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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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durch seine tollen Späße und durch sein verwun¬
derliches Zitherspiel die Soldaten im Lager belu¬
stige. Die Königin trat ein und das Amt be¬
gann. Die Schwestern im Chor intonirten das
Sanctus, eben sollte Julia mit mächtiger Stim¬
me wie sonst eintreten: Pleni sunt coeli gloria
tua
, da ging ein gellender Zitherton durch
den Chor, Julia schlug schnell das Blatt zu¬
sammen und wollte den Chor verlassen. "Was
beginnst du?" rief Emanuela, O! sagte
Julia, hörst du denn nicht die prächtigen Töne
des Meisters? -- dort bey ihm, mit ihm muß
ich singen! damit eilte Julia nach der Thüre,
aber Emanuela sprach mit sehr ernster feierli¬
cher Stimme: Sünderin, die du den Dienst des
Herrn entweihst, da du mit dem Munde sein
Lob verkündest und im Herzen weltliche Gedanken
trägst, flieh von hinnen, gebrochen ist die Kraft
des Gesanges in dir, verstummt sind die wunder¬
baren Laute in deiner Brust die der Geist des
Herrn entzündet!" -- Von Emanuela's Wor¬

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durch ſeine tollen Spaͤße und durch ſein verwun¬
derliches Zitherſpiel die Soldaten im Lager belu¬
ſtige. Die Koͤnigin trat ein und das Amt be¬
gann. Die Schweſtern im Chor intonirten das
Sanctus, eben ſollte Julia mit maͤchtiger Stim¬
me wie ſonſt eintreten: Pleni sunt coeli gloria
tua
, da ging ein gellender Zitherton durch
den Chor, Julia ſchlug ſchnell das Blatt zu¬
ſammen und wollte den Chor verlaſſen. „Was
beginnſt du?“ rief Emanuela, O! ſagte
Julia, hoͤrſt du denn nicht die praͤchtigen Toͤne
des Meiſters? — dort bey ihm, mit ihm muß
ich ſingen! damit eilte Julia nach der Thuͤre,
aber Emanuela ſprach mit ſehr ernſter feierli¬
cher Stimme: Suͤnderin, die du den Dienſt des
Herrn entweihſt, da du mit dem Munde ſein
Lob verkuͤndeſt und im Herzen weltliