ihrer feierlichen Verlobung die patriotischen Zusam¬ menkünfte auf dem Gute des Vaters beschlossen. Es ist bekannt, daß die Polen unterlagen, daß mit Kosziusko's Fall eine zu sehr auf Selbstvertrauen und falsch vorausgesetzte Rittertreue basirte Unter¬ nehmung scheiterte. Graf Stanislaus, dem seine frühere militärische Laufbahn, seine Jugend und Kraft eine Stelle im Heer anwies, hatte mit Lö¬ wenmuth gefochten. Mit Noth schmählicher Ge¬ fangenschaft entgangen, auf den Tod verwundet, kam er zurück. Nur Hermenegilda fesselte ihn noch ans Leben, in ihren Armen glaubte er Trost, verlorne Hoffnung wiederzufinden. So wie er nur leidlich von seinen Wunden genesen, eilte er auf die Güter des Grafen Nepomuk, um dort aufs neue, aufs schmerzlichste verwundet zu werden. Herme¬ negilda empfing ihn mit beinahe höhnender Verach¬ tung. "Seh' ich den Helden, der in den Tod ge¬ hen wollte für das Vaterland?" -- So rief sie ihm entgegen; es war, als wenn sie in thörichtem Wahnsinn den Bräutigam für einen jener Paladine
ihrer feierlichen Verlobung die patriotiſchen Zuſam¬ menkuͤnfte auf dem Gute des Vaters beſchloſſen. Es iſt bekannt, daß die Polen unterlagen, daß mit Kosziusko's Fall eine zu ſehr auf Selbſtvertrauen und falſch vorausgeſetzte Rittertreue baſirte Unter¬ nehmung ſcheiterte. Graf Stanislaus, dem ſeine fruͤhere militaͤriſche Laufbahn, ſeine Jugend und Kraft eine Stelle im Heer anwies, hatte mit Loͤ¬ wenmuth gefochten. Mit Noth ſchmaͤhlicher Ge¬ fangenſchaft entgangen, auf den Tod verwundet, kam er zuruͤck. Nur Hermenegilda feſſelte ihn noch ans Leben, in ihren Armen glaubte er Troſt, verlorne Hoffnung wiederzufinden. So wie er nur leidlich von ſeinen Wunden geneſen, eilte er auf die Guͤter des Grafen Nepomuk, um dort aufs neue, aufs ſchmerzlichſte verwundet zu werden. Herme¬ negilda empfing ihn mit beinahe hoͤhnender Verach¬ tung. „Seh' ich den Helden, der in den Tod ge¬ hen wollte fuͤr das Vaterland?“ — So rief ſie ihm entgegen; es war, als wenn ſie in thoͤrichtem Wahnſinn den Braͤutigam fuͤr einen jener Paladine
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ihrer feierlichen Verlobung die patriotiſchen Zuſam¬
menkuͤnfte auf dem Gute des Vaters beſchloſſen.
Es iſt bekannt, daß die Polen unterlagen, daß mit
Kosziusko's Fall eine zu ſehr auf Selbſtvertrauen
und falſch vorausgeſetzte Rittertreue baſirte Unter¬
nehmung ſcheiterte. Graf Stanislaus, dem ſeine
fruͤhere militaͤriſche Laufbahn, ſeine Jugend und
Kraft eine Stelle im Heer anwies, hatte mit Loͤ¬
wenmuth gefochten. Mit Noth ſchmaͤhlicher Ge¬
fangenſchaft entgangen, auf den Tod verwundet,
kam er zuruͤck. Nur Hermenegilda feſſelte ihn
noch ans Leben, in ihren Armen glaubte er Troſt,
verlorne Hoffnung wiederzufinden. So wie er nur
leidlich von ſeinen Wunden geneſen, eilte er auf die
Guͤter des Grafen Nepomuk, um dort aufs neue,
aufs ſchmerzlichſte verwundet zu werden. Herme¬
negilda empfing ihn mit beinahe hoͤhnender Verach¬
tung. „Seh' ich den Helden, der in den Tod ge¬
hen wollte fuͤr das Vaterland?“ — So rief ſie
ihm entgegen; es war, als wenn ſie in thoͤrichtem
Wahnſinn den Braͤutigam fuͤr einen jener Paladine
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/285>, abgerufen am 24.11.2024.
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