reiner, tief aus dem Herzen tönender Stimme ein Lied an, dessen einfache Melodie ganz den Charak¬ ter jener Volkslieder trug, die so klar aus dem In¬ nern herausleuchten, daß wir in dem hellen Schein, der uns umfließt, unsere höhere poetische Natur erkennen müssen. Ein geheimnißvoller Zauber liegt in den unbedeutenden Worten des Textes, der zur Hieroglyphe des Unaussprechlichen wird, von dem unsere Brust erfüllt. Wer denkt nicht an jene spa¬ nische Canzonetta, deren Inhalt den Worten nach nicht viel mehr ist, als: Mit meinem Mädchen schifft' ich auf dem Meer, da wurd' es stürmisch, und mein Mädchen wankte furchtsam hin und her. Nein! -- nicht schiff' ich wieder mit meinem Mäd¬ chen auf dem Meer! -- So sagte der Baronin Liedlein nichts weiter: Jüngst tanzt' ich mit meinem Schatz auf der Hochzeit, da fiel mir eine Blume aus dem Haar, die hob er auf, und gab sie mir und sprach: Wenn, mein Mädchen, gehn wir wieder zur Hochzeit? -- Als ich bei der zweiten Strophe dies Liedchen in harpeggirenden Akkorden begleitete,
reiner, tief aus dem Herzen toͤnender Stimme ein Lied an, deſſen einfache Melodie ganz den Charak¬ ter jener Volkslieder trug, die ſo klar aus dem In¬ nern herausleuchten, daß wir in dem hellen Schein, der uns umfließt, unſere hoͤhere poetiſche Natur erkennen muͤſſen. Ein geheimnißvoller Zauber liegt in den unbedeutenden Worten des Textes, der zur Hieroglyphe des Unausſprechlichen wird, von dem unſere Bruſt erfuͤllt. Wer denkt nicht an jene ſpa¬ niſche Canzonetta, deren Inhalt den Worten nach nicht viel mehr iſt, als: Mit meinem Maͤdchen ſchifft' ich auf dem Meer, da wurd' es ſtuͤrmiſch, und mein Maͤdchen wankte furchtſam hin und her. Nein! — nicht ſchiff' ich wieder mit meinem Maͤd¬ chen auf dem Meer! — So ſagte der Baronin Liedlein nichts weiter: Juͤngſt tanzt' ich mit meinem Schatz auf der Hochzeit, da fiel mir eine Blume aus dem Haar, die hob er auf, und gab ſie mir und ſprach: Wenn, mein Maͤdchen, gehn wir wieder zur Hochzeit? — Als ich bei der zweiten Strophe dies Liedchen in harpeggirenden Akkorden begleitete,
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Lied an, deſſen einfache Melodie ganz den Charak¬
ter jener Volkslieder trug, die ſo klar aus dem In¬
nern herausleuchten, daß wir in dem hellen Schein,
der uns umfließt, unſere hoͤhere poetiſche Natur
erkennen muͤſſen. Ein geheimnißvoller Zauber liegt
in den unbedeutenden Worten des Textes, der zur
Hieroglyphe des Unausſprechlichen wird, von dem
unſere Bruſt erfuͤllt. Wer denkt nicht an jene ſpa¬
niſche Canzonetta, deren Inhalt den Worten nach
nicht viel mehr iſt, als: Mit meinem Maͤdchen
ſchifft' ich auf dem Meer, da wurd' es ſtuͤrmiſch, und
mein Maͤdchen wankte furchtſam hin und her.
Nein! — nicht ſchiff' ich wieder mit meinem Maͤd¬
chen auf dem Meer! — So ſagte der Baronin
Liedlein nichts weiter: Juͤngſt tanzt' ich mit meinem
Schatz auf der Hochzeit, da fiel mir eine Blume
aus dem Haar, die hob er auf, und gab ſie mir und
ſprach: Wenn, mein Maͤdchen, gehn wir wieder
zur Hochzeit? — Als ich bei der zweiten Strophe
dies Liedchen in harpeggirenden Akkorden begleitete,
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/134>, abgerufen am 10.10.2024.
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