Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

seine Dichtung unaufhaltsam fort, hochroth färbte
seine Wangen die innere Gluth, Thränen quollen
ihm aus den Augen -- Endlich hatte er geschlos¬
sen, er stöhnte in tiefer Ermattung -- er faßte
Clara's Hand und seufzte wie aufgelöst in trost¬
losem Jammer: Ach! -- Clara -- Clara! --
Clara drückte ihn sanft an ihren Busen und
sagte leise, aber sehr langsam und ernst: Natha¬
nael -- mein herzlieber Nathanael! -- wirf
das tolle -- unsinnige -- wahnsinnige Mährchen
ins Feuer. Da sprang Nathanael entrüstet
auf und rief, Clara von sich stoßend: Du leb¬
loses, verdammtes Automat! Er rannte fort,
bittre Thränen vergoß die tief verletzte Clara:
Ach er hat mich niemahls geliebt, denn er ver¬
steht mich nicht, schluchzte sie laut. -- Lothar
trat in die Laube; Clara mußte ihm erzählen
was vorgefallen; er liebte seine Schwester mit
ganzer Seele, jedes Wort ihrer Anklage fiel wie
ein Funke in sein Inneres, so, daß der Unmuth,
den er wider den träumerischen Nathanael
lange im Herzen getragen, sich entzündete zum

ſeine Dichtung unaufhaltſam fort, hochroth faͤrbte
ſeine Wangen die innere Gluth, Thraͤnen quollen
ihm aus den Augen — Endlich hatte er geſchloſ¬
ſen, er ſtoͤhnte in tiefer Ermattung — er faßte
Clara's Hand und ſeufzte wie aufgeloͤſt in troſt¬
loſem Jammer: Ach! — ClaraClara! —
Clara druͤckte ihn ſanft an ihren Buſen und
ſagte leiſe, aber ſehr langſam und ernſt: Natha¬
nael — mein herzlieber Nathanael! — wirf
das tolle — unſinnige — wahnſinnige Maͤhrchen
ins Feuer. Da ſprang Nathanael entruͤſtet
auf und rief, Clara von ſich ſtoßend: Du leb¬
loſes, verdammtes Automat! Er rannte fort,
bittre Thraͤnen vergoß die tief verletzte Clara:
Ach er hat mich niemahls geliebt, denn er ver¬
ſteht mich nicht, ſchluchzte ſie laut. — Lothar
trat in die Laube; Clara mußte ihm erzaͤhlen
was vorgefallen; er liebte ſeine Schweſter mit
ganzer Seele, jedes Wort ihrer Anklage fiel wie
ein Funke in ſein Inneres, ſo, daß der Unmuth,
den er wider den traͤumeriſchen Nathanael
lange im Herzen getragen, ſich entzuͤndete zum

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0053" n="45"/>
&#x017F;eine Dichtung unaufhalt&#x017F;am fort, hochroth fa&#x0364;rbte<lb/>
&#x017F;eine Wangen die innere Gluth, Thra&#x0364;nen quollen<lb/>
ihm aus den Augen &#x2014; Endlich hatte er ge&#x017F;chlo&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en, er &#x017F;to&#x0364;hnte in tiefer Ermattung &#x2014; er faßte<lb/><hi rendition="#g">Clara's</hi> Hand und &#x017F;eufzte wie aufgelo&#x0364;&#x017F;t in tro&#x017F;<lb/>
lo&#x017F;em Jammer: Ach! &#x2014; <hi rendition="#g">Clara</hi> &#x2014; <hi rendition="#g">Clara</hi>! &#x2014;<lb/><hi rendition="#g">Clara</hi> dru&#x0364;ckte ihn &#x017F;anft an ihren Bu&#x017F;en und<lb/>
&#x017F;agte lei&#x017F;e, aber &#x017F;ehr lang&#x017F;am und ern&#x017F;t: <hi rendition="#g">Natha</hi>¬<lb/><hi rendition="#g">nael</hi> &#x2014; mein herzlieber <hi rendition="#g">Nathanael</hi>! &#x2014; wirf<lb/>
das tolle &#x2014; un&#x017F;innige &#x2014; wahn&#x017F;innige Ma&#x0364;hrchen<lb/>
ins Feuer. Da &#x017F;prang <hi rendition="#g">Nathanael</hi> entru&#x0364;&#x017F;tet<lb/>
auf und rief, <hi rendition="#g">Clara</hi> von &#x017F;ich &#x017F;toßend: Du leb¬<lb/>
lo&#x017F;es, verdammtes Automat! Er rannte fort,<lb/>
bittre Thra&#x0364;nen vergoß die tief verletzte <hi rendition="#g">Clara</hi>:<lb/>
Ach er hat mich niemahls geliebt, denn er ver¬<lb/>
&#x017F;teht mich nicht, &#x017F;chluchzte &#x017F;ie laut. &#x2014; <hi rendition="#g">Lothar</hi><lb/>
trat in die Laube; <hi rendition="#g">Clara</hi> mußte ihm erza&#x0364;hlen<lb/>
was vorgefallen; er liebte &#x017F;eine Schwe&#x017F;ter mit<lb/>
ganzer Seele, jedes Wort ihrer Anklage fiel wie<lb/>
ein Funke in &#x017F;ein Inneres, &#x017F;o, daß der Unmuth,<lb/>
den er wider den tra&#x0364;umeri&#x017F;chen <hi rendition="#g">Nathanael</hi><lb/>
lange im Herzen getragen, &#x017F;ich entzu&#x0364;ndete zum<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[45/0053] ſeine Dichtung unaufhaltſam fort, hochroth faͤrbte ſeine Wangen die innere Gluth, Thraͤnen quollen ihm aus den Augen — Endlich hatte er geſchloſ¬ ſen, er ſtoͤhnte in tiefer Ermattung — er faßte Clara's Hand und ſeufzte wie aufgeloͤſt in troſt¬ loſem Jammer: Ach! — Clara — Clara! — Clara druͤckte ihn ſanft an ihren Buſen und ſagte leiſe, aber ſehr langſam und ernſt: Natha¬ nael — mein herzlieber Nathanael! — wirf das tolle — unſinnige — wahnſinnige Maͤhrchen ins Feuer. Da ſprang Nathanael entruͤſtet auf und rief, Clara von ſich ſtoßend: Du leb¬ loſes, verdammtes Automat! Er rannte fort, bittre Thraͤnen vergoß die tief verletzte Clara: Ach er hat mich niemahls geliebt, denn er ver¬ ſteht mich nicht, ſchluchzte ſie laut. — Lothar trat in die Laube; Clara mußte ihm erzaͤhlen was vorgefallen; er liebte ſeine Schweſter mit ganzer Seele, jedes Wort ihrer Anklage fiel wie ein Funke in ſein Inneres, ſo, daß der Unmuth, den er wider den traͤumeriſchen Nathanael lange im Herzen getragen, ſich entzuͤndete zum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/53
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/53>, abgerufen am 27.11.2024.