Stelle findet, wo der angegebene Ton wieder klingt. So macht' ich es und fand bald, daß ich ein zartes, holdes, aber in irgend einem psychischen Ueberreiz verkränkeltes Wesen neben mir hatte. Bey irgend einer heitern Wendung des Gesprächs, vorzüglich wenn ich zur Würze wie scharfen Cayenne Pfeffer irgend ein keckes bizarres Wort hineinstreute, lächelte sie zwar, aber seltsam schmerzlich, wie zu hart berührt. "Sie sind nicht heiter, meine Gnädige, vielleicht der Besuch heute Morgen." -- So redete ein nicht weit entfernt sitzender Officier meine Dame an, aber in dem Augenblick faßte ihn sein Nachbar schnell beim Arm und sagte ihm etwas ins Ohr, während eine Frau an der andern Seite des Tisches Gluth auf den Wangen und im Blick laut der herr¬ lichen Oper erwähnte, deren Darstellung sie in Paris gesehen und mit der heutigen vergleichen werde. -- Meiner Nachbarin stürzten die Thränen aus den Augen: "Bin ich nicht ein albernes Kind," wandte sie sich zu mir. Schon erst hatte sie über Migraine geklagt. "Die gewöhnliche Folge des nervösen
Stelle findet, wo der angegebene Ton wieder klingt. So macht' ich es und fand bald, daß ich ein zartes, holdes, aber in irgend einem pſychiſchen Ueberreiz verkraͤnkeltes Weſen neben mir hatte. Bey irgend einer heitern Wendung des Geſpraͤchs, vorzuͤglich wenn ich zur Wuͤrze wie ſcharfen Cayenne Pfeffer irgend ein keckes bizarres Wort hineinſtreute, laͤchelte ſie zwar, aber ſeltſam ſchmerzlich, wie zu hart beruͤhrt. „Sie ſind nicht heiter, meine Gnaͤdige, vielleicht der Beſuch heute Morgen.“ — So redete ein nicht weit entfernt ſitzender Officier meine Dame an, aber in dem Augenblick faßte ihn ſein Nachbar ſchnell beim Arm und ſagte ihm etwas ins Ohr, waͤhrend eine Frau an der andern Seite des Tiſches Gluth auf den Wangen und im Blick laut der herr¬ lichen Oper erwaͤhnte, deren Darſtellung ſie in Paris geſehen und mit der heutigen vergleichen werde. — Meiner Nachbarin ſtuͤrzten die Thraͤnen aus den Augen: „Bin ich nicht ein albernes Kind,“ wandte ſie ſich zu mir. Schon erſt hatte ſie uͤber Migraine geklagt. „Die gewoͤhnliche Folge des nervoͤſen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0068"n="60"/>
Stelle findet, wo der angegebene Ton wieder klingt.<lb/>
So macht' ich es und fand bald, daß ich ein zartes,<lb/>
holdes, aber in irgend einem pſychiſchen Ueberreiz<lb/>
verkraͤnkeltes Weſen neben mir hatte. Bey irgend<lb/>
einer heitern Wendung des Geſpraͤchs, vorzuͤglich<lb/>
wenn ich zur Wuͤrze wie ſcharfen Cayenne Pfeffer<lb/>
irgend ein keckes bizarres Wort hineinſtreute,<lb/>
laͤchelte ſie zwar, aber ſeltſam ſchmerzlich, wie zu hart<lb/>
beruͤhrt. „Sie ſind nicht heiter, meine Gnaͤdige,<lb/>
vielleicht der Beſuch heute Morgen.“— So redete<lb/>
ein nicht weit entfernt ſitzender Officier meine Dame<lb/>
an, aber in dem Augenblick faßte ihn ſein Nachbar<lb/>ſchnell beim Arm und ſagte ihm etwas ins Ohr,<lb/>
waͤhrend eine Frau an der andern Seite des Tiſches<lb/>
Gluth auf den Wangen und im Blick laut der herr¬<lb/>
lichen Oper erwaͤhnte, deren Darſtellung ſie in Paris<lb/>
geſehen und mit der heutigen vergleichen werde. —<lb/>
Meiner Nachbarin ſtuͤrzten die Thraͤnen aus den<lb/>
Augen: „Bin ich nicht ein albernes Kind,“ wandte<lb/>ſie ſich zu mir. Schon erſt hatte ſie uͤber Migraine<lb/>
geklagt. „Die gewoͤhnliche Folge des nervoͤſen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[60/0068]
Stelle findet, wo der angegebene Ton wieder klingt.
So macht' ich es und fand bald, daß ich ein zartes,
holdes, aber in irgend einem pſychiſchen Ueberreiz
verkraͤnkeltes Weſen neben mir hatte. Bey irgend
einer heitern Wendung des Geſpraͤchs, vorzuͤglich
wenn ich zur Wuͤrze wie ſcharfen Cayenne Pfeffer
irgend ein keckes bizarres Wort hineinſtreute,
laͤchelte ſie zwar, aber ſeltſam ſchmerzlich, wie zu hart
beruͤhrt. „Sie ſind nicht heiter, meine Gnaͤdige,
vielleicht der Beſuch heute Morgen.“ — So redete
ein nicht weit entfernt ſitzender Officier meine Dame
an, aber in dem Augenblick faßte ihn ſein Nachbar
ſchnell beim Arm und ſagte ihm etwas ins Ohr,
waͤhrend eine Frau an der andern Seite des Tiſches
Gluth auf den Wangen und im Blick laut der herr¬
lichen Oper erwaͤhnte, deren Darſtellung ſie in Paris
geſehen und mit der heutigen vergleichen werde. —
Meiner Nachbarin ſtuͤrzten die Thraͤnen aus den
Augen: „Bin ich nicht ein albernes Kind,“ wandte
ſie ſich zu mir. Schon erſt hatte ſie uͤber Migraine
geklagt. „Die gewoͤhnliche Folge des nervoͤſen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/68>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.