Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

Herr Baron?" frug V. sehr ernst. Huberts
Lippen bebten, er hielt sich an dem Stuhl fest,
um nicht umzusinken, dann aber, sich plötzlich er¬
mannend, rief er: "Also noch heute, Herr Justi¬
tiarius," und wankte, nicht ohne Anstrengung, zur
Thür hinaus. "Er sieht jetzt ein, daß keine Täu¬
schungen mehr möglich sind, daß er nichts vermag
gegen meinen festen Willen," sprach der Freiherr,
indem er den Wechsel auf Isak Lazarus in K.
ausstellte. Eine Last wurde seiner Brust entnom¬
men durch die Abreise des feindlichen Bruders,
lange war er nicht so froh gewesen, als bei der
Abendtafel. Hubert hatte sich entschuldigen las¬
sen, alle vermißten ihn recht gern. --

V. wohnte in einem etwas abgelegenen Zim¬
mer, dessen Fenster nach dem Schloßhofe heraus¬
gingen. In der Nacht fuhr er plötzlich auf aus
dem Schlafe, und es war ihm, als habe ein fer¬
nes, klägliches Wimmern ihn aus dem Schlafe
geweckt. Mochte er aber auch horchen, wie er
wollte, es blieb alles todtenstill, und so mußte er

Herr Baron?“ frug V. ſehr ernſt. Huberts
Lippen bebten, er hielt ſich an dem Stuhl feſt,
um nicht umzuſinken, dann aber, ſich ploͤtzlich er¬
mannend, rief er: „Alſo noch heute, Herr Juſti¬
tiarius,“ und wankte, nicht ohne Anſtrengung, zur
Thuͤr hinaus. „Er ſieht jetzt ein, daß keine Taͤu¬
ſchungen mehr moͤglich ſind, daß er nichts vermag
gegen meinen feſten Willen,“ ſprach der Freiherr,
indem er den Wechſel auf Iſak Lazarus in K.
ausſtellte. Eine Laſt wurde ſeiner Bruſt entnom¬
men durch die Abreiſe des feindlichen Bruders,
lange war er nicht ſo froh geweſen, als bei der
Abendtafel. Hubert hatte ſich entſchuldigen laſ¬
ſen, alle vermißten ihn recht gern. —

V. wohnte in einem etwas abgelegenen Zim¬
mer, deſſen Fenſter nach dem Schloßhofe heraus¬
gingen. In der Nacht fuhr er ploͤtzlich auf aus
dem Schlafe, und es war ihm, als habe ein fer¬
nes, klaͤgliches Wimmern ihn aus dem Schlafe
geweckt. Mochte er aber auch horchen, wie er
wollte, es blieb alles todtenſtill, und ſo mußte er

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0211" n="203"/>
Herr Baron?&#x201C; frug V. &#x017F;ehr ern&#x017F;t. Huberts<lb/>
Lippen bebten, er hielt &#x017F;ich an dem Stuhl fe&#x017F;t,<lb/>
um nicht umzu&#x017F;inken, dann aber, &#x017F;ich plo&#x0364;tzlich er¬<lb/>
mannend, rief er: &#x201E;Al&#x017F;o noch heute, Herr Ju&#x017F;ti¬<lb/>
tiarius,&#x201C; und wankte, nicht ohne An&#x017F;trengung, zur<lb/>
Thu&#x0364;r hinaus. &#x201E;Er &#x017F;ieht jetzt ein, daß keine Ta&#x0364;<lb/>
&#x017F;chungen mehr mo&#x0364;glich &#x017F;ind, daß er nichts vermag<lb/>
gegen meinen fe&#x017F;ten Willen,&#x201C; &#x017F;prach der Freiherr,<lb/>
indem er den Wech&#x017F;el auf I&#x017F;ak Lazarus in K.<lb/>
aus&#x017F;tellte. Eine La&#x017F;t wurde &#x017F;einer Bru&#x017F;t entnom¬<lb/>
men durch die Abrei&#x017F;e des feindlichen Bruders,<lb/>
lange war er nicht &#x017F;o froh gewe&#x017F;en, als bei der<lb/>
Abendtafel. Hubert hatte &#x017F;ich ent&#x017F;chuldigen la&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en, alle vermißten ihn recht gern. &#x2014;</p><lb/>
        <p>V. wohnte in einem etwas abgelegenen Zim¬<lb/>
mer, de&#x017F;&#x017F;en Fen&#x017F;ter nach dem Schloßhofe heraus¬<lb/>
gingen. In der Nacht fuhr er plo&#x0364;tzlich auf aus<lb/>
dem Schlafe, und es war ihm, als habe ein fer¬<lb/>
nes, kla&#x0364;gliches Wimmern ihn aus dem Schlafe<lb/>
geweckt. Mochte er aber auch horchen, wie er<lb/>
wollte, es blieb alles todten&#x017F;till, und &#x017F;o mußte er<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[203/0211] Herr Baron?“ frug V. ſehr ernſt. Huberts Lippen bebten, er hielt ſich an dem Stuhl feſt, um nicht umzuſinken, dann aber, ſich ploͤtzlich er¬ mannend, rief er: „Alſo noch heute, Herr Juſti¬ tiarius,“ und wankte, nicht ohne Anſtrengung, zur Thuͤr hinaus. „Er ſieht jetzt ein, daß keine Taͤu¬ ſchungen mehr moͤglich ſind, daß er nichts vermag gegen meinen feſten Willen,“ ſprach der Freiherr, indem er den Wechſel auf Iſak Lazarus in K. ausſtellte. Eine Laſt wurde ſeiner Bruſt entnom¬ men durch die Abreiſe des feindlichen Bruders, lange war er nicht ſo froh geweſen, als bei der Abendtafel. Hubert hatte ſich entſchuldigen laſ¬ ſen, alle vermißten ihn recht gern. — V. wohnte in einem etwas abgelegenen Zim¬ mer, deſſen Fenſter nach dem Schloßhofe heraus¬ gingen. In der Nacht fuhr er ploͤtzlich auf aus dem Schlafe, und es war ihm, als habe ein fer¬ nes, klaͤgliches Wimmern ihn aus dem Schlafe geweckt. Mochte er aber auch horchen, wie er wollte, es blieb alles todtenſtill, und ſo mußte er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/211
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/211>, abgerufen am 17.05.2024.