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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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ihm: "Ein böses Geschick habe ihn hergeführt, ihre
Ruhe zu stören -- niemals, niemals würde sie,
dem geliebten Stanislaus zur Treue bis in den
Tod verbunden, die Gattin eines andern werden."
Als nun aber Xaver nicht aufhörte mit Bitten und
Betheurungen, als er endlich in toller Leidenschaft
ihr vorhielt, daß sie sich selbst täusche, daß sie ihm
ja schon die süßesten Liebesaugenblicke geschenkt,
als er, aufgesprungen vom Boden, sie in seine Arme
schließen wollte, da stieß sie ihn, den Tod im
Antlitz, mit Abscheu und Verachtung zurück, in¬
dem sie rief: "Elender, selbstsüchtiger Thor, eben
so wenig, wie du das süße Pfand meines Bundes
mit Stanislaus vernichten kannst, eben so wenig
vermagst du mich zum verbrecherischen Bruch der
Treue zu verführen -- Fort aus meinen Augen!"
Da streckte Xaver die geballte Faust ihr entgegen,
lachte laut auf in wildem Hohn und schrie: "Wahn¬
sinnige, brachst du denn nicht selbst jenen albernen
Schwur? -- Das Kind, das du unter dem Her¬
zen trägst, mein Kind ist es, mich umarmtest du

ihm: „Ein boͤſes Geſchick habe ihn hergefuͤhrt, ihre
Ruhe zu ſtoͤren — niemals, niemals wuͤrde ſie,
dem geliebten Stanislaus zur Treue bis in den
Tod verbunden, die Gattin eines andern werden.“
Als nun aber Xaver nicht aufhoͤrte mit Bitten und
Betheurungen, als er endlich in toller Leidenſchaft
ihr vorhielt, daß ſie ſich ſelbſt taͤuſche, daß ſie ihm
ja ſchon die ſuͤßeſten Liebesaugenblicke geſchenkt,
als er, aufgeſprungen vom Boden, ſie in ſeine Arme
ſchließen wollte, da ſtieß ſie ihn, den Tod im
Antlitz, mit Abſcheu und Verachtung zuruͤck, in¬
dem ſie rief: „Elender, ſelbſtſuͤchtiger Thor, eben
ſo wenig, wie du das ſuͤße Pfand meines Bundes
mit Stanislaus vernichten kannſt, eben ſo wenig
vermagſt du mich zum verbrecheriſchen Bruch der
Treue zu verfuͤhren — Fort aus meinen Augen!“
Da ſtreckte Xaver die geballte Fauſt ihr entgegen,
lachte laut auf in wildem Hohn und ſchrie: „Wahn¬
ſinnige, brachſt du denn nicht ſelbſt jenen albernen
Schwur? — Das Kind, das du unter dem Her¬
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[314/0322] ihm: „Ein boͤſes Geſchick habe ihn hergefuͤhrt, ihre Ruhe zu ſtoͤren — niemals, niemals wuͤrde ſie, dem geliebten Stanislaus zur Treue bis in den Tod verbunden, die Gattin eines andern werden.“ Als nun aber Xaver nicht aufhoͤrte mit Bitten und Betheurungen, als er endlich in toller Leidenſchaft ihr vorhielt, daß ſie ſich ſelbſt taͤuſche, daß ſie ihm ja ſchon die ſuͤßeſten Liebesaugenblicke geſchenkt, als er, aufgeſprungen vom Boden, ſie in ſeine Arme ſchließen wollte, da ſtieß ſie ihn, den Tod im Antlitz, mit Abſcheu und Verachtung zuruͤck, in¬ dem ſie rief: „Elender, ſelbſtſuͤchtiger Thor, eben ſo wenig, wie du das ſuͤße Pfand meines Bundes mit Stanislaus vernichten kannſt, eben ſo wenig vermagſt du mich zum verbrecheriſchen Bruch der Treue zu verfuͤhren — Fort aus meinen Augen!“ Da ſtreckte Xaver die geballte Fauſt ihr entgegen, lachte laut auf in wildem Hohn und ſchrie: „Wahn¬ ſinnige, brachſt du denn nicht ſelbſt jenen albernen Schwur? — Das Kind, das du unter dem Her¬ zen traͤgſt, mein Kind iſt es, mich umarmteſt du

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/322>, abgerufen am 25.11.2024.