Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

trennen beschloß. Sie war sehr arm, und ihre
Familie, unerachtet von gutem Adel, gehörte eben
nicht zu den glänzendsten. Schon deshalb durfte er
auf die Einwilligung des alten Roderich, dessen
ganzes Streben dahin ging, das Majorathaus auf
alle nur mögliche Weise zu erheben, nicht hoffen.
Er wagte es dennoch, von Paris aus dem Vater
seine Neigung zu entdecken; was aber voraus zu
sehen, geschah wirklich, indem der Alte bestimmt
erklärte, daß er schon selbst die Braut für den Ma¬
joratsherrn erkohren, und von einer andern niemals
die Rede seyn könne. Wolfgang, statt, wie er sollte,
nach England hinüberzuschiffen, kehrte unter dem
Nahmen Born nach Genf zurück, und vermählte
sich mit Julien, die ihm nach Verlauf eines Jahres
den Sohn gebahr, der mit dem Tode Wolfgangs
Majoratsherr wurde. Darüber, daß Hubert, von
der ganzen Sache unterrichtet, so lange schwieg,
und sich selbst als Majoratsherr gerirte, waren ver¬
schiedene Ursachen angeführt, die sich auf frühere
Verabredungen mit Wolfgang bezogen, indessen

trennen beſchloß. Sie war ſehr arm, und ihre
Familie, unerachtet von gutem Adel, gehoͤrte eben
nicht zu den glaͤnzendſten. Schon deshalb durfte er
auf die Einwilligung des alten Roderich, deſſen
ganzes Streben dahin ging, das Majorathaus auf
alle nur moͤgliche Weiſe zu erheben, nicht hoffen.
Er wagte es dennoch, von Paris aus dem Vater
ſeine Neigung zu entdecken; was aber voraus zu
ſehen, geſchah wirklich, indem der Alte beſtimmt
erklaͤrte, daß er ſchon ſelbſt die Braut fuͤr den Ma¬
joratsherrn erkohren, und von einer andern niemals
die Rede ſeyn koͤnne. Wolfgang, ſtatt, wie er ſollte,
nach England hinuͤberzuſchiffen, kehrte unter dem
Nahmen Born nach Genf zuruͤck, und vermaͤhlte
ſich mit Julien, die ihm nach Verlauf eines Jahres
den Sohn gebahr, der mit dem Tode Wolfgangs
Majoratsherr wurde. Daruͤber, daß Hubert, von
der ganzen Sache unterrichtet, ſo lange ſchwieg,
und ſich ſelbſt als Majoratsherr gerirte, waren ver¬
ſchiedene Urſachen angefuͤhrt, die ſich auf fruͤhere
Verabredungen mit Wolfgang bezogen, indeſſen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0223" n="215"/>
trennen be&#x017F;chloß. Sie war &#x017F;ehr arm, und ihre<lb/>
Familie, unerachtet von gutem Adel, geho&#x0364;rte eben<lb/>
nicht zu den gla&#x0364;nzend&#x017F;ten. Schon deshalb durfte er<lb/>
auf die Einwilligung des alten Roderich, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ganzes Streben dahin ging, das Majorathaus auf<lb/>
alle nur mo&#x0364;gliche Wei&#x017F;e zu erheben, nicht hoffen.<lb/>
Er wagte es dennoch, von Paris aus dem Vater<lb/>
&#x017F;eine Neigung zu entdecken; was aber voraus zu<lb/>
&#x017F;ehen, ge&#x017F;chah wirklich, indem der Alte be&#x017F;timmt<lb/>
erkla&#x0364;rte, daß er &#x017F;chon &#x017F;elb&#x017F;t die Braut fu&#x0364;r den Ma¬<lb/>
joratsherrn erkohren, und von einer andern niemals<lb/>
die Rede &#x017F;eyn ko&#x0364;nne. Wolfgang, &#x017F;tatt, wie er &#x017F;ollte,<lb/>
nach England hinu&#x0364;berzu&#x017F;chiffen, kehrte unter dem<lb/>
Nahmen <hi rendition="#g">Born</hi> nach Genf zuru&#x0364;ck, und verma&#x0364;hlte<lb/>
&#x017F;ich mit Julien, die ihm nach Verlauf eines Jahres<lb/>
den Sohn gebahr, der mit dem Tode Wolfgangs<lb/>
Majoratsherr wurde. Daru&#x0364;ber, daß Hubert, von<lb/>
der ganzen Sache unterrichtet, &#x017F;o lange &#x017F;chwieg,<lb/>
und &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t als Majoratsherr gerirte, waren ver¬<lb/>
&#x017F;chiedene Ur&#x017F;achen angefu&#x0364;hrt, die &#x017F;ich auf fru&#x0364;here<lb/>
Verabredungen mit Wolfgang bezogen, inde&#x017F;&#x017F;en<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[215/0223] trennen beſchloß. Sie war ſehr arm, und ihre Familie, unerachtet von gutem Adel, gehoͤrte eben nicht zu den glaͤnzendſten. Schon deshalb durfte er auf die Einwilligung des alten Roderich, deſſen ganzes Streben dahin ging, das Majorathaus auf alle nur moͤgliche Weiſe zu erheben, nicht hoffen. Er wagte es dennoch, von Paris aus dem Vater ſeine Neigung zu entdecken; was aber voraus zu ſehen, geſchah wirklich, indem der Alte beſtimmt erklaͤrte, daß er ſchon ſelbſt die Braut fuͤr den Ma¬ joratsherrn erkohren, und von einer andern niemals die Rede ſeyn koͤnne. Wolfgang, ſtatt, wie er ſollte, nach England hinuͤberzuſchiffen, kehrte unter dem Nahmen Born nach Genf zuruͤck, und vermaͤhlte ſich mit Julien, die ihm nach Verlauf eines Jahres den Sohn gebahr, der mit dem Tode Wolfgangs Majoratsherr wurde. Daruͤber, daß Hubert, von der ganzen Sache unterrichtet, ſo lange ſchwieg, und ſich ſelbſt als Majoratsherr gerirte, waren ver¬ ſchiedene Urſachen angefuͤhrt, die ſich auf fruͤhere Verabredungen mit Wolfgang bezogen, indeſſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/223
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/223>, abgerufen am 23.11.2024.