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Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.

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Vermischte Gedichte.
Verkehrtes sonnet der schreibe-
feder.
DIe kunst ist ohne macht/ wo sich nicht Mars gesellet/
Die feder hat den stahl offt bloß aus furcht verstellet/
Und ob sich itzt ein held auff freye künste leget/
Doch ward Germanien noch 1000. mahl so groß/
Als seiner waffen-plitz das stoltze Rom beweget.
Es sey/ daß ein Virgil saß in Augustus schooß/
So stand die majestät nur auff der schwerdter pracht.
Diß käysers purpur stieg durch glücke von den kriegen/
Offt muß beredsamkeit sich vor dem fürsten biegen/
Und ein schlecht feder-kiel wird nicht so groß geacht/
Als wenn ein tapffrer muth den feind zu nichte macht/
Vor dem sein unterthan gebücket muste liegen/
Der harnisch und der stahl kan ja die welt besiegen/
Durch diß hat Rom die welt zur dienstbarkeit gebracht;

Gedancken über die eitelkeit.
WAs ist diß thun/ so dein gemüthe liebet?
Dem sich die lieb' so leichtlich übergiebet?
Ein weisser koth/ der farb und masqve trägt/
Den ieder wind der eitelkeit bewegt.
Den mehr dein gold/ als deine bitte lencket/
Der sinnen koth um andern koth verschencket.
Die stirne/ so dein freuden-spiegel ist/
Bleibt schlüpffrig eiß; und so du das erkiest/
So wird dein fuß mit deiner freyheit fallen.
Die stimme/ so du stündlich hör'st erschallen/
Ist dieser gleich/ so die Syrene bringt/
Und tödten kan/ wie süsse sie auch klingt.
Die küsse/ so du von den lippen stiehlest/
Die stehlen dich/ wie wenig du es fühlest;
Ja
T
Vermiſchte Gedichte.
Verkehrtes ſonnet der ſchreibe-
feder.
DIe kunſt iſt ohne macht/ wo ſich nicht Mars geſellet/
Die feder hat den ſtahl offt bloß aus furcht verſtellet/
Und ob ſich itzt ein held auff freye kuͤnſte leget/
Doch ward Germanien noch 1000. mahl ſo groß/
Als ſeiner waffen-plitz das ſtoltze Rom beweget.
Es ſey/ daß ein Virgil ſaß in Auguſtus ſchooß/
So ſtand die majeſtaͤt nur auff der ſchwerdter pracht.
Diß kaͤyſers purpur ſtieg durch gluͤcke von den kriegen/
Offt muß beredſamkeit ſich vor dem fuͤrſten biegen/
Und ein ſchlecht feder-kiel wird nicht ſo groß geacht/
Als wenn ein tapffrer muth den feind zu nichte macht/
Vor dem ſein unterthan gebuͤcket muſte liegen/
Der harniſch und der ſtahl kan ja die welt beſiegen/
Durch diß hat Rom die welt zur dienſtbarkeit gebracht;

Gedancken uͤber die eitelkeit.
WAs iſt diß thun/ ſo dein gemuͤthe liebet?
Dem ſich die lieb’ ſo leichtlich uͤbergiebet?
Ein weiſſer koth/ der farb und masqve traͤgt/
Den ieder wind der eitelkeit bewegt.
Den mehr dein gold/ als deine bitte lencket/
Der ſinnen koth um andern koth verſchencket.
Die ſtirne/ ſo dein freuden-ſpiegel iſt/
Bleibt ſchluͤpffrig eiß; und ſo du das erkieſt/
So wird dein fuß mit deiner freyheit fallen.
Die ſtimme/ ſo du ſtuͤndlich hoͤr’ſt erſchallen/
Iſt dieſer gleich/ ſo die Syrene bringt/
Und toͤdten kan/ wie ſuͤſſe ſie auch klingt.
Die kuͤſſe/ ſo du von den lippen ſtiehleſt/
Die ſtehlen dich/ wie wenig du es fuͤhleſt;
Ja
T
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[289/0333] Vermiſchte Gedichte. Verkehrtes ſonnet der ſchreibe- feder. DIe kunſt iſt ohne macht/ wo ſich nicht Mars geſellet/ Die feder hat den ſtahl offt bloß aus furcht verſtellet/ Und ob ſich itzt ein held auff freye kuͤnſte leget/ Doch ward Germanien noch 1000. mahl ſo groß/ Als ſeiner waffen-plitz das ſtoltze Rom beweget. Es ſey/ daß ein Virgil ſaß in Auguſtus ſchooß/ So ſtand die majeſtaͤt nur auff der ſchwerdter pracht. Diß kaͤyſers purpur ſtieg durch gluͤcke von den kriegen/ Offt muß beredſamkeit ſich vor dem fuͤrſten biegen/ Und ein ſchlecht feder-kiel wird nicht ſo groß geacht/ Als wenn ein tapffrer muth den feind zu nichte macht/ Vor dem ſein unterthan gebuͤcket muſte liegen/ Der harniſch und der ſtahl kan ja die welt beſiegen/ Durch diß hat Rom die welt zur dienſtbarkeit gebracht; Gedancken uͤber die eitelkeit. WAs iſt diß thun/ ſo dein gemuͤthe liebet? Dem ſich die lieb’ ſo leichtlich uͤbergiebet? Ein weiſſer koth/ der farb und masqve traͤgt/ Den ieder wind der eitelkeit bewegt. Den mehr dein gold/ als deine bitte lencket/ Der ſinnen koth um andern koth verſchencket. Die ſtirne/ ſo dein freuden-ſpiegel iſt/ Bleibt ſchluͤpffrig eiß; und ſo du das erkieſt/ So wird dein fuß mit deiner freyheit fallen. Die ſtimme/ ſo du ſtuͤndlich hoͤr’ſt erſchallen/ Iſt dieſer gleich/ ſo die Syrene bringt/ Und toͤdten kan/ wie ſuͤſſe ſie auch klingt. Die kuͤſſe/ ſo du von den lippen ſtiehleſt/ Die ſtehlen dich/ wie wenig du es fuͤhleſt; Ja T

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Zitationshilfe: Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695/333>, abgerufen am 27.08.2024.