbſt ihr ebenbild auff deine bruſt gehenckt. Sie hat mit roſen-blut die lippen dir beſpruͤtzet/ Und ihre zunge hat die deinige genetzt; Sie hat dir alſobald das junge blut erhitzet/ Und warmen wunder-ſchnee in deine hand geſetzt. Nach dieſem hat ſie dich den Gratien befohlen/ Die eine kuͤßte dich/ du weiſt es wohl auff was; Cupido muſte dir zeug zu den windeln holen/ Der niemahls allzuweit von deiner wiege ſaß/ Er ſang dir: kindgen ſchlaff; dein mund iſt wie rubinen/ Dein baͤuchlein ſchwanen-weiß/ dein hals wie helffenbein/ Es wird die freyheit dir vor eine ſclavin dienen/ Wann um dein bruͤnnlein wird ein ſchoͤnes puͤſchgen ſeyn. Schlaff ſanfft! Es muͤſſe dich kein harter ſchall erwecken/ Die mutter decket dich mit ihrem flore zu. In deine lippen will ſie zucker-ſtengel ſtecken/ Die mehr als zucker ſind/ und lieblich ſeyn/ wie du. Er lehrte bald darauff die glatten fuͤſſe ſchreiten/ Er macht’ aus ſeinem pfeil dir offt ein tummel-pferd/ Die Venus lacht’/ und ſprach: Wie kan diß dirnlein reiten? Der himmel mache ſie des beſten reuters werth! Sie ließ die tauben offt in deiner kammer bleiben/ Die weil ihr ſchnaͤblen dir fuͤrtrefflich wohl gefiel/ Du fragteſt: Was iſt diß? was ſie vor kurtzweil treiben? O fuͤrwitz/ ſagte ſie/ es iſt ihr liebes-ſpiel. Was ſoll ich endlich viel von deiner jugend ſagen? Dich hat der himmel ſelbſt als tochter angelacht. Und dich ohn unterlaß auff arm und ſchooß getragen/ Ja ſammt und ſeide dir zu bett und ſtuhl gemacht. Und hat er etwan dich was ſauer angeblicket/ So hat er doppelt dich auch wieder bald geliebt/ Und aus dem nebel dir den ſchoͤnſten ſtrahl geſchicket/ So wie ein pinſel thut/ der neuen fuͤrniß giebt. Bleßine/ darff ich dir mein hertze recht entſchlieſſen? Du weiſt/ ich bin kein freund der ſchnoͤden heucheley; So

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Zitationshilfe: Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695/50>, abgerufen am 19.04.2024.