Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

sagte, daß Olivier Brusson ihr auf die glaubwürdigste Weise seine völlige Unschuld an Cardillac's Tode dargethan habe, und daß nur der heldenmüthige Entschluß, ein Geheimniß in das Grab zu nehmen, dessen Enthüllung die Unschuld und Tugend selbst verderben würde, ihn zurückhalte, dem Gericht ein Geständniß abzulegen, das ihn von dem entsetzlichen Verdacht nicht allein, daß er Cardillac ermordet, sondern daß er auch zur Bande verruchter Mörder gehöre, befreien müsse. Alles, was glühender Eifer, was geistvolle Beredsamkeit vermag, hatte die Scudery aufgeboten, la Regnie's hartes Herz zu erweichen. Nach wenigen Stunden antwortete la Regnie, wie es ihn herzlich freue, wenn Olivier Brusson sich bei seiner hohen, würdigen Gönnerin gänzlich gerechtfertigt habe. Was Olivier's heldenmütigen Entschluß betreffe, ein Geheimniß, das sich auf die That beziehe, mit ins Grab nehmen zu wollen, so thue es ihm leid, daß die Chambre ardente dergleichen Heldenmuth nicht ehren könne, denselben vielmehr durch die kräftigsten Mittel zu brechen suchen müsse. Nach drei Tagen hoffe er im Besitz des seltsamen Geheimnisses zu sein, das wahrscheinlich geschehene Wunder an den Tag bringen werde.

Nur zu gut wußte die Scudery, was der fürchterliche la Regnie mit jenen Mitteln, die Brusson's Heldenmuth brechen sollten, meinte. Nun war es gewiß, daß die Tortur über den Unglücklichen verhängt war. In der Todesangst fiel der Scudery endlich ein, daß,

sagte, daß Olivier Brusson ihr auf die glaubwürdigste Weise seine völlige Unschuld an Cardillac's Tode dargethan habe, und daß nur der heldenmüthige Entschluß, ein Geheimniß in das Grab zu nehmen, dessen Enthüllung die Unschuld und Tugend selbst verderben würde, ihn zurückhalte, dem Gericht ein Geständniß abzulegen, das ihn von dem entsetzlichen Verdacht nicht allein, daß er Cardillac ermordet, sondern daß er auch zur Bande verruchter Mörder gehöre, befreien müsse. Alles, was glühender Eifer, was geistvolle Beredsamkeit vermag, hatte die Scudery aufgeboten, la Regnie's hartes Herz zu erweichen. Nach wenigen Stunden antwortete la Regnie, wie es ihn herzlich freue, wenn Olivier Brusson sich bei seiner hohen, würdigen Gönnerin gänzlich gerechtfertigt habe. Was Olivier's heldenmütigen Entschluß betreffe, ein Geheimniß, das sich auf die That beziehe, mit ins Grab nehmen zu wollen, so thue es ihm leid, daß die Chambre ardente dergleichen Heldenmuth nicht ehren könne, denselben vielmehr durch die kräftigsten Mittel zu brechen suchen müsse. Nach drei Tagen hoffe er im Besitz des seltsamen Geheimnisses zu sein, das wahrscheinlich geschehene Wunder an den Tag bringen werde.

Nur zu gut wußte die Scudery, was der fürchterliche la Regnie mit jenen Mitteln, die Brusson's Heldenmuth brechen sollten, meinte. Nun war es gewiß, daß die Tortur über den Unglücklichen verhängt war. In der Todesangst fiel der Scudery endlich ein, daß,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="3">
        <p><pb facs="#f0097"/>
sagte, daß Olivier Brusson ihr auf die glaubwürdigste Weise seine                völlige Unschuld an Cardillac's Tode dargethan habe, und daß nur der heldenmüthige                Entschluß, ein Geheimniß in das Grab zu nehmen, dessen Enthüllung die Unschuld und                Tugend selbst verderben würde, ihn zurückhalte, dem Gericht ein Geständniß abzulegen,                das ihn von dem entsetzlichen Verdacht nicht allein, daß er Cardillac ermordet,                sondern daß er auch zur Bande verruchter Mörder gehöre, befreien müsse. Alles, was                glühender Eifer, was geistvolle Beredsamkeit vermag, hatte die Scudery aufgeboten, la                Regnie's hartes Herz zu erweichen. Nach wenigen Stunden antwortete la Regnie, wie es                ihn herzlich freue, wenn Olivier Brusson sich bei seiner hohen, würdigen Gönnerin                gänzlich gerechtfertigt habe. Was Olivier's heldenmütigen Entschluß betreffe, ein                Geheimniß, das sich auf die That beziehe, mit ins Grab nehmen zu wollen, so thue es                ihm leid, daß die Chambre ardente dergleichen Heldenmuth nicht ehren könne, denselben                vielmehr durch die kräftigsten Mittel zu brechen suchen müsse. Nach drei Tagen hoffe                er im Besitz des seltsamen Geheimnisses zu sein, das wahrscheinlich geschehene Wunder                an den Tag bringen werde.</p><lb/>
        <p>Nur zu gut wußte die Scudery, was der fürchterliche la Regnie mit jenen Mitteln, die                Brusson's Heldenmuth brechen sollten, meinte. Nun war es gewiß, daß die Tortur über                den Unglücklichen verhängt war. In der Todesangst fiel der Scudery endlich ein, daß,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0097] sagte, daß Olivier Brusson ihr auf die glaubwürdigste Weise seine völlige Unschuld an Cardillac's Tode dargethan habe, und daß nur der heldenmüthige Entschluß, ein Geheimniß in das Grab zu nehmen, dessen Enthüllung die Unschuld und Tugend selbst verderben würde, ihn zurückhalte, dem Gericht ein Geständniß abzulegen, das ihn von dem entsetzlichen Verdacht nicht allein, daß er Cardillac ermordet, sondern daß er auch zur Bande verruchter Mörder gehöre, befreien müsse. Alles, was glühender Eifer, was geistvolle Beredsamkeit vermag, hatte die Scudery aufgeboten, la Regnie's hartes Herz zu erweichen. Nach wenigen Stunden antwortete la Regnie, wie es ihn herzlich freue, wenn Olivier Brusson sich bei seiner hohen, würdigen Gönnerin gänzlich gerechtfertigt habe. Was Olivier's heldenmütigen Entschluß betreffe, ein Geheimniß, das sich auf die That beziehe, mit ins Grab nehmen zu wollen, so thue es ihm leid, daß die Chambre ardente dergleichen Heldenmuth nicht ehren könne, denselben vielmehr durch die kräftigsten Mittel zu brechen suchen müsse. Nach drei Tagen hoffe er im Besitz des seltsamen Geheimnisses zu sein, das wahrscheinlich geschehene Wunder an den Tag bringen werde. Nur zu gut wußte die Scudery, was der fürchterliche la Regnie mit jenen Mitteln, die Brusson's Heldenmuth brechen sollten, meinte. Nun war es gewiß, daß die Tortur über den Unglücklichen verhängt war. In der Todesangst fiel der Scudery endlich ein, daß,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:42:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:42:57Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_scuderi_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_scuderi_1910/97
Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_scuderi_1910/97>, abgerufen am 03.05.2024.