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Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.

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Vermischte Gedichte.
Der menschen ward voll glut/ die seele voller pein/
Die sinnen voller angst. Mensch/ und verliebet seyn/
War eines. Die vernunfft vermöchte nicht zu schliessen/
Aus was vor einem qvell die liebe müsse fliessen.
So hatte sie dazu kein mittel vor der hand/
Damit sie dieser pest die krancke seel' entband.
Die menschen marterten sich mit so bittren wunden/
Viel suchten/ was sie flohn/ und flohen/ was sie funden.
Viel wünschten ihnen selbst die kranckheit auff den halß/
Und liebten dieses gifft auff erden über alls.
Viel waren kranck und frisch/ und träumten/ wenn sie wachten.
Viel waren lebend tod/ und weinten/ wenn sie lachten.
Viel wünschten tag und nacht/ und wusten doch nicht was:
Der schmertz hielt an als stahl/ die hoffnung brach wie glaß.
Hier fiel die scepter-hand in hertz aus nagend schrecken.
Der ließ den purpur fahrn/ und lieff in öde hecken/
Der warff den harnisch weg/ und kroch in weiber-rock/
Es spielte der vor schwerd mit einer schönen tock.
Hier lieff ein fürsten-kind und hütete der schaafe;
Dort ward verstand und witz zu thorheit/ zorn und schlaafe.
Bald ward ein junges blut wie jener alte matt/
Der schon den einen fuß in Charons kahne hatt.
Bald stund ein junger mensch wie bäume sonder säffte;
Bald kriegt ein alter greiß der jugend farb und kräffte/'
Die schönheit selber ward durch dieses ding verstellt/
So kläglich gieng es her auff der bestürtzten welt/
Als sich kein artzt nicht fand. Viel meynten in gepüschen
Und stiller einsamkeit der kranckheit zu entwischen.
Viel schlugen heerd und hoff in wilden klippen auff/
Viel auff der wüsten see. Umsonst! geh/ fleuch und lauff.
Fleuch hin wo Amphitrit in eiß ist angestrenget/
Wo Hyperions rad die reiffe saat absenget.
Fleuch hin/ wo Delius aus Thetis schooß auffsteht/
Und von der sternen burg zu golde wieder geht.
Vergebens! dieser feind folgt mit geschwinden rennen
Dir auff der fersen nach. Du giebst nur zu erkennen
Die faule sucht/ die dich ausädert/ reitzt und neckt/
Weil ihr vergiffter pfeil dir in der seite steckt.
Viel dachten diese pest mit bittern trüben thränen/
Viel mit entäuserung der speisen zu entwehnen;
Und als kein kraut nicht halff/ so suchten sie den tod
Durch messer/ strang und schwerd/ den jammerport der noth/
Den sarg gewünschter pein. Man hieß das übel lieben/
Und ward bey menschen nicht diß wesen nur getrieben/

Es
Q

Vermiſchte Gedichte.
Der menſchen ward voll glut/ die ſeele voller pein/
Die ſinnen voller angſt. Menſch/ und verliebet ſeyn/
War eines. Die vernunfft vermoͤchte nicht zu ſchlieſſen/
Aus was vor einem qvell die liebe muͤſſe flieſſen.
So hatte ſie dazu kein mittel vor der hand/
Damit ſie dieſer peſt die krancke ſeel’ entband.
Die menſchen marterten ſich mit ſo bittren wunden/
Viel ſuchten/ was ſie flohn/ und flohen/ was ſie funden.
Viel wuͤnſchten ihnen ſelbſt die kranckheit auff den halß/
Und liebten dieſes gifft auff erden uͤber alls.
Viel waren kranck und friſch/ und traͤumten/ wenn ſie wachten.
Viel waren lebend tod/ und weinten/ wenn ſie lachten.
Viel wuͤnſchten tag und nacht/ und wuſten doch nicht was:
Der ſchmertz hielt an als ſtahl/ die hoffnung brach wie glaß.
Hier fiel die ſcepter-hand in hertz aus nagend ſchrecken.
Der ließ den purpur fahrn/ und lieff in oͤde hecken/
Der warff den harniſch weg/ und kroch in weiber-rock/
Es ſpielte der vor ſchwerd mit einer ſchoͤnen tock.
Hier lieff ein fuͤrſten-kind und huͤtete der ſchaafe;
Dort ward verſtand und witz zu thorheit/ zorn und ſchlaafe.
Bald ward ein junges blut wie jener alte matt/
Der ſchon den einen fuß in Charons kahne hatt.
Bald ſtund ein junger menſch wie baͤume ſonder ſaͤffte;
Bald kriegt ein alter greiß der jugend farb und kraͤffte/’
Die ſchoͤnheit ſelber ward durch dieſes ding verſtellt/
So klaͤglich gieng es her auff der beſtuͤrtzten welt/
Als ſich kein artzt nicht fand. Viel meynten in gepuͤſchen
Und ſtiller einſamkeit der kranckheit zu entwiſchen.
Viel ſchlugen heerd und hoff in wilden klippen auff/
Viel auff der wuͤſten ſee. Umſonſt! geh/ fleuch und lauff.
Fleuch hin wo Amphitrit in eiß iſt angeſtrenget/
Wo Hyperions rad die reiffe ſaat abſenget.
Fleuch hin/ wo Delius aus Thetis ſchooß auffſteht/
Und von der ſternen burg zu golde wieder geht.
Vergebens! dieſer feind folgt mit geſchwinden rennen
Dir auff der ferſen nach. Du giebſt nur zu erkennen
Die faule ſucht/ die dich ausaͤdert/ reitzt und neckt/
Weil ihr vergiffter pfeil dir in der ſeite ſteckt.
Viel dachten dieſe peſt mit bittern truͤben thraͤnen/
Viel mit entaͤuſerung der ſpeiſen zu entwehnen;
Und als kein kraut nicht halff/ ſo ſuchten ſie den tod
Durch meſſer/ ſtrang und ſchwerd/ den jammerport der noth/
Den ſarg gewuͤnſchter pein. Man hieß das uͤbel lieben/
Und ward bey menſchen nicht diß weſen nur getrieben/

