Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

Herz sey! -- Ihm mochte ich, ihm mag jeder in
meiner Stimmung gleichen! jede Berührung wird
tödtlich. Der Baronin Hand, die pulsirenden
Finger hatten mich getroffen wie vergiftete Pfeile,
mein Blut brannte in den Adern! -- Ohne mich
gerade auszufragen, hatte der Alte am andern
Morgen doch bald die Geschichte des mit der Ba¬
ronin verlebten Abends heraus, und ich war nicht
wenig betreten, als er, der mit lachendem Munde
und heitrem Tone gesprochen, plötzlich sehr ernst
wurde und anfing: "Ich bitte dich, Vetter, wi¬
derstehe der Narrheit, die dich mit aller Macht er¬
griffen! -- Wisse, daß dein Beginnen, so harm¬
los wie es scheint, die entsetzlichsten Folgen haben
kann, du stehst in achtlosem Wahnsinn auf dünner
Eisdecke, die bricht unter dir ehe du dich es ver¬
siehst und du plumpst hinein. Ich werde mich hü¬
ten, dich am Rockschoß festzuhalten, denn ich weiß,
du rappelst dich selbst wieder heraus und sprichst
zum Tode erkrankt: das bischen Schnupfen bekam
ich im Traume, aber ein böses Fieber wird zehren

an

Herz ſey! — Ihm mochte ich, ihm mag jeder in
meiner Stimmung gleichen! jede Beruͤhrung wird
toͤdtlich. Der Baronin Hand, die pulſirenden
Finger hatten mich getroffen wie vergiftete Pfeile,
mein Blut brannte in den Adern! — Ohne mich
gerade auszufragen, hatte der Alte am andern
Morgen doch bald die Geſchichte des mit der Ba¬
ronin verlebten Abends heraus, und ich war nicht
wenig betreten, als er, der mit lachendem Munde
und heitrem Tone geſprochen, ploͤtzlich ſehr ernſt
wurde und anfing: „Ich bitte dich, Vetter, wi¬
derſtehe der Narrheit, die dich mit aller Macht er¬
griffen! — Wiſſe, daß dein Beginnen, ſo harm¬
los wie es ſcheint, die entſetzlichſten Folgen haben
kann, du ſtehſt in achtloſem Wahnſinn auf duͤnner
Eisdecke, die bricht unter dir ehe du dich es ver¬
ſiehſt und du plumpſt hinein. Ich werde mich huͤ¬
ten, dich am Rockſchoß feſtzuhalten, denn ich weiß,
du rappelſt dich ſelbſt wieder heraus und ſprichſt
zum Tode erkrankt: das bischen Schnupfen bekam
ich im Traume, aber ein boͤſes Fieber wird zehren

an
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0136" n="128"/>
Herz &#x017F;ey! &#x2014; Ihm mochte ich, ihm mag jeder in<lb/>
meiner Stimmung gleichen! jede Beru&#x0364;hrung wird<lb/>
to&#x0364;dtlich. Der Baronin Hand, die pul&#x017F;irenden<lb/>
Finger hatten mich getroffen wie vergiftete Pfeile,<lb/>
mein Blut brannte in den Adern! &#x2014; Ohne mich<lb/>
gerade auszufragen, hatte der Alte am andern<lb/>
Morgen doch bald die Ge&#x017F;chichte des mit der Ba¬<lb/>
ronin verlebten Abends heraus, und ich war nicht<lb/>
wenig betreten, als er, der mit lachendem Munde<lb/>
und heitrem Tone ge&#x017F;prochen, plo&#x0364;tzlich &#x017F;ehr ern&#x017F;t<lb/>
wurde und anfing: &#x201E;Ich bitte dich, Vetter, wi¬<lb/>
der&#x017F;tehe der Narrheit, die dich mit aller Macht er¬<lb/>
griffen! &#x2014; Wi&#x017F;&#x017F;e, daß dein Beginnen, &#x017F;o harm¬<lb/>
los wie es &#x017F;cheint, die ent&#x017F;etzlich&#x017F;ten Folgen haben<lb/>
kann, du &#x017F;teh&#x017F;t in achtlo&#x017F;em Wahn&#x017F;inn auf du&#x0364;nner<lb/>
Eisdecke, die bricht unter dir ehe du dich es ver¬<lb/>
&#x017F;ieh&#x017F;t und du plump&#x017F;t hinein. Ich werde mich hu&#x0364;¬<lb/>
ten, dich am Rock&#x017F;choß fe&#x017F;tzuhalten, denn ich weiß,<lb/>
du rappel&#x017F;t dich &#x017F;elb&#x017F;t wieder heraus und &#x017F;prich&#x017F;t<lb/>
zum Tode erkrankt: das bischen Schnupfen bekam<lb/>
ich im Traume, aber ein bo&#x0364;&#x017F;es Fieber wird zehren<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">an<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0136] Herz ſey! — Ihm mochte ich, ihm mag jeder in meiner Stimmung gleichen! jede Beruͤhrung wird toͤdtlich. Der Baronin Hand, die pulſirenden Finger hatten mich getroffen wie vergiftete Pfeile, mein Blut brannte in den Adern! — Ohne mich gerade auszufragen, hatte der Alte am andern Morgen doch bald die Geſchichte des mit der Ba¬ ronin verlebten Abends heraus, und ich war nicht wenig betreten, als er, der mit lachendem Munde und heitrem Tone geſprochen, ploͤtzlich ſehr ernſt wurde und anfing: „Ich bitte dich, Vetter, wi¬ derſtehe der Narrheit, die dich mit aller Macht er¬ griffen! — Wiſſe, daß dein Beginnen, ſo harm¬ los wie es ſcheint, die entſetzlichſten Folgen haben kann, du ſtehſt in achtloſem Wahnſinn auf duͤnner Eisdecke, die bricht unter dir ehe du dich es ver¬ ſiehſt und du plumpſt hinein. Ich werde mich huͤ¬ ten, dich am Rockſchoß feſtzuhalten, denn ich weiß, du rappelſt dich ſelbſt wieder heraus und ſprichſt zum Tode erkrankt: das bischen Schnupfen bekam ich im Traume, aber ein boͤſes Fieber wird zehren an

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/136
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/136>, abgerufen am 10.10.2024.