Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

sen! -- Mögen habsüchtige Diener auf deinen
Tod lauern und sich in die Beute theilen, wenn
du kaum die lebensmüden Augen geschlossen -- statt
der Seufzer, statt der trostlosen Klagen derer, die
dir mit treuer Liebe bis in den Tod anhängen woll¬
ten, magst du sterbend das Hohngelächter, die
frechen Scherze der Unwürdigen hören, die dich
pflegten, weil du sie bezahltest mit schnödem Gol¬
de! -- Niemals, niemals siehst du mich wieder!" --
Der Jüngling wollte zur Thüre hinausstürzen, da
sank Julie laut schluchzend nieder, schnell sprang
Max zurück, fing sie in seinen Armen auf, und hef¬
tig sie an seine Brust drückend, rief er mit dem herz¬
zerreißenden Ton des trostlosesten Jammers: "O Ju¬
lie, Julie, alle Hoffnung ist verloren!" -- Der Hof¬
rath hatte da gestanden, zitternd an allen Gliedern,
sprachlos -- kein Wort konnte sich entwinden den
bebenden Lippen, doch als er Julien in Maxens Ar¬
men sah, schrie er laut auf, wie ein Wahnsinniger.
Er ging mit starkem kräftigen Schritt auf sie los,
er riß sie von Maxens Brust hinweg, hob sie hoch
in die Höhe und frug kaum vernehmbar: "Liebst du
diesen Max, Julie?" -- "Wie mein Leben" erwie¬
derte Julie voll tiefen Schmerzes, "wie mein Leben.
Der Dolch, den sie in sein Herz stoßen, trift auch

ſen! — Moͤgen habſuͤchtige Diener auf deinen
Tod lauern und ſich in die Beute theilen, wenn
du kaum die lebensmuͤden Augen geſchloſſen — ſtatt
der Seufzer, ſtatt der troſtloſen Klagen derer, die
dir mit treuer Liebe bis in den Tod anhaͤngen woll¬
ten, magſt du ſterbend das Hohngelaͤchter, die
frechen Scherze der Unwuͤrdigen hoͤren, die dich
pflegten, weil du ſie bezahlteſt mit ſchnoͤdem Gol¬
de! — Niemals, niemals ſiehſt du mich wieder!“ —
Der Juͤngling wollte zur Thuͤre hinausſtuͤrzen, da
ſank Julie laut ſchluchzend nieder, ſchnell ſprang
Max zuruͤck, fing ſie in ſeinen Armen auf, und hef¬
tig ſie an ſeine Bruſt druͤckend, rief er mit dem herz¬
zerreißenden Ton des troſtloſeſten Jammers: „O Ju¬
lie, Julie, alle Hoffnung iſt verloren!“ — Der Hof¬
rath hatte da geſtanden, zitternd an allen Gliedern,
ſprachlos — kein Wort konnte ſich entwinden den
bebenden Lippen, doch als er Julien in Maxens Ar¬
men ſah, ſchrie er laut auf, wie ein Wahnſinniger.
Er ging mit ſtarkem kraͤftigen Schritt auf ſie los,
er riß ſie von Maxens Bruſt hinweg, hob ſie hoch
in die Hoͤhe und frug kaum vernehmbar: „Liebſt du
dieſen Max, Julie?“ — „Wie mein Leben“ erwie¬
derte Julie voll tiefen Schmerzes, „wie mein Leben.