Es
Q
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[241/0285] Vermiſchte Gedichte. Der menſchen ward voll glut/ die ſeele voller pein/ Die ſinnen voller angſt. Menſch/ und verliebet ſeyn/ War eines. Die vernunfft vermoͤchte nicht zu ſchlieſſen/ Aus was vor einem qvell die liebe muͤſſe flieſſen. So hatte ſie dazu kein mittel vor der hand/ Damit ſie dieſer peſt die krancke ſeel’ entband. Die menſchen marterten ſich mit ſo bittren wunden/ Viel ſuchten/ was ſie flohn/ und flohen/ was ſie funden. Viel wuͤnſchten ihnen ſelbſt die kranckheit auff den halß/ Und liebten dieſes gifft auff erden uͤber alls. Viel waren kranck und friſch/ und traͤumten/ wenn ſie wachten. Viel waren lebend tod/ und weinten/ wenn ſie lachten. Viel wuͤnſchten tag und nacht/ und wuſten doch nicht was: Der ſchmertz hielt an als ſtahl/ die hoffnung brach wie glaß. Hier fiel die ſcepter-hand in hertz aus nagend ſchrecken. Der ließ den purpur fahrn/ und lieff in oͤde hecken/ Der warff den harniſch weg/ und kroch in weiber-rock/ Es ſpielte der vor ſchwerd mit einer ſchoͤnen tock. Hier lieff ein fuͤrſten-kind und huͤtete der ſchaafe; Dort ward verſtand und witz zu thorheit/ zorn und ſchlaafe. Bald ward ein junges blut wie jener alte matt/ Der ſchon den einen fuß in Charons kahne hatt. Bald ſtund ein junger menſch wie baͤume ſonder ſaͤffte; Bald kriegt ein alter greiß der jugend farb und kraͤffte/’ Die ſchoͤnheit ſelber ward durch dieſes ding verſtellt/ So klaͤglich gieng es her auff der beſtuͤrtzten welt/ Als ſich kein artzt nicht fand. Viel meynten in gepuͤſchen Und ſtiller einſamkeit der kranckheit zu entwiſchen. Viel ſchlugen heerd und hoff in wilden klippen auff/ Viel auff der wuͤſten ſee. Umſonſt! geh/ fleuch und lauff. Fleuch hin wo Amphitrit in eiß iſt angeſtrenget/ Wo Hyperions rad die reiffe ſaat abſenget. Fleuch hin/ wo Delius aus Thetis ſchooß auffſteht/ Und von der ſternen burg zu golde wieder geht. Vergebens! dieſer feind folgt mit geſchwinden rennen Dir auff der ferſen nach. Du giebſt nur zu erkennen Die faule ſucht/ die dich ausaͤdert/ reitzt und neckt/ Weil ihr vergiffter pfeil dir in der ſeite ſteckt. Viel dachten dieſe peſt mit bittern truͤben thraͤnen/ Viel mit entaͤuſerung der ſpeiſen zu entwehnen; Und als kein kraut nicht halff/ ſo ſuchten ſie den tod Durch meſſer/ ſtrang und ſchwerd/ den jammerport der noth/ Den ſarg gewuͤnſchter pein. Man hieß das uͤbel lieben/ Und ward bey menſchen nicht diß weſen nur getrieben/ Es Q

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Zitationshilfe: Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695/285>, abgerufen am 25.11.2024.