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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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in der That an die Lebensgefahr, in der ich
schwebte, gar nicht gedacht hatte. Vorzüglich be¬
wies sich der Baron theilnehmend, er konnte gar
nicht aufhören zu fragen, ob ich, sey ich auch nicht
von der Bestie verwundet, doch nichts von den
Folgen des Schrecks fürchte. Es ging zurück
nach dem Schlosse, der Baron faßte mich, wie
einen Freund, unter den Arm, die Büchse mußte
ein Jäger tragen. Er sprach noch immer von
meiner heroischen That, so daß ich am Ende selbst
an meinen Heroismus glaubte, alle Befangenheit
verlor, und mich selbst dem Baron gegenüber als
ein Mann von Muth und seltener Entschlossenheit
festgestellt fühlte. Der Schulknabe hatte sein Exa¬
men glücklich bestanden, war kein Schulknabe
mehr, und alle demüthige Aengstlichkeit des Schul¬
knaben war von ihm gewichen. Erworben schien
mir jetzt das Recht, mich um Seraphinens Gunst
zu mühen. -- Man weiß ja, welcher albernen Zu¬
sammenstellungen die Fantasie eines verliebten
Jünglings fähig ist. -- Im Schlosse, am Kamin

in der That an die Lebensgefahr, in der ich
ſchwebte, gar nicht gedacht hatte. Vorzuͤglich be¬
wies ſich der Baron theilnehmend, er konnte gar
nicht aufhoͤren zu fragen, ob ich, ſey ich auch nicht
von der Beſtie verwundet, doch nichts von den
Folgen des Schrecks fuͤrchte. Es ging zuruͤck
nach dem Schloſſe, der Baron faßte mich, wie
einen Freund, unter den Arm, die Buͤchſe mußte
ein Jaͤger tragen. Er ſprach noch immer von
meiner heroiſchen That, ſo daß ich am Ende ſelbſt
an meinen Heroismus glaubte, alle Befangenheit
verlor, und mich ſelbſt dem Baron gegenuͤber als
ein Mann von Muth und ſeltener Entſchloſſenheit
feſtgeſtellt fuͤhlte. Der Schulknabe hatte ſein Exa¬
men gluͤcklich beſtanden, war kein Schulknabe
mehr, und alle demuͤthige Aengſtlichkeit des Schul¬
knaben war von ihm gewichen. Erworben ſchien
mir jetzt das Recht, mich um Seraphinens Gunſt
zu muͤhen. — Man weiß ja, welcher albernen Zu¬
ſammenſtellungen die Fantaſie eines verliebten
Juͤnglings faͤhig iſt. — Im Schloſſe, am Kamin

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[135/0143] in der That an die Lebensgefahr, in der ich ſchwebte, gar nicht gedacht hatte. Vorzuͤglich be¬ wies ſich der Baron theilnehmend, er konnte gar nicht aufhoͤren zu fragen, ob ich, ſey ich auch nicht von der Beſtie verwundet, doch nichts von den Folgen des Schrecks fuͤrchte. Es ging zuruͤck nach dem Schloſſe, der Baron faßte mich, wie einen Freund, unter den Arm, die Buͤchſe mußte ein Jaͤger tragen. Er ſprach noch immer von meiner heroiſchen That, ſo daß ich am Ende ſelbſt an meinen Heroismus glaubte, alle Befangenheit verlor, und mich ſelbſt dem Baron gegenuͤber als ein Mann von Muth und ſeltener Entſchloſſenheit feſtgeſtellt fuͤhlte. Der Schulknabe hatte ſein Exa¬ men gluͤcklich beſtanden, war kein Schulknabe mehr, und alle demuͤthige Aengſtlichkeit des Schul¬ knaben war von ihm gewichen. Erworben ſchien mir jetzt das Recht, mich um Seraphinens Gunſt zu muͤhen. — Man weiß ja, welcher albernen Zu¬ ſammenſtellungen die Fantaſie eines verliebten Juͤnglings faͤhig iſt. — Im Schloſſe, am Kamin

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/143>, abgerufen am 12.10.2024.