er starb schon das Jahr darauf. Sein Sohn, wie er Hubert geheißen, kam schnell herüber von Cur¬ land, um das reiche Majorat in Besitz zu nehmen. Ihm folgten Mutter und Schwester. Der Jüng¬ ling schien alle bösen Eigenschaften der Vorfahren in sich zu vereinen; er bewies sich als stolz, hochfah¬ rend, ungestüm, habsüchtig gleich in den ersten Augenblicken seines Aufenthalts in R -- sitten. Er wollte auf der Stelle vieles ändern lassen, welches ihm nicht bequem, nicht gehörig schien; den Koch warf er zum Hause hinaus; den Kutscher versuchte er zu prügeln, welches aber nicht gelang, da der baumstarke Kerl die Frechheit hatte, es nicht leiden zu wollen; kurz, er war im besten Zuge, die Rolle des strengen Majoratsherrn zu beginnen, als V. ihm mit Ernst und Festigkeit entgegen trat, sehr bestimmt versichernd: Kein Stuhl solle hier gerückt werden, keine Katze das Haus verlassen, wenn es ihr noch sonst darin gefalle, vor Eröffnung des Testaments. "Sie unterstehen sich hier, dem Ma¬ joratsherrn" -- fing der Baron an. V. ließ den
O 2
er ſtarb ſchon das Jahr darauf. Sein Sohn, wie er Hubert geheißen, kam ſchnell heruͤber von Cur¬ land, um das reiche Majorat in Beſitz zu nehmen. Ihm folgten Mutter und Schweſter. Der Juͤng¬ ling ſchien alle boͤſen Eigenſchaften der Vorfahren in ſich zu vereinen; er bewies ſich als ſtolz, hochfah¬ rend, ungeſtuͤm, habſuͤchtig gleich in den erſten Augenblicken ſeines Aufenthalts in R — ſitten. Er wollte auf der Stelle vieles aͤndern laſſen, welches ihm nicht bequem, nicht gehoͤrig ſchien; den Koch warf er zum Hauſe hinaus; den Kutſcher verſuchte er zu pruͤgeln, welches aber nicht gelang, da der baumſtarke Kerl die Frechheit hatte, es nicht leiden zu wollen; kurz, er war im beſten Zuge, die Rolle des ſtrengen Majoratsherrn zu beginnen, als V. ihm mit Ernſt und Feſtigkeit entgegen trat, ſehr beſtimmt verſichernd: Kein Stuhl ſolle hier geruͤckt werden, keine Katze das Haus verlaſſen, wenn es ihr noch ſonſt darin gefalle, vor Eroͤffnung des Teſtaments. „Sie unterſtehen ſich hier, dem Ma¬ joratsherrn“ — fing der Baron an. V. ließ den
O 2
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0219"n="211"/>
er ſtarb ſchon das Jahr darauf. Sein Sohn, wie<lb/><hirendition="#g">er</hi> Hubert geheißen, kam ſchnell heruͤber von Cur¬<lb/>
land, um das reiche Majorat in Beſitz zu nehmen.<lb/>
Ihm folgten Mutter und Schweſter. Der Juͤng¬<lb/>
ling ſchien alle boͤſen Eigenſchaften der Vorfahren in<lb/>ſich zu vereinen; er bewies ſich als ſtolz, hochfah¬<lb/>
rend, ungeſtuͤm, habſuͤchtig gleich in den erſten<lb/>
Augenblicken ſeines Aufenthalts in R —ſitten. Er<lb/>
wollte auf der Stelle vieles aͤndern laſſen, welches<lb/>
ihm nicht bequem, nicht gehoͤrig ſchien; den Koch<lb/>
warf er zum Hauſe hinaus; den Kutſcher verſuchte<lb/>
er zu pruͤgeln, welches aber nicht gelang, da der<lb/>
baumſtarke Kerl die Frechheit hatte, es nicht leiden<lb/>
zu wollen; kurz, er war im beſten Zuge, die Rolle<lb/>
des ſtrengen Majoratsherrn zu beginnen, als V.<lb/>
ihm mit Ernſt und Feſtigkeit entgegen trat, ſehr<lb/>
beſtimmt verſichernd: Kein Stuhl ſolle hier geruͤckt<lb/>
werden, keine Katze das Haus verlaſſen, wenn es<lb/>
ihr noch ſonſt darin gefalle, vor Eroͤffnung des<lb/>
Teſtaments. „Sie unterſtehen ſich hier, dem Ma¬<lb/>
joratsherrn“— fing der Baron an. V. ließ den<lb/><fwplace="bottom"type="sig">O 2<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[211/0219]
er ſtarb ſchon das Jahr darauf. Sein Sohn, wie
er Hubert geheißen, kam ſchnell heruͤber von Cur¬
land, um das reiche Majorat in Beſitz zu nehmen.
Ihm folgten Mutter und Schweſter. Der Juͤng¬
ling ſchien alle boͤſen Eigenſchaften der Vorfahren in
ſich zu vereinen; er bewies ſich als ſtolz, hochfah¬
rend, ungeſtuͤm, habſuͤchtig gleich in den erſten
Augenblicken ſeines Aufenthalts in R — ſitten. Er
wollte auf der Stelle vieles aͤndern laſſen, welches
ihm nicht bequem, nicht gehoͤrig ſchien; den Koch
warf er zum Hauſe hinaus; den Kutſcher verſuchte
er zu pruͤgeln, welches aber nicht gelang, da der
baumſtarke Kerl die Frechheit hatte, es nicht leiden
zu wollen; kurz, er war im beſten Zuge, die Rolle
des ſtrengen Majoratsherrn zu beginnen, als V.
ihm mit Ernſt und Feſtigkeit entgegen trat, ſehr
beſtimmt verſichernd: Kein Stuhl ſolle hier geruͤckt
werden, keine Katze das Haus verlaſſen, wenn es
ihr noch ſonſt darin gefalle, vor Eroͤffnung des
Teſtaments. „Sie unterſtehen ſich hier, dem Ma¬
joratsherrn“ — fing der Baron an. V. ließ den
O 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/219>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.