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Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.

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Vermischte Gedichte.
Den kreucht er biß ins reich des reichen Pluto nach.
Und der Pactol vermischt die perlen seiner bach
Mit seines bodens-gold. Ja selbst das marck der erden
Hat seele/ glut und geist zuneigender geberden/
Die steine/ das metall/ regt ein verborgner strahl/
Der ziehende magnet küst den verliebten stahl.
Und daß das minste ja nicht unverliebet bliebe/
So liebt die königin/ die liebe/ selbst die liebe/
Die grosse göttin dient dem selber/ dessen frau
Und mutter sie doch ist. Dann solte wohl ein bau
Noch sonst was/ dessen sich der meister wolte schämen/
Jemanden wolgefall'n? Wer wolte früchte sämen/
Dafär man eckel hat? Zwar als der götter schaar
Einmal in Amathus bey ihr zu gaste war/
Und ihr der nectar-safft stieg etwas in die stirne/
Gab sie sich/ zwar aus schertz (wie offt noch manche dirne)
Für eine jungfrau aus: doch als der vater sie
Darüber schnell sah' an/ sprach Juno/ die doch nie
Viel seide mit ihr span/ sie hätte sich wohl müssen
Mit wasser aus dem qvell des Canathus begiessen/
Durch dessen krafft sie selbst die jungferschafft vielmahl
Schon hätte wiederkriegt: wiewohl der liebe strahl
Nicht diese/ die gleich liebt/ muß bald zur frauen machen/
Man kan diß feuer ja noch wohl so sehr/ bewachen/
Daß es viel weiter nicht/ als biß zur lippe greifft
Wo ein benäßter kuß den gantzen leib ersäufft.
Allein/ sie wird es selbst im ernst nicht widerstreben/
Die sonne würd' uns sonst bald einen zeugen geben/
Die aller welt entdeckt/ wie zwischen ihrer schooß
Der matte krieges-gott/ von helm und harnisch bloß/
Von ihr gefangen lag/ und beyde von den netzen
Des krummen Mulcibers. Ein mensch kan sie verletzen
Durch ihren eignen pfeil. Anchisens lieben muß
Ihr liebes pflaster seyn; der hohe Gargarus
Ihr richt-platz und ihr hauß/ das graß ihr hochzeit-bette;
Die höl' ihr schlaff-gemach. Aus was für saamen hätte
Sie so viel kinder her/ als aus der liebes-pein?
Die aller mutter ist. Ich will hier nur allein
Zwar ihres kinds/ doch auch des peinigers gedencken/
Des kleinen Zipripors/ der sie so bald zu kräncken
Als iemand fremdes pflegt/ auff den schon klage kam/
Als noch die mutter-milch ihm auff der zunge schwam/
Daß er bald Jupitern den donner-keil versteckte/
Bald mit der Juno sich und ihren pfauen nerkte/

Bal[d]

Vermiſchte Gedichte.
Den kreucht er biß ins reich des reichen Pluto nach.
Und der Pactol vermiſcht die perlen ſeiner bach
Mit ſeines bodens-gold. Ja ſelbſt das marck der erden
Hat ſeele/ glut und geiſt zuneigender geberden/
Die ſteine/ das metall/ regt ein verborgner ſtrahl/
Der ziehende magnet kuͤſt den verliebten ſtahl.
Und daß das minſte ja nicht unverliebet bliebe/
So liebt die koͤnigin/ die liebe/ ſelbſt die liebe/
Die groſſe goͤttin dient dem ſelber/ deſſen frau
Und mutter ſie doch iſt. Dann ſolte wohl ein bau
Noch ſonſt was/ deſſen ſich der meiſter wolte ſchaͤmen/
Jemanden wolgefall’n? Wer wolte fruͤchte ſaͤmen/
Dafaͤr man eckel hat? Zwar als der goͤtter ſchaar
Einmal in Amathus bey ihr zu gaſte war/
Und ihr der nectar-ſafft ſtieg etwas in die ſtirne/
Gab ſie ſich/ zwar aus ſchertz (wie offt noch manche dirne)
Fuͤr eine jungfrau aus: doch als der vater ſie
Daruͤber ſchnell ſah’ an/ ſprach Juno/ die doch nie
Viel ſeide mit ihr ſpan/ ſie haͤtte ſich wohl muͤſſen
Mit waſſer aus dem qvell des Canathus begieſſen/
Durch deſſen krafft ſie ſelbſt die jungferſchafft vielmahl
Schon haͤtte wiederkriegt: wiewohl der liebe ſtrahl
Nicht dieſe/ die gleich liebt/ muß bald zur frauen machen/
Man kan diß feuer ja noch wohl ſo ſehr/ bewachen/
Daß es viel weiter nicht/ als biß zur lippe greifft
Wo ein benaͤßter kuß den gantzen leib erſaͤufft.
Allein/ ſie wird es ſelbſt im ernſt nicht widerſtreben/
Die ſonne wuͤrd’ uns ſonſt bald einen zeugen geben/
Die aller welt entdeckt/ wie zwiſchen ihrer ſchooß
Der matte krieges-gott/ von helm und harniſch bloß/
Von ihr gefangen lag/ und beyde von den netzen
Des krummen Mulcibers. Ein menſch kan ſie verletzen
Durch ihren eignen pfeil. Anchiſens lieben muß
Ihr liebes pflaſter ſeyn; der hohe Gargarus
Ihr richt-platz und ihr hauß/ das graß ihr hochzeit-bette;
Die hoͤl’ ihr ſchlaff-gemach. Aus was fuͤr ſaamen haͤtte
Sie ſo viel kinder her/ als aus der liebes-pein?
Die aller mutter iſt. Ich will hier nur allein
Zwar ihres kinds/ doch auch des peinigers gedencken/
Des kleinen Zipripors/ der ſie ſo bald zu kraͤncken
Als iemand fremdes pflegt/ auff den ſchon klage kam/
Als noch die mutter-milch ihm auff der zunge ſchwam/
Daß er bald Jupitern den donner-keil verſteckte/
Bald mit der Juno ſich und ihren pfauen nerkte/

