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Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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velnden Verruchtheit. Ach! -- auf den ersten Blick hatte sie in Olivier Brusson den jungen Menschen erkannt, der auf dem Pontneuf jenes Blatt ihr in den Wagen geworfen, der ihr das Kästchen mit den Juwelen gebracht hatte. -- Nun war ja jeder Zweifel gehoben, ja Regnie's schreckliche Vermuthung ganz bestätigt. Olivier Brusson gehört zu der fürchterlichen Mordbande, gewiß ermordete er auch den Meister! -- Und Madelon? -- So bitter noch nie vom innern Gefühl getäuscht, auf den Tod angepackt von der höllischen Macht auf Erden, an deren Dasein sie nicht geglaubt, verzweifelte die Scudery an aller Wahrheit. Sie gab Raum dem entsetzlichen Verdacht, daß Madelon mit verschworen sein und Theil haben könne an der gräßlichen Blutschuld. Wie es denn geschieht, daß der menschliche Geist, ist ihm ein Bild aufgegangen, emsig Farben sucht und findet, es greller und greller auszumalen, so fand auch die Scudery, jeden Umstand der That, Madelon's Betragen in den kleinsten Zügen erwägend, gar Vieles, jenen Verdacht zu nähren. So wurde Manches, was ihr bisher als Beweis der Unschuld und Reinheit gegolten, sicheres Merkmal frevelicher Bosheit, studirter Heuchelei. Jener herzzerreißende Jammer, die blutigen Thränen konnten wohl erpreßt sein von der Todesangst, nicht den Geliebten bluten zu sehen, nein -- selbst zu fallen unter der Hand des Henkers. Gleich sich die Schlange, die sie im Busen nähre, vom Halse zu schaffen: mit diesem Entschluß stieg die Scudery aus dem Wagen. In ihr Gemach

velnden Verruchtheit. Ach! — auf den ersten Blick hatte sie in Olivier Brusson den jungen Menschen erkannt, der auf dem Pontneuf jenes Blatt ihr in den Wagen geworfen, der ihr das Kästchen mit den Juwelen gebracht hatte. — Nun war ja jeder Zweifel gehoben, ja Regnie's schreckliche Vermuthung ganz bestätigt. Olivier Brusson gehört zu der fürchterlichen Mordbande, gewiß ermordete er auch den Meister! — Und Madelon? — So bitter noch nie vom innern Gefühl getäuscht, auf den Tod angepackt von der höllischen Macht auf Erden, an deren Dasein sie nicht geglaubt, verzweifelte die Scudery an aller Wahrheit. Sie gab Raum dem entsetzlichen Verdacht, daß Madelon mit verschworen sein und Theil haben könne an der gräßlichen Blutschuld. Wie es denn geschieht, daß der menschliche Geist, ist ihm ein Bild aufgegangen, emsig Farben sucht und findet, es greller und greller auszumalen, so fand auch die Scudery, jeden Umstand der That, Madelon's Betragen in den kleinsten Zügen erwägend, gar Vieles, jenen Verdacht zu nähren. So wurde Manches, was ihr bisher als Beweis der Unschuld und Reinheit gegolten, sicheres Merkmal frevelicher Bosheit, studirter Heuchelei. Jener herzzerreißende Jammer, die blutigen Thränen konnten wohl erpreßt sein von der Todesangst, nicht den Geliebten bluten zu sehen, nein — selbst zu fallen unter der Hand des Henkers. Gleich sich die Schlange, die sie im Busen nähre, vom Halse zu schaffen: mit diesem Entschluß stieg die Scudery aus dem Wagen. In ihr Gemach

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[0064] velnden Verruchtheit. Ach! — auf den ersten Blick hatte sie in Olivier Brusson den jungen Menschen erkannt, der auf dem Pontneuf jenes Blatt ihr in den Wagen geworfen, der ihr das Kästchen mit den Juwelen gebracht hatte. — Nun war ja jeder Zweifel gehoben, ja Regnie's schreckliche Vermuthung ganz bestätigt. Olivier Brusson gehört zu der fürchterlichen Mordbande, gewiß ermordete er auch den Meister! — Und Madelon? — So bitter noch nie vom innern Gefühl getäuscht, auf den Tod angepackt von der höllischen Macht auf Erden, an deren Dasein sie nicht geglaubt, verzweifelte die Scudery an aller Wahrheit. Sie gab Raum dem entsetzlichen Verdacht, daß Madelon mit verschworen sein und Theil haben könne an der gräßlichen Blutschuld. Wie es denn geschieht, daß der menschliche Geist, ist ihm ein Bild aufgegangen, emsig Farben sucht und findet, es greller und greller auszumalen, so fand auch die Scudery, jeden Umstand der That, Madelon's Betragen in den kleinsten Zügen erwägend, gar Vieles, jenen Verdacht zu nähren. So wurde Manches, was ihr bisher als Beweis der Unschuld und Reinheit gegolten, sicheres Merkmal frevelicher Bosheit, studirter Heuchelei. Jener herzzerreißende Jammer, die blutigen Thränen konnten wohl erpreßt sein von der Todesangst, nicht den Geliebten bluten zu sehen, nein — selbst zu fallen unter der Hand des Henkers. Gleich sich die Schlange, die sie im Busen nähre, vom Halse zu schaffen: mit diesem Entschluß stieg die Scudery aus dem Wagen. In ihr Gemach

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Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Das Fräulein von Scuderi. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [203]–312. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_scuderi_1910/64>, abgerufen am 22.11.2024.