Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.Vermischte Gedichte. Die vortrefflichkeit der küsse. 1. NEctar und zucker und safftiger zimmet/ Perlen-thau/ honig und Jupiters-safft/ Balsam/ der über der kohlen-glut glimmet/ Aller gewächse versammlete krafft/ Schmecket/ zu rechnen/ mehr bitter/ als süsse/ Gegen den nectar der zuckernen küsse. 2. Hieble wird gerne der blumichten brüste/ Rosen/ narcissen und liljen verschmähn/ Wird er die freuden-geschwängerte lüste Zweyer sich küssender seelen ansehn. Da sich stets honig-einsammlende bienen Finden um ihre geküßte rubinen. 3. Marmol und kiesel und eiserne wercke/ Diamant/ und unzerbrüchlicher stein/ Stählerne/ nach alabasterne stärcke/ Schliessen so feste/ wie küsse/ nichts ein. Küsse verknüpffen mit nehrenden flammen Zwischen zwey lippen zwey hertzen zusammen. 4. Schätzt ihr nicht küssende küsse für winde/ Welche nicht über den lippen pfad gehn? Meynet ihr/ münde beküssen nur münde? Nimmermehr wirds euch die liebe gestehn. Wisset/ ihr eiß-kaltgesinnete/ wisset! Hier wird die küssende seele geküsset. 5. Küsse bewurtzeln sich schwerlich so seuchte/ Meynen die lippen/ daß küssen nur rauch; Lippen und mund zwar empfinden das feuchte/ Den mit der wärme verschwistertem hauch. Aber die seele bekommet das beste/ Von dem mit liebe beseeleten weste. 6. Küsse S
Vermiſchte Gedichte. Die vortrefflichkeit der kuͤſſe. 1. NEctar und zucker und ſafftiger zimmet/ Perlen-thau/ honig und Jupiters-ſafft/ Balſam/ der uͤber der kohlen-glut glimmet/ Aller gewaͤchſe verſammlete krafft/ Schmecket/ zu rechnen/ mehr bitter/ als ſuͤſſe/ Gegen den nectar der zuckernen kuͤſſe. 2. Hieble wird gerne der blumichten bruͤſte/ Roſen/ narciſſen und liljen verſchmaͤhn/ Wird er die freuden-geſchwaͤngerte luͤſte Zweyer ſich kuͤſſender ſeelen anſehn. Da ſich ſtets honig-einſammlende bienen Finden um ihre gekuͤßte rubinen. 3. Marmol und kieſel und eiſerne wercke/ Diamant/ und unzerbruͤchlicher ſtein/ Staͤhlerne/ nach alabaſterne ſtaͤrcke/ Schlieſſen ſo feſte/ wie kuͤſſe/ nichts ein. Kuͤſſe verknuͤpffen mit nehrenden flammen Zwiſchen zwey lippen zwey hertzen zuſammen. 4. Schaͤtzt ihr nicht kuͤſſende kuͤſſe fuͤr winde/ Welche nicht uͤber den lippen pfad gehn? Meynet ihr/ muͤnde bekuͤſſen nur muͤnde? Nimmermehr wirds euch die liebe geſtehn. Wiſſet/ ihr eiß-kaltgeſinnete/ wiſſet! Hier wird die kuͤſſende ſeele gekuͤſſet. 5. Kuͤſſe bewurtzeln ſich ſchwerlich ſo ſeuchte/ Meynen die lippen/ daß kuͤſſen nur rauch; Lippen und mund zwar empfinden das feuchte/ Den mit der waͤrme verſchwiſtertem hauch. Aber die ſeele bekommet das beſte/ Von dem mit liebe beſeeleten weſte. 6. Kuͤſſe S
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Vermiſchte Gedichte.
Die vortrefflichkeit der kuͤſſe.
1.
NEctar und zucker und ſafftiger zimmet/
Perlen-thau/ honig und Jupiters-ſafft/
Balſam/ der uͤber der kohlen-glut glimmet/
Aller gewaͤchſe verſammlete krafft/
Schmecket/ zu rechnen/ mehr bitter/ als ſuͤſſe/
Gegen den nectar der zuckernen kuͤſſe.
2.
Hieble wird gerne der blumichten bruͤſte/
Roſen/ narciſſen und liljen verſchmaͤhn/
Wird er die freuden-geſchwaͤngerte luͤſte
Zweyer ſich kuͤſſender ſeelen anſehn.
Da ſich ſtets honig-einſammlende bienen
Finden um ihre gekuͤßte rubinen.
3.
Marmol und kieſel und eiſerne wercke/
Diamant/ und unzerbruͤchlicher ſtein/
Staͤhlerne/ nach alabaſterne ſtaͤrcke/
Schlieſſen ſo feſte/ wie kuͤſſe/ nichts ein.
Kuͤſſe verknuͤpffen mit nehrenden flammen
Zwiſchen zwey lippen zwey hertzen zuſammen.
4.
Schaͤtzt ihr nicht kuͤſſende kuͤſſe fuͤr winde/
Welche nicht uͤber den lippen pfad gehn?
Meynet ihr/ muͤnde bekuͤſſen nur muͤnde?
Nimmermehr wirds euch die liebe geſtehn.
Wiſſet/ ihr eiß-kaltgeſinnete/ wiſſet!
Hier wird die kuͤſſende ſeele gekuͤſſet.
5.
Kuͤſſe bewurtzeln ſich ſchwerlich ſo ſeuchte/
Meynen die lippen/ daß kuͤſſen nur rauch;
Lippen und mund zwar empfinden das feuchte/
Den mit der waͤrme verſchwiſtertem hauch.
Aber die ſeele bekommet das beſte/
Von dem mit liebe beſeeleten weſte.
6. Kuͤſſe
S
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