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Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.

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Vermischte Gedichte.
Wer der gelehrten welt in ihren tempel gehn
Und eine gleichung will mit bild und büchern machen/
Wird lernen/ daß wir noch/ nicht anders als Athen/
Durch frühes urthel offt das beste werck verlachen.
Denn wem ist wohl der streit der federn nicht bekandt;
Wer weiß nicht/ wie sich wesp' und honigseim verbinden?
Die meisten fliegen sind bey marcipan zu finden;
Die schönste stirne wird von warmer lufft verbrannt;
So wird der besten schrifft/ nachdem sie nur gebohren/
Auch die verleumdung bald zum schatten auserkohren.
Der weise Plato ward vom schüler schon verlacht;
Der güldne Cicero vom Crispus umgetrieben.
Polybius wird noch in schulen offt veracht;
Da keiner doch so treu von deutschen hat geschrieben.
Scioppius verwirfft den klugen Tacitus;
Weil er der laster brunn im Nero nicht verschwiegen:
Ja Strabo suchet schon im Metrodorus lügen/
Und hat an mängeln doch selbst einen überfluß.
So artig wissen wir durch urthel unsre flecken/
Wie parden ihre haut im laube zu verstecken.
Ein eintzig kopff gebührt offt tausendfachen streit/
Gleichwie ein finsterniß im meere tausend wellen.
Drum schilt Riccobonus der Römer lieblichkeit/
Weil ihre federn nicht nach seiner zunge qvellen;
Und meynt/ daß Plinius viel worte nur geschmiert/
Der Tacitus zu rauch/ und Flor zu kurtz geschrieben;
Sveton und Spartian die sprache schlecht getrieben/
Und endlich Marcellin zu harte reden führt.
Als ob der sonnen-licht die strahlung von den sternen/
Rom aber römisch noch von kinder solte lernen.
Der alten possen-spiel trifft auch die neue welt/
Nur daß person und platz im spiele sich verkehren.
Des Cominäus ruhm/ den Gallien erhält/
Sucht Mejer/ wie der plitz die cedern zu verzehren
Sleidanus arbeit wird von vielen schlecht geschätzt/
Und hat/ wie Strada/ schon ihr urthel-recht erlitten.
Wie hatte den Thuan Baptista nicht verschnitten?
Wie ward dem Lipsius die feder nicht gewetzt?
Und was will Cromer nicht vor fehler andern zeigen/
Die doch bey dutzenden aus seinen schrifften steigen?
Das
Vermiſchte Gedichte.
Wer der gelehrten welt in ihren tempel gehn
Und eine gleichung will mit bild und buͤchern machen/
Wird lernen/ daß wir noch/ nicht anders als Athen/
Durch fruͤhes urthel offt das beſte werck verlachen.
Denn wem iſt wohl der ſtreit der federn nicht bekandt;
Wer weiß nicht/ wie ſich weſp’ und honigſeim verbinden?
Die meiſten fliegen ſind bey marcipan zu finden;
Die ſchoͤnſte ſtirne wird von warmer lufft verbrannt;
So wird der beſten ſchrifft/ nachdem ſie nur gebohren/
Auch die verleumdung bald zum ſchatten auserkohren.
Der weiſe Plato ward vom ſchuͤler ſchon verlacht;
Der guͤldne Cicero vom Criſpus umgetrieben.
Polybius wird noch in ſchulen offt veracht;
Da keiner doch ſo treu von deutſchen hat geſchrieben.
Scioppius verwirfft den klugen Tacitus;
Weil er der laſter brunn im Nero nicht verſchwiegen:
Ja Strabo ſuchet ſchon im Metrodorus luͤgen/
Und hat an maͤngeln doch ſelbſt einen uͤberfluß.
So artig wiſſen wir durch urthel unſre flecken/
Wie parden ihre haut im laube zu verſtecken.
Ein eintzig kopff gebuͤhrt offt tauſendfachen ſtreit/
Gleichwie ein finſterniß im meere tauſend wellen.
