Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Treppe stiegen wir hinab, kamen an ein schmales Pförtchen, das er aufschloß, traten hinaus in den freien Hof. Nun schritt der alte Herr, mein Verkäufer, hinan an die Mauer, schob an einem nur wenig hervorragenden Eisen, und alsbald drehte sich ein Stück Mauer los, so daß ein Mensch bequem durch die Oeffnung schlüpfen und auf die Straße gelangen konnte. Du magst einmal das Kunststück sehen, Olivier, das wahrscheinlich schlaue Mönche des Klosters, welches ehemals hier lag, fertigen ließen, um heimlich aus- und einschlüpfen zu können. Es ist ein Stück Holz, nur von außen gemörtelt und getüncht, in das von außenher eine Bildsäule, auch nur von Holz, doch ganz wie Stein, eingefügt ist, welches sich mit sammt der Bildsäule auf verborgenen Angeln dreht. Dunkle Gedanken stiegen in mir auf, als ich diese Einrichtung sah, es war mir, als sei vorgearbeitet solchen Thaten, die mir selbst noch Geheimniß blieben. Eben hatt' ich einem Herrn vom Hofe einen reichen Schmuck abgeliefert, der, ich weiß es, einer Operntänzerin bestimmt war. Die Todesfolter blieb nicht aus -- das Gespenst hielt sich an meine Schritte -- der lispelnde Satan an mein Ohr! -- Ich zog ein in das Haus. In blutigem Angstschweiß gebadet, wälzte ich mich schlaflos auf dem Lager. Ich seh' im Geist den Menschen zu der Tänzerin schleichen mit meinem Schmuck. Voller Wuth springe ich auf -- werfe den Mantel um -- steige herab die geheime Treppe -- fort durch die Mauer nach der Straße Nicaise. -- Er kommt,

Treppe stiegen wir hinab, kamen an ein schmales Pförtchen, das er aufschloß, traten hinaus in den freien Hof. Nun schritt der alte Herr, mein Verkäufer, hinan an die Mauer, schob an einem nur wenig hervorragenden Eisen, und alsbald drehte sich ein Stück Mauer los, so daß ein Mensch bequem durch die Oeffnung schlüpfen und auf die Straße gelangen konnte. Du magst einmal das Kunststück sehen, Olivier, das wahrscheinlich schlaue Mönche des Klosters, welches ehemals hier lag, fertigen ließen, um heimlich aus- und einschlüpfen zu können. Es ist ein Stück Holz, nur von außen gemörtelt und getüncht, in das von außenher eine Bildsäule, auch nur von Holz, doch ganz wie Stein, eingefügt ist, welches sich mit sammt der Bildsäule auf verborgenen Angeln dreht. Dunkle Gedanken stiegen in mir auf, als ich diese Einrichtung sah, es war mir, als sei vorgearbeitet solchen Thaten, die mir selbst noch Geheimniß blieben. Eben hatt' ich einem Herrn vom Hofe einen reichen Schmuck abgeliefert, der, ich weiß es, einer Operntänzerin bestimmt war. Die Todesfolter blieb nicht aus — das Gespenst hielt sich an meine Schritte — der lispelnde Satan an mein Ohr! — Ich zog ein in das Haus. In blutigem Angstschweiß gebadet, wälzte ich mich schlaflos auf dem Lager. Ich seh' im Geist den Menschen zu der Tänzerin schleichen mit meinem Schmuck. Voller Wuth springe ich auf — werfe den Mantel um — steige herab die geheime Treppe — fort durch die Mauer nach der Straße Nicaise. — Er kommt,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="3">
        <p><pb facs="#f0087"/>
Treppe stiegen wir hinab, kamen                an ein schmales Pförtchen, das er aufschloß, traten hinaus in den freien Hof. Nun                schritt der alte Herr, mein Verkäufer, hinan an die Mauer, schob an einem nur wenig                hervorragenden Eisen, und alsbald drehte sich ein Stück Mauer los, so daß ein Mensch                bequem durch die Oeffnung schlüpfen und auf die Straße gelangen konnte. Du magst                einmal das Kunststück sehen, Olivier, das wahrscheinlich schlaue Mönche des Klosters,                welches ehemals hier lag, fertigen ließen, um heimlich aus- und einschlüpfen zu                können. Es ist ein Stück Holz, nur von außen gemörtelt und getüncht, in das von                außenher eine Bildsäule, auch nur von Holz, doch ganz wie Stein, eingefügt ist,                welches sich mit sammt der Bildsäule auf verborgenen Angeln dreht. Dunkle Gedanken                stiegen in mir auf, als ich diese Einrichtung sah, es war mir, als sei vorgearbeitet                solchen Thaten, die mir selbst noch Geheimniß blieben. Eben hatt' ich einem Herrn vom                Hofe einen reichen Schmuck abgeliefert, der, ich weiß es, einer Operntänzerin                bestimmt war. Die Todesfolter blieb nicht aus &#x2014; das Gespenst hielt sich an meine                Schritte &#x2014; der lispelnde Satan an mein Ohr! &#x2014; Ich zog ein in das Haus. In blutigem                Angstschweiß gebadet, wälzte ich mich schlaflos auf dem Lager. Ich seh' im Geist den                Menschen zu der Tänzerin schleichen mit meinem Schmuck. Voller Wuth springe ich auf &#x2014;                werfe den Mantel um &#x2014; steige herab die geheime Treppe &#x2014; fort durch die Mauer nach der                Straße Nicaise. &#x2014; Er kommt,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0087] Treppe stiegen wir hinab, kamen an ein schmales Pförtchen, das er aufschloß, traten hinaus in den freien Hof. Nun schritt der alte Herr, mein Verkäufer, hinan an die Mauer, schob an einem nur wenig hervorragenden Eisen, und alsbald drehte sich ein Stück Mauer los, so daß ein Mensch bequem durch die Oeffnung schlüpfen und auf die Straße gelangen konnte. Du magst einmal das Kunststück sehen, Olivier, das wahrscheinlich schlaue Mönche des Klosters, welches ehemals hier lag, fertigen ließen, um heimlich aus- und einschlüpfen zu können. Es ist ein Stück Holz, nur von außen gemörtelt und getüncht, in das von außenher eine Bildsäule, auch nur von Holz, doch ganz wie Stein, eingefügt ist, welches sich mit sammt der Bildsäule auf verborgenen Angeln dreht. Dunkle Gedanken stiegen in mir auf, als ich diese Einrichtung sah, es war mir, als sei vorgearbeitet solchen Thaten, die mir selbst noch Geheimniß blieben. Eben hatt' ich einem Herrn vom Hofe einen reichen Schmuck abgeliefert, der, ich weiß es, einer Operntänzerin bestimmt war. Die Todesfolter blieb nicht aus — das Gespenst hielt sich an meine Schritte — der lispelnde Satan an mein Ohr! — Ich zog ein in das Haus. In blutigem Angstschweiß gebadet, wälzte ich mich schlaflos auf dem Lager. Ich seh' im Geist den Menschen zu der Tänzerin schleichen mit meinem Schmuck. Voller Wuth springe ich auf — werfe den Mantel um — steige herab die geheime Treppe — fort durch die Mauer nach der Straße Nicaise. — Er kommt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:42:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:42:57Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_scuderi_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_scuderi_1910/87
Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_scuderi_1910/87>, abgerufen am 02.05.2024.