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Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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meine Seele, ein Hoffnungsstrahl, vor dem die finstern Geister schwanden. Cardillac mochte den Eindruck, den seine Worte auf mich gemacht, wahrnehmen und nach seiner Art deuten. Dir scheint, sprach er, mein Vorhaben zu behagen. Gestehen kann ich wohl, daß eine tiefinnere Stimme, sehr verschieden von der, welche Blutopfer verlangt wie ein gefräßiges Raubthier, mir befohlen hat, daß ich Solches thue. Manchmal wird mir wunderlich im Gemüthe -- eine innere Angst, die Furcht vor irgend etwas Entsetzlichem, dessen Schauer aus einem fernen Jenseits herüberwehen in die Zeit, ergreift mich gewaltsam. Es ist mir dann sogar, als ob das, was der böse Stern begonnen durch mich, meiner unsterblichen Seele, die daran keinen Theil hat, zugerechnet werden könne. In solcher Stimmung beschloß ich, für die heilige Jungfrau in der Kirche St. Eustache eine schöne Diamanten-Krone zu fertigen. Aber jene unbegreifliche Angst überfiel mich stärker, so oft ich die Arbeit beginnen wollte, da unterließ ich's ganz. Jetzt ist es mir, als wenn ich der Tugend und Frömmigkeit selbst demuthsvoll ein Opfer bringe und wirksame Fürsprache erflehe, indem ich der Scudery den schönsten Schmuck sende, den ich jemals gearbeitet. -- Cardillac, mit Eurer ganzen Lebensweise, mein Fräulein, auf das Genaueste bekannt, gab mir nun Art und Weise so wie die Stunde an, wie und wann ich den Schmuck, den er in ein sauberes Kästchen schloß, abliefern solle. Mein ganzes Wesen war Entzücken, denn der Himmel

meine Seele, ein Hoffnungsstrahl, vor dem die finstern Geister schwanden. Cardillac mochte den Eindruck, den seine Worte auf mich gemacht, wahrnehmen und nach seiner Art deuten. Dir scheint, sprach er, mein Vorhaben zu behagen. Gestehen kann ich wohl, daß eine tiefinnere Stimme, sehr verschieden von der, welche Blutopfer verlangt wie ein gefräßiges Raubthier, mir befohlen hat, daß ich Solches thue. Manchmal wird mir wunderlich im Gemüthe — eine innere Angst, die Furcht vor irgend etwas Entsetzlichem, dessen Schauer aus einem fernen Jenseits herüberwehen in die Zeit, ergreift mich gewaltsam. Es ist mir dann sogar, als ob das, was der böse Stern begonnen durch mich, meiner unsterblichen Seele, die daran keinen Theil hat, zugerechnet werden könne. In solcher Stimmung beschloß ich, für die heilige Jungfrau in der Kirche St. Eustache eine schöne Diamanten-Krone zu fertigen. Aber jene unbegreifliche Angst überfiel mich stärker, so oft ich die Arbeit beginnen wollte, da unterließ ich's ganz. Jetzt ist es mir, als wenn ich der Tugend und Frömmigkeit selbst demuthsvoll ein Opfer bringe und wirksame Fürsprache erflehe, indem ich der Scudery den schönsten Schmuck sende, den ich jemals gearbeitet. — Cardillac, mit Eurer ganzen Lebensweise, mein Fräulein, auf das Genaueste bekannt, gab mir nun Art und Weise so wie die Stunde an, wie und wann ich den Schmuck, den er in ein sauberes Kästchen schloß, abliefern solle. Mein ganzes Wesen war Entzücken, denn der Himmel

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[0091] meine Seele, ein Hoffnungsstrahl, vor dem die finstern Geister schwanden. Cardillac mochte den Eindruck, den seine Worte auf mich gemacht, wahrnehmen und nach seiner Art deuten. Dir scheint, sprach er, mein Vorhaben zu behagen. Gestehen kann ich wohl, daß eine tiefinnere Stimme, sehr verschieden von der, welche Blutopfer verlangt wie ein gefräßiges Raubthier, mir befohlen hat, daß ich Solches thue. Manchmal wird mir wunderlich im Gemüthe — eine innere Angst, die Furcht vor irgend etwas Entsetzlichem, dessen Schauer aus einem fernen Jenseits herüberwehen in die Zeit, ergreift mich gewaltsam. Es ist mir dann sogar, als ob das, was der böse Stern begonnen durch mich, meiner unsterblichen Seele, die daran keinen Theil hat, zugerechnet werden könne. In solcher Stimmung beschloß ich, für die heilige Jungfrau in der Kirche St. Eustache eine schöne Diamanten-Krone zu fertigen. Aber jene unbegreifliche Angst überfiel mich stärker, so oft ich die Arbeit beginnen wollte, da unterließ ich's ganz. Jetzt ist es mir, als wenn ich der Tugend und Frömmigkeit selbst demuthsvoll ein Opfer bringe und wirksame Fürsprache erflehe, indem ich der Scudery den schönsten Schmuck sende, den ich jemals gearbeitet. — Cardillac, mit Eurer ganzen Lebensweise, mein Fräulein, auf das Genaueste bekannt, gab mir nun Art und Weise so wie die Stunde an, wie und wann ich den Schmuck, den er in ein sauberes Kästchen schloß, abliefern solle. Mein ganzes Wesen war Entzücken, denn der Himmel

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Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_scuderi_1910/91>, abgerufen am 22.11.2024.