Drum ſchilt Riccobonus der Roͤmer lieblichkeit/
Weil ihre federn nicht nach ſeiner zunge qvellen;
Und meynt/ daß Plinius viel worte nur geſchmiert/
Der Tacitus zu rauch/ und Flor zu kurtz geſchrieben;
Sveton und Spartian die ſprache ſchlecht getrieben/
Und endlich Marcellin zu harte reden fuͤhrt.
Als ob der ſonnen-licht die ſtrahlung von den ſternen/
Rom aber roͤmiſch noch von kinder ſolte lernen.
Der alten poſſen-ſpiel trifft auch die neue welt/
Nur daß perſon und platz im ſpiele ſich verkehren.
Des Cominaͤus ruhm/ den Gallien erhaͤlt/
Sucht Mejer/ wie der plitz die cedern zu verzehren
Sleidanus arbeit wird von vielen ſchlecht geſchaͤtzt/
Und hat/ wie Strada/ ſchon ihr urthel-recht erlitten.
Wie hatte den Thuan Baptiſta nicht verſchnitten?
Wie ward dem Lipſius die feder nicht gewetzt?
Und was will Cromer nicht vor fehler andern zeigen/
Die doch bey dutzenden aus ſeinen ſchrifften ſteigen?
Das
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[191/0235] Vermiſchte Gedichte. Wer der gelehrten welt in ihren tempel gehn Und eine gleichung will mit bild und buͤchern machen/ Wird lernen/ daß wir noch/ nicht anders als Athen/ Durch fruͤhes urthel offt das beſte werck verlachen. Denn wem iſt wohl der ſtreit der federn nicht bekandt; Wer weiß nicht/ wie ſich weſp’ und honigſeim verbinden? Die meiſten fliegen ſind bey marcipan zu finden; Die ſchoͤnſte ſtirne wird von warmer lufft verbrannt; So wird der beſten ſchrifft/ nachdem ſie nur gebohren/ Auch die verleumdung bald zum ſchatten auserkohren. Der weiſe Plato ward vom ſchuͤler ſchon verlacht; Der guͤldne Cicero vom Criſpus umgetrieben. Polybius wird noch in ſchulen offt veracht; Da keiner doch ſo treu von deutſchen hat geſchrieben. Scioppius verwirfft den klugen Tacitus; Weil er der laſter brunn im Nero nicht verſchwiegen: Ja Strabo ſuchet ſchon im Metrodorus luͤgen/ Und hat an maͤngeln doch ſelbſt einen uͤberfluß. So artig wiſſen wir durch urthel unſre flecken/ Wie parden ihre haut im laube zu verſtecken. Ein eintzig kopff gebuͤhrt offt tauſendfachen ſtreit/ Gleichwie ein finſterniß im meere tauſend wellen. Drum ſchilt Riccobonus der Roͤmer lieblichkeit/ Weil ihre federn nicht nach ſeiner zunge qvellen; Und meynt/ daß Plinius viel worte nur geſchmiert/ Der Tacitus zu rauch/ und Flor zu kurtz geſchrieben; Sveton und Spartian die ſprache ſchlecht getrieben/ Und endlich Marcellin zu harte reden fuͤhrt. Als ob der ſonnen-licht die ſtrahlung von den ſternen/ Rom aber roͤmiſch noch von kinder ſolte lernen. Der alten poſſen-ſpiel trifft auch die neue welt/ Nur daß perſon und platz im ſpiele ſich verkehren. Des Cominaͤus ruhm/ den Gallien erhaͤlt/ Sucht Mejer/ wie der plitz die cedern zu verzehren Sleidanus arbeit wird von vielen ſchlecht geſchaͤtzt/ Und hat/ wie Strada/ ſchon ihr urthel-recht erlitten. Wie hatte den Thuan Baptiſta nicht verſchnitten? Wie ward dem Lipſius die feder nicht gewetzt? Und was will Cromer nicht vor fehler andern zeigen/ Die doch bey dutzenden aus ſeinen ſchrifften ſteigen? Das

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Zitationshilfe: Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695/235>, abgerufen am 23.11.2024.