Bal[d]
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[264/0308] Vermiſchte Gedichte. Den kreucht er biß ins reich des reichen Pluto nach. Und der Pactol vermiſcht die perlen ſeiner bach Mit ſeines bodens-gold. Ja ſelbſt das marck der erden Hat ſeele/ glut und geiſt zuneigender geberden/ Die ſteine/ das metall/ regt ein verborgner ſtrahl/ Der ziehende magnet kuͤſt den verliebten ſtahl. Und daß das minſte ja nicht unverliebet bliebe/ So liebt die koͤnigin/ die liebe/ ſelbſt die liebe/ Die groſſe goͤttin dient dem ſelber/ deſſen frau Und mutter ſie doch iſt. Dann ſolte wohl ein bau Noch ſonſt was/ deſſen ſich der meiſter wolte ſchaͤmen/ Jemanden wolgefall’n? Wer wolte fruͤchte ſaͤmen/ Dafaͤr man eckel hat? Zwar als der goͤtter ſchaar Einmal in Amathus bey ihr zu gaſte war/ Und ihr der nectar-ſafft ſtieg etwas in die ſtirne/ Gab ſie ſich/ zwar aus ſchertz (wie offt noch manche dirne) Fuͤr eine jungfrau aus: doch als der vater ſie Daruͤber ſchnell ſah’ an/ ſprach Juno/ die doch nie Viel ſeide mit ihr ſpan/ ſie haͤtte ſich wohl muͤſſen Mit waſſer aus dem qvell des Canathus begieſſen/ Durch deſſen krafft ſie ſelbſt die jungferſchafft vielmahl Schon haͤtte wiederkriegt: wiewohl der liebe ſtrahl Nicht dieſe/ die gleich liebt/ muß bald zur frauen machen/ Man kan diß feuer ja noch wohl ſo ſehr/ bewachen/ Daß es viel weiter nicht/ als biß zur lippe greifft Wo ein benaͤßter kuß den gantzen leib erſaͤufft. Allein/ ſie wird es ſelbſt im ernſt nicht widerſtreben/ Die ſonne wuͤrd’ uns ſonſt bald einen zeugen geben/ Die aller welt entdeckt/ wie zwiſchen ihrer ſchooß Der matte krieges-gott/ von helm und harniſch bloß/ Von ihr gefangen lag/ und beyde von den netzen Des krummen Mulcibers. Ein menſch kan ſie verletzen Durch ihren eignen pfeil. Anchiſens lieben muß Ihr liebes pflaſter ſeyn; der hohe Gargarus Ihr richt-platz und ihr hauß/ das graß ihr hochzeit-bette; Die hoͤl’ ihr ſchlaff-gemach. Aus was fuͤr ſaamen haͤtte Sie ſo viel kinder her/ als aus der liebes-pein? Die aller mutter iſt. Ich will hier nur allein Zwar ihres kinds/ doch auch des peinigers gedencken/ Des kleinen Zipripors/ der ſie ſo bald zu kraͤncken Als iemand fremdes pflegt/ auff den ſchon klage kam/ Als noch die mutter-milch ihm auff der zunge ſchwam/ Daß er bald Jupitern den donner-keil verſteckte/ Bald mit der Juno ſich und ihren pfauen nerkte/ Bald

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Zitationshilfe: Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695/308>, abgerufen am 27.11.2024.