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Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.

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Verliebte Gedichte.
Wie/ wenn ein tieger-thier das leben sieht entweichen
nach blut-besprützter haut/ sich doppelt stärcker macht:
So ward mein eyfer auch in volle glut gebracht/
Und dachte mit gewalt den mörder abzureichen.
Ich schwang mit blosser faust mein eisen hin und wieder;
Ach aber nur umsonst! die adern wurden schwach/
Die seele selber floß durch meine purpur-bach;
Ich aber fiel erstarrt auff meinen rücken nieder.
Da sucht ich ärmster nun vergebens zu genesen/
Nachdem die wunde mir das halbe leben nahm.
Doch als ich wieder heim/ und zu mir selber kam/
Ist/ Charatine/ diß mein erstes wort gewesen:
Ach Abimenin! ach! was hast du doch verbrochen?
Wo bleibt die grüne treu/ wo der verliebte schwur/
Der neulich/ falscher/ dir aus deinem munde fuhr/
Als Charatine dir das hertze zugesprochen?
Geh hin/ und rühme dich der süssen liebes-wunden/
Geh/ sage wie ihr thau die lippen dir gekühlt/
Diß hast du nur geschmeckt/ und jenes nur gefühlt;
Denn beydes ist bereits auff einen tag verschwunden.
Verräther/ traust du dich wohl selber anzuschauen?
Muß so dein liebes-glaß in hundert stücken gehn?
Wer wird hinfüro mehr auff deine freundschafft sehn/
Und auff den porcellan der glatten worte bauen?
Doch/ Abimenin halt! halt deinen geist zurücke!
Bezähme qvaal und pein mit zügeln der gedult.
Offt ist ein kleiner fall und hencker-werthe schuld
Zu der erwünschten gunst die beste gnaden-brücke.
Geh/ wirff dein angesicht zu ihren zarten füssen/
Und mache deinen fleck mit tausend thränen rein/
Laß ein beklemtes ach stat hundert worte seyn/
Und nichts als trauer saltz aus beyden augen schiessen.
Das feur wird endlich doch die reine brust bewegen/
Die brust/ in welche sich mein falsches hertze schloß/
Die brust/ aus der die lust der keuschen liebe floß/
Und die mir kett und band hat wissen anzulegen.
Was aber hast du vor? was hoffst du? sprach ich wieder.
Auff zweiffel volle gunst? Nein/ Abimenin/ nein.
Die sonne tilget nicht die flecken deiner pein/
Und stürtzt dich nur in grund des grösten kummers nieder.
Du wirst vergeblich nur die thränen hier vergiessen/
Dein abgeschicktes flehn ist keiner ohren werth.
Wer selbst den himmel ihm in höllen hat verkehrt/
Muß auch mit etwas mehr als schlechtem wasser büssen.

Hier

Verliebte Gedichte.
Wie/ wenn ein tieger-thier das leben ſieht entweichen
nach blut-beſpruͤtzter haut/ ſich doppelt ſtaͤrcker macht:
So ward mein eyfer auch in volle glut gebracht/
Und dachte mit gewalt den moͤrder abzureichen.
Ich ſchwang mit bloſſer fauſt mein eiſen hin und wieder;
Ach aber nur umſonſt! die adern wurden ſchwach/
Die ſeele ſelber floß durch meine purpur-bach;
Ich aber fiel erſtarrt auff meinen ruͤcken nieder.
Da ſucht ich aͤrmſter nun vergebens zu geneſen/
Nachdem die wunde mir das halbe leben nahm.
Doch als ich wieder heim/ und zu mir ſelber kam/
Iſt/ Charatine/ diß mein erſtes wort geweſen:
Ach Abimenin! ach! was haſt du doch verbrochen?
Wo bleibt die gruͤne treu/ wo der verliebte ſchwur/
Der neulich/ falſcher/ dir aus deinem munde fuhr/
Als Charatine dir das hertze zugeſprochen?
Geh hin/ und ruͤhme dich der ſuͤſſen liebes-wunden/
Geh/ ſage wie ihr thau die lippen dir gekuͤhlt/
Diß haſt du nur geſchmeckt/ und jenes nur gefuͤhlt;
Denn beydes iſt bereits auff einen tag verſchwunden.
Verraͤther/ trauſt du dich wohl ſelber anzuſchauen?
Muß ſo dein liebes-glaß in hundert ſtuͤcken gehn?
Wer wird hinfuͤro mehr auff deine freundſchafft ſehn/
Und auff den porcellan der glatten worte bauen?
Doch/ Abimenin halt! halt deinen geiſt zuruͤcke!
Bezaͤhme qvaal und pein mit zuͤgeln der gedult.
Offt iſt ein kleiner fall und hencker-werthe ſchuld
Zu der erwuͤnſchten gunſt die beſte gnaden-bruͤcke.
Geh/ wirff dein angeſicht zu ihren zarten fuͤſſen/
Und mache deinen fleck mit tauſend thraͤnen rein/
Laß ein beklemtes ach ſtat hundert worte ſeyn/
Und nichts als trauer ſaltz aus beyden augen ſchieſſen.
Das feur wird endlich doch die reine bruſt bewegen/
Die bruſt/ in welche ſich mein falſches hertze ſchloß/
Die bruſt/ aus der die luſt der keuſchen liebe floß/
Und die mir kett und band hat wiſſen anzulegen.
Was aber haſt du vor? was hoffſt du? ſprach ich wieder.
Auff zweiffel volle gunſt? Nein/ Abimenin/ nein.
Die ſonne tilget nicht die flecken deiner pein/
Und ſtuͤrtzt dich nur in grund des groͤſten kummers nieder.
Du wirſt vergeblich nur die thraͤnen hier vergieſſen/
Dein abgeſchicktes flehn iſt keiner ohren werth.
Wer ſelbſt den himmel ihm in hoͤllen hat verkehrt/
Muß auch mit etwas mehr als ſchlechtem waſſer buͤſſen.

