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Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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ruhe, in eine Trostlosigkeit, die mir Schlaf, Gesundheit, Lebensmuth raubte. Wie ein Gespenst stand Tag und Nacht die Person, für die ich gearbeitet, mir vor Augen, geschmückt mit meinem Geschmeide, und eine Stimme raunte mir in die Ohren: Es ist ja dein -- es ist ja dein -- nimm es doch -- was sollen die Diamanten dem Todten! -- Da legt' ich mich endlich auf Diebeskünste. Ich hatte Zutritt in den Häusern der Großen, ich nützte schnell jede Gelegenheit, kein Schloß widerstand meinem Geschick, und bald war der Schmuck, den ich gearbeitet, wieder in meinen Händen. -- Aber nun vertrieb selbst das nicht meine Unruhe. Jene unheimliche Stimme ließ sich dennoch vernehmen und höhnte mich und rief: Ho ho, dein Geschmeide trägt ein Todter! -- Selbst wußte ich nicht, wie es kam, daß ich einen unaussprechlichen Haß auf Die warf, denen ich Schmuck gefertigt. Ja, im tiefsten Innern regte sich eine Mordlust gegen sie, vor der ich selbst erbebte. -- In dieser Zeit kaufte ich dieses Haus. Ich war mit dem Besitzer Handels einig geworden, hier in diesem Gemach saßen wir erfreut über das geschlossene Geschäft beisammen und tranken eine Flasche Wein. Es war Nacht worden, ich wollte aufbrechen, da sprach mein Verkäufer: Hört, Meister Rene, ehe Ihr fortgeht, muß ich Euch mit einem Geheimniß dieses Hauses bekannt machen. Darauf schloß er jenen in die Mauer eingeführten Schrank auf, schob die Hinterwand fort, trat in ein kleines Gemach, bückte sich nieder, hob eine Fallthür auf. Eine steile, schmale

ruhe, in eine Trostlosigkeit, die mir Schlaf, Gesundheit, Lebensmuth raubte. Wie ein Gespenst stand Tag und Nacht die Person, für die ich gearbeitet, mir vor Augen, geschmückt mit meinem Geschmeide, und eine Stimme raunte mir in die Ohren: Es ist ja dein — es ist ja dein — nimm es doch — was sollen die Diamanten dem Todten! — Da legt' ich mich endlich auf Diebeskünste. Ich hatte Zutritt in den Häusern der Großen, ich nützte schnell jede Gelegenheit, kein Schloß widerstand meinem Geschick, und bald war der Schmuck, den ich gearbeitet, wieder in meinen Händen. — Aber nun vertrieb selbst das nicht meine Unruhe. Jene unheimliche Stimme ließ sich dennoch vernehmen und höhnte mich und rief: Ho ho, dein Geschmeide trägt ein Todter! — Selbst wußte ich nicht, wie es kam, daß ich einen unaussprechlichen Haß auf Die warf, denen ich Schmuck gefertigt. Ja, im tiefsten Innern regte sich eine Mordlust gegen sie, vor der ich selbst erbebte. — In dieser Zeit kaufte ich dieses Haus. Ich war mit dem Besitzer Handels einig geworden, hier in diesem Gemach saßen wir erfreut über das geschlossene Geschäft beisammen und tranken eine Flasche Wein. Es war Nacht worden, ich wollte aufbrechen, da sprach mein Verkäufer: Hört, Meister René, ehe Ihr fortgeht, muß ich Euch mit einem Geheimniß dieses Hauses bekannt machen. Darauf schloß er jenen in die Mauer eingeführten Schrank auf, schob die Hinterwand fort, trat in ein kleines Gemach, bückte sich nieder, hob eine Fallthür auf. Eine steile, schmale

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[0086] ruhe, in eine Trostlosigkeit, die mir Schlaf, Gesundheit, Lebensmuth raubte. Wie ein Gespenst stand Tag und Nacht die Person, für die ich gearbeitet, mir vor Augen, geschmückt mit meinem Geschmeide, und eine Stimme raunte mir in die Ohren: Es ist ja dein — es ist ja dein — nimm es doch — was sollen die Diamanten dem Todten! — Da legt' ich mich endlich auf Diebeskünste. Ich hatte Zutritt in den Häusern der Großen, ich nützte schnell jede Gelegenheit, kein Schloß widerstand meinem Geschick, und bald war der Schmuck, den ich gearbeitet, wieder in meinen Händen. — Aber nun vertrieb selbst das nicht meine Unruhe. Jene unheimliche Stimme ließ sich dennoch vernehmen und höhnte mich und rief: Ho ho, dein Geschmeide trägt ein Todter! — Selbst wußte ich nicht, wie es kam, daß ich einen unaussprechlichen Haß auf Die warf, denen ich Schmuck gefertigt. Ja, im tiefsten Innern regte sich eine Mordlust gegen sie, vor der ich selbst erbebte. — In dieser Zeit kaufte ich dieses Haus. Ich war mit dem Besitzer Handels einig geworden, hier in diesem Gemach saßen wir erfreut über das geschlossene Geschäft beisammen und tranken eine Flasche Wein. Es war Nacht worden, ich wollte aufbrechen, da sprach mein Verkäufer: Hört, Meister René, ehe Ihr fortgeht, muß ich Euch mit einem Geheimniß dieses Hauses bekannt machen. Darauf schloß er jenen in die Mauer eingeführten Schrank auf, schob die Hinterwand fort, trat in ein kleines Gemach, bückte sich nieder, hob eine Fallthür auf. Eine steile, schmale

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:42:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_scuderi_1910/86>, abgerufen am 02.05.2024.