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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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lichen übrigen beträchtlichen Besitzungen den beiden
Söhnen des Fürsten Z., seinen Neffen, vermöge
eines gerichtlichen Akts ohne Einschränkung ab.
Man fragte nach der Ausstattung seiner Tochter,
da hob er den düstern thränenschweren Blick gen
Himmel und sagte mit dumpfer Stimme: "Sie
ist ausgestattet!" -- Er nahm gar keinen Anstand,
nicht allein jenes Gerücht von Hermenegilda's Tode
im Kloster zu O. zu bestätigen, sondern auch das
besondere Verhängniß zu offenbaren, das über Her¬
menegilda gewaltet und sie einer duldenden Märty¬
rin gleich frühzeitig in das Grab gezogen. Man¬
che Patrioten, gebeugt, aber nicht zerknickt durch
den Fall des Vaterlandes, gedachten den Grafen
aufs neue in geheime Verbindungen zu ziehen, die
die Herstellung des polnischen Staats bezweckten,
aber nicht mehr den feurigen, für Freiheit und Va¬
terland beseelten Mann, der sonst zu jeder gewag¬
ten Unternehmung mit unerschütterlichem Muthe die
Hand bot, fanden sie, sondern einen ohnmächtigen,
von wildem Schmerz zerrissenen Greis, der allen

lichen uͤbrigen betraͤchtlichen Beſitzungen den beiden
Soͤhnen des Fuͤrſten Z., ſeinen Neffen, vermoͤge
eines gerichtlichen Akts ohne Einſchraͤnkung ab.
Man fragte nach der Ausſtattung ſeiner Tochter,
da hob er den duͤſtern thraͤnenſchweren Blick gen
Himmel und ſagte mit dumpfer Stimme: „Sie
iſt ausgeſtattet!“ — Er nahm gar keinen Anſtand,
nicht allein jenes Geruͤcht von Hermenegilda's Tode
im Kloſter zu O. zu beſtaͤtigen, ſondern auch das
beſondere Verhaͤngniß zu offenbaren, das uͤber Her¬
menegilda gewaltet und ſie einer duldenden Maͤrty¬
rin gleich fruͤhzeitig in das Grab gezogen. Man¬
che Patrioten, gebeugt, aber nicht zerknickt durch
den Fall des Vaterlandes, gedachten den Grafen
aufs neue in geheime Verbindungen zu ziehen, die
die Herſtellung des polniſchen Staats bezweckten,
aber nicht mehr den feurigen, fuͤr Freiheit und Va¬
terland beſeelten Mann, der ſonſt zu jeder gewag¬
ten Unternehmung mit unerſchuͤtterlichem Muthe die
Hand bot, fanden ſie, ſondern einen ohnmaͤchtigen,
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[274/0282] lichen uͤbrigen betraͤchtlichen Beſitzungen den beiden Soͤhnen des Fuͤrſten Z., ſeinen Neffen, vermoͤge eines gerichtlichen Akts ohne Einſchraͤnkung ab. Man fragte nach der Ausſtattung ſeiner Tochter, da hob er den duͤſtern thraͤnenſchweren Blick gen Himmel und ſagte mit dumpfer Stimme: „Sie iſt ausgeſtattet!“ — Er nahm gar keinen Anſtand, nicht allein jenes Geruͤcht von Hermenegilda's Tode im Kloſter zu O. zu beſtaͤtigen, ſondern auch das beſondere Verhaͤngniß zu offenbaren, das uͤber Her¬ menegilda gewaltet und ſie einer duldenden Maͤrty¬ rin gleich fruͤhzeitig in das Grab gezogen. Man¬ che Patrioten, gebeugt, aber nicht zerknickt durch den Fall des Vaterlandes, gedachten den Grafen aufs neue in geheime Verbindungen zu ziehen, die die Herſtellung des polniſchen Staats bezweckten, aber nicht mehr den feurigen, fuͤr Freiheit und Va¬ terland beſeelten Mann, der ſonſt zu jeder gewag¬ ten Unternehmung mit unerſchuͤtterlichem Muthe die Hand bot, fanden ſie, ſondern einen ohnmaͤchtigen, von wildem Schmerz zerriſſenen Greis, der allen

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/282>, abgerufen am 24.11.2024.