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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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Hermenegilda, die sich von dem Gatten schwan¬
ger glaube, mehr heraus zu bringen, als wovon sie
selbst im Innersten der Seele überzeugt sey. Die
Männer voller Zorn schalten Hermenegilda eine
Heuchlerin und insonderheit schwur Graf Nepomuk,
daß, wenn gelinde Mittel sie nicht von dem wahn¬
sinnigen Gedanken, ihm ein abgeschmacktes Mährchen
aufzuheften, zurückbringen würden, er es mit stren¬
gen Maßregeln versuchen werde. Die Fürstin
meinte dagegen, daß jede Strenge eine zwecklose
Grausamkeit seyn würde. Ueberzeugt sey sie nehm¬
lich, wie gesagt, daß Hermenegilda keinesweges
heuchle, sondern daran, was sie sage, mit voller See¬
le glaube. "Es giebt," fuhr sie fort, "noch man¬
ches Geheimniß in der Welt, das zu begreifen wir
gänzlich außer Stande sind. Wie, wenn das leb¬
hafte Zusammenwirken des Gedankens auch eine
physische Wirkung haben könnte, wie wenn eine gei¬
stige! Zusammenkunft zwischen Stanislaus und Her¬
menegilda sie in den uns unerklärlichen Zustand ver¬
setzte?" Unerachtet alles Zorns, aller Bedrängniß

Hermenegilda, die ſich von dem Gatten ſchwan¬
ger glaube, mehr heraus zu bringen, als wovon ſie
ſelbſt im Innerſten der Seele uͤberzeugt ſey. Die
Maͤnner voller Zorn ſchalten Hermenegilda eine
Heuchlerin und inſonderheit ſchwur Graf Nepomuk,
daß, wenn gelinde Mittel ſie nicht von dem wahn¬
ſinnigen Gedanken, ihm ein abgeſchmacktes Maͤhrchen
aufzuheften, zuruͤckbringen wuͤrden, er es mit ſtren¬
gen Maßregeln verſuchen werde. Die Fuͤrſtin
meinte dagegen, daß jede Strenge eine zweckloſe
Grauſamkeit ſeyn wuͤrde. Ueberzeugt ſey ſie nehm¬
lich, wie geſagt, daß Hermenegilda keinesweges
heuchle, ſondern daran, was ſie ſage, mit voller See¬
le glaube. „Es giebt,“ fuhr ſie fort, „noch man¬
ches Geheimniß in der Welt, das zu begreifen wir
gaͤnzlich außer Stande ſind. Wie, wenn das leb¬
hafte Zuſammenwirken des Gedankens auch eine
phyſiſche Wirkung haben koͤnnte, wie wenn eine gei¬
ſtige! Zuſammenkunft zwiſchen Stanislaus und Her¬
menegilda ſie in den uns unerklaͤrlichen Zuſtand ver¬
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[308/0316] Hermenegilda, die ſich von dem Gatten ſchwan¬ ger glaube, mehr heraus zu bringen, als wovon ſie ſelbſt im Innerſten der Seele uͤberzeugt ſey. Die Maͤnner voller Zorn ſchalten Hermenegilda eine Heuchlerin und inſonderheit ſchwur Graf Nepomuk, daß, wenn gelinde Mittel ſie nicht von dem wahn¬ ſinnigen Gedanken, ihm ein abgeſchmacktes Maͤhrchen aufzuheften, zuruͤckbringen wuͤrden, er es mit ſtren¬ gen Maßregeln verſuchen werde. Die Fuͤrſtin meinte dagegen, daß jede Strenge eine zweckloſe Grauſamkeit ſeyn wuͤrde. Ueberzeugt ſey ſie nehm¬ lich, wie geſagt, daß Hermenegilda keinesweges heuchle, ſondern daran, was ſie ſage, mit voller See¬ le glaube. „Es giebt,“ fuhr ſie fort, „noch man¬ ches Geheimniß in der Welt, das zu begreifen wir gaͤnzlich außer Stande ſind. Wie, wenn das leb¬ hafte Zuſammenwirken des Gedankens auch eine phyſiſche Wirkung haben koͤnnte, wie wenn eine gei¬ ſtige! Zuſammenkunft zwiſchen Stanislaus und Her¬ menegilda ſie in den uns unerklaͤrlichen Zuſtand ver¬ ſetzte?“ Unerachtet alles Zorns, aller Bedraͤngniß

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/316>, abgerufen am 22.11.2024.