Der Dolch, den ſie in ſein Herz ſtoßen, trift auch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0376" n="368"/>
&#x017F;en! &#x2014; Mo&#x0364;gen hab&#x017F;u&#x0364;chtige Diener auf deinen<lb/>
Tod lauern und &#x017F;ich in die Beute theilen, wenn<lb/>
du kaum die lebensmu&#x0364;den Augen ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x2014; &#x017F;tatt<lb/>
der Seufzer, &#x017F;tatt der tro&#x017F;tlo&#x017F;en Klagen derer, die<lb/>
dir mit treuer Liebe bis in den Tod anha&#x0364;ngen woll¬<lb/>
ten, mag&#x017F;t du &#x017F;terbend das Hohngela&#x0364;chter, die<lb/>
frechen Scherze der Unwu&#x0364;rdigen ho&#x0364;ren, die dich<lb/>
pflegten, weil du &#x017F;ie bezahlte&#x017F;t mit &#x017F;chno&#x0364;dem Gol¬<lb/>
de! &#x2014; Niemals, niemals &#x017F;ieh&#x017F;t du mich wieder!&#x201C; &#x2014;<lb/>
Der Ju&#x0364;ngling wollte zur Thu&#x0364;re hinaus&#x017F;tu&#x0364;rzen, da<lb/>
&#x017F;ank Julie laut &#x017F;chluchzend nieder, &#x017F;chnell &#x017F;prang<lb/>
Max zuru&#x0364;ck, fing &#x017F;ie in &#x017F;einen Armen auf, und hef¬<lb/>
tig &#x017F;ie an &#x017F;eine Bru&#x017F;t dru&#x0364;ckend, rief er mit dem herz¬<lb/>
zerreißenden Ton des tro&#x017F;tlo&#x017F;e&#x017F;ten Jammers: &#x201E;O Ju¬<lb/>
lie, Julie, alle Hoffnung i&#x017F;t verloren!&#x201C; &#x2014; Der Hof¬<lb/>
rath hatte da ge&#x017F;tanden, zitternd an allen Gliedern,<lb/>
&#x017F;prachlos &#x2014; kein Wort konnte &#x017F;ich entwinden den<lb/>
bebenden Lippen, doch als er Julien in Maxens Ar¬<lb/>
men &#x017F;ah, &#x017F;chrie er laut auf, wie ein Wahn&#x017F;inniger.<lb/>
Er ging mit &#x017F;tarkem kra&#x0364;ftigen Schritt auf &#x017F;ie los,<lb/>
er riß &#x017F;ie von Maxens Bru&#x017F;t hinweg, hob &#x017F;ie hoch<lb/>
in die Ho&#x0364;he und frug kaum vernehmbar: &#x201E;Lieb&#x017F;t du<lb/>
die&#x017F;en Max, Julie?&#x201C; &#x2014; &#x201E;Wie mein Leben&#x201C; erwie¬<lb/>
derte Julie voll tiefen Schmerzes, &#x201E;wie mein Leben.<lb/>
Der Dolch, den &#x017F;ie in &#x017F;ein Herz &#x017F;toßen, trift auch<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[368/0376] ſen! — Moͤgen habſuͤchtige Diener auf deinen Tod lauern und ſich in die Beute theilen, wenn du kaum die lebensmuͤden Augen geſchloſſen — ſtatt der Seufzer, ſtatt der troſtloſen Klagen derer, die dir mit treuer Liebe bis in den Tod anhaͤngen woll¬ ten, magſt du ſterbend das Hohngelaͤchter, die frechen Scherze der Unwuͤrdigen hoͤren, die dich pflegten, weil du ſie bezahlteſt mit ſchnoͤdem Gol¬ de! — Niemals, niemals ſiehſt du mich wieder!“ — Der Juͤngling wollte zur Thuͤre hinausſtuͤrzen, da ſank Julie laut ſchluchzend nieder, ſchnell ſprang Max zuruͤck, fing ſie in ſeinen Armen auf, und hef¬ tig ſie an ſeine Bruſt druͤckend, rief er mit dem herz¬ zerreißenden Ton des troſtloſeſten Jammers: „O Ju¬ lie, Julie, alle Hoffnung iſt verloren!“ — Der Hof¬ rath hatte da geſtanden, zitternd an allen Gliedern, ſprachlos — kein Wort konnte ſich entwinden den bebenden Lippen, doch als er Julien in Maxens Ar¬ men ſah, ſchrie er laut auf, wie ein Wahnſinniger. Er ging mit ſtarkem kraͤftigen Schritt auf ſie los, er riß ſie von Maxens Bruſt hinweg, hob ſie hoch in die Hoͤhe und frug kaum vernehmbar: „Liebſt du dieſen Max, Julie?“ — „Wie mein Leben“ erwie¬ derte Julie voll tiefen Schmerzes, „wie mein Leben. Der Dolch, den ſie in ſein Herz ſtoßen, trift auch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/376
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/376>, abgerufen am 25.11.2024.