Hier
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[58/0102] Verliebte Gedichte. Wie/ wenn ein tieger-thier das leben ſieht entweichen nach blut-beſpruͤtzter haut/ ſich doppelt ſtaͤrcker macht: So ward mein eyfer auch in volle glut gebracht/ Und dachte mit gewalt den moͤrder abzureichen. Ich ſchwang mit bloſſer fauſt mein eiſen hin und wieder; Ach aber nur umſonſt! die adern wurden ſchwach/ Die ſeele ſelber floß durch meine purpur-bach; Ich aber fiel erſtarrt auff meinen ruͤcken nieder. Da ſucht ich aͤrmſter nun vergebens zu geneſen/ Nachdem die wunde mir das halbe leben nahm. Doch als ich wieder heim/ und zu mir ſelber kam/ Iſt/ Charatine/ diß mein erſtes wort geweſen: Ach Abimenin! ach! was haſt du doch verbrochen? Wo bleibt die gruͤne treu/ wo der verliebte ſchwur/ Der neulich/ falſcher/ dir aus deinem munde fuhr/ Als Charatine dir das hertze zugeſprochen? Geh hin/ und ruͤhme dich der ſuͤſſen liebes-wunden/ Geh/ ſage wie ihr thau die lippen dir gekuͤhlt/ Diß haſt du nur geſchmeckt/ und jenes nur gefuͤhlt; Denn beydes iſt bereits auff einen tag verſchwunden. Verraͤther/ trauſt du dich wohl ſelber anzuſchauen? Muß ſo dein liebes-glaß in hundert ſtuͤcken gehn? Wer wird hinfuͤro mehr auff deine freundſchafft ſehn/ Und auff den porcellan der glatten worte bauen? Doch/ Abimenin halt! halt deinen geiſt zuruͤcke! Bezaͤhme qvaal und pein mit zuͤgeln der gedult. Offt iſt ein kleiner fall und hencker-werthe ſchuld Zu der erwuͤnſchten gunſt die beſte gnaden-bruͤcke. Geh/ wirff dein angeſicht zu ihren zarten fuͤſſen/ Und mache deinen fleck mit tauſend thraͤnen rein/ Laß ein beklemtes ach ſtat hundert worte ſeyn/ Und nichts als trauer ſaltz aus beyden augen ſchieſſen. Das feur wird endlich doch die reine bruſt bewegen/ Die bruſt/ in welche ſich mein falſches hertze ſchloß/ Die bruſt/ aus der die luſt der keuſchen liebe floß/ Und die mir kett und band hat wiſſen anzulegen. Was aber haſt du vor? was hoffſt du? ſprach ich wieder. Auff zweiffel volle gunſt? Nein/ Abimenin/ nein. Die ſonne tilget nicht die flecken deiner pein/ Und ſtuͤrtzt dich nur in grund des groͤſten kummers nieder. Du wirſt vergeblich nur die thraͤnen hier vergieſſen/ Dein abgeſchicktes flehn iſt keiner ohren werth. Wer ſelbſt den himmel ihm in hoͤllen hat verkehrt/ Muß auch mit etwas mehr als ſchlechtem waſſer buͤſſen. Hier

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Zitationshilfe: Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695/102>, abgerufen am 27.04.2024.