ren kannst!" -- So rief der Alte noch gewaltiger als vorher, es war als ginge ein leises Gewimmer durch die Lüfte und ersterbe im Sausen des Sturms, der sich zu erheben begann. Da schritt der Alte nach der Thür und warf sie zu, daß es laut durch den öden Vorsaal wiederhallte. In seiner Sprache, in seinen Gebehrden lag etwas übermenschliches, das mich mit tiefem Schauer erfüllte. Als er sich in den Lehnstuhl setzte, war sein Blick wie verklärt, er faltete seine Hände, er betete im Innern. So mochten einige Minuten vergangen seyn, da frug er mit der milden, tief in das Herz dringenden Stimme, die er so sehr in seiner Macht hatte: "Nun, Vetter?" Von Schauer -- Entsetzen -- Angst -- heiliger Ehrfurcht und Liebe durchbebt stürzte ich auf die Kniee und benetzte die mir darge¬ botene Hand mit heißen Thränen. Der Alte schloß mich in seine Arme, und indem er mich innig an sein Herz drückte, sprach er sehr weich: "Nun wollen wir auch recht sanft schlafen, lieber Vetter!" -- Es geschah auch so, und als sich in der folgenden
ren kannſt!“ — So rief der Alte noch gewaltiger als vorher, es war als ginge ein leiſes Gewimmer durch die Luͤfte und erſterbe im Sauſen des Sturms, der ſich zu erheben begann. Da ſchritt der Alte nach der Thuͤr und warf ſie zu, daß es laut durch den oͤden Vorſaal wiederhallte. In ſeiner Sprache, in ſeinen Gebehrden lag etwas uͤbermenſchliches, das mich mit tiefem Schauer erfuͤllte. Als er ſich in den Lehnſtuhl ſetzte, war ſein Blick wie verklaͤrt, er faltete ſeine Haͤnde, er betete im Innern. So mochten einige Minuten vergangen ſeyn, da frug er mit der milden, tief in das Herz dringenden Stimme, die er ſo ſehr in ſeiner Macht hatte: „Nun, Vetter?“ Von Schauer — Entſetzen — Angſt — heiliger Ehrfurcht und Liebe durchbebt ſtuͤrzte ich auf die Kniee und benetzte die mir darge¬ botene Hand mit heißen Thraͤnen. Der Alte ſchloß mich in ſeine Arme, und indem er mich innig an ſein Herz druͤckte, ſprach er ſehr weich: „Nun wollen wir auch recht ſanft ſchlafen, lieber Vetter!“ — Es geſchah auch ſo, und als ſich in der folgenden
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ren kannſt!“ — So rief der Alte noch gewaltiger
als vorher, es war als ginge ein leiſes Gewimmer
durch die Luͤfte und erſterbe im Sauſen des Sturms,
der ſich zu erheben begann. Da ſchritt der Alte
nach der Thuͤr und warf ſie zu, daß es laut durch
den oͤden Vorſaal wiederhallte. In ſeiner Sprache,
in ſeinen Gebehrden lag etwas uͤbermenſchliches,
das mich mit tiefem Schauer erfuͤllte. Als er ſich
in den Lehnſtuhl ſetzte, war ſein Blick wie verklaͤrt,
er faltete ſeine Haͤnde, er betete im Innern. So
mochten einige Minuten vergangen ſeyn, da frug
er mit der milden, tief in das Herz dringenden
Stimme, die er ſo ſehr in ſeiner Macht hatte:
„Nun, Vetter?“ Von Schauer — Entſetzen —
Angſt — heiliger Ehrfurcht und Liebe durchbebt
ſtuͤrzte ich auf die Kniee und benetzte die mir darge¬
botene Hand mit heißen Thraͤnen. Der Alte
ſchloß mich in ſeine Arme, und indem er mich innig
an ſein Herz druͤckte, ſprach er ſehr weich: „Nun
wollen wir auch recht ſanft ſchlafen, lieber Vetter!“
— Es geſchah auch ſo, und als ſich in der folgenden
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/112>, abgerufen am 09.10.2024.
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