ternacht heraufgekommen in wildem Tosen das Schloß durchsauste, so daß alle Unkenstimmen in den Caminen, in den engen Gängen erwachten und wi¬ derlich durcheinander pfiffen und heulten. Als end¬ lich nach einem Windstoß, vor dem der ganze Bau erdröhnte, plötzlich der ganze Saal im düstern Feuer des Vollmonds stand, rief V : "Ein böses Wetter!" -- Der Freiherr, ganz vertieft in die Aussicht des Reichthums, der ihm zugefallen, er¬ wiederte gleichgültig, indem er mit zufriedenem Lächeln ein Blatt des Einnahmebuchs umschlug: "In der That, sehr stürmisch." Aber wie fuhr er von der eisigen Faust des Schreckens berührt in die Höhe, als die Thür des Saals aufsprang und eine bleiche, gespenstische Gestalt sichtbar wurde, die den Tod im Antlitz hineinschritt. Daniel, den V. so wie Jedermann in tiefer Krankheit ohnmächtig da¬ liegend, nicht für fähig hielt ein Glied zu rühren, war es, der abermals von der Mondsucht befallen seine nächtliche Wanderung begonnen. Lautlos starrte der Freiherr den Alten an, als dieser nun
ternacht heraufgekommen in wildem Toſen das Schloß durchſauſte, ſo daß alle Unkenſtimmen in den Caminen, in den engen Gaͤngen erwachten und wi¬ derlich durcheinander pfiffen und heulten. Als end¬ lich nach einem Windſtoß, vor dem der ganze Bau erdroͤhnte, ploͤtzlich der ganze Saal im duͤſtern Feuer des Vollmonds ſtand, rief V : „Ein boͤſes Wetter!“ — Der Freiherr, ganz vertieft in die Ausſicht des Reichthums, der ihm zugefallen, er¬ wiederte gleichguͤltig, indem er mit zufriedenem Laͤcheln ein Blatt des Einnahmebuchs umſchlug: „In der That, ſehr ſtuͤrmiſch.“ Aber wie fuhr er von der eiſigen Fauſt des Schreckens beruͤhrt in die Hoͤhe, als die Thuͤr des Saals aufſprang und eine bleiche, geſpenſtiſche Geſtalt ſichtbar wurde, die den Tod im Antlitz hineinſchritt. Daniel, den V. ſo wie Jedermann in tiefer Krankheit ohnmaͤchtig da¬ liegend, nicht fuͤr faͤhig hielt ein Glied zu ruͤhren, war es, der abermals von der Mondſucht befallen ſeine naͤchtliche Wanderung begonnen. Lautlos ſtarrte der Freiherr den Alten an, als dieſer nun
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ternacht heraufgekommen in wildem Toſen das
Schloß durchſauſte, ſo daß alle Unkenſtimmen in den
Caminen, in den engen Gaͤngen erwachten und wi¬
derlich durcheinander pfiffen und heulten. Als end¬
lich nach einem Windſtoß, vor dem der ganze Bau
erdroͤhnte, ploͤtzlich der ganze Saal im duͤſtern
Feuer des Vollmonds ſtand, rief V : „Ein boͤſes
Wetter!“ — Der Freiherr, ganz vertieft in die
Ausſicht des Reichthums, der ihm zugefallen, er¬
wiederte gleichguͤltig, indem er mit zufriedenem
Laͤcheln ein Blatt des Einnahmebuchs umſchlug:
„In der That, ſehr ſtuͤrmiſch.“ Aber wie fuhr er
von der eiſigen Fauſt des Schreckens beruͤhrt in die
Hoͤhe, als die Thuͤr des Saals aufſprang und eine
bleiche, geſpenſtiſche Geſtalt ſichtbar wurde, die den
Tod im Antlitz hineinſchritt. Daniel, den V. ſo
wie Jedermann in tiefer Krankheit ohnmaͤchtig da¬
liegend, nicht fuͤr faͤhig hielt ein Glied zu ruͤhren,
war es, der abermals von der Mondſucht befallen
ſeine naͤchtliche Wanderung begonnen. Lautlos
ſtarrte der Freiherr den Alten an, als dieſer nun
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/247>, abgerufen am 23.11.2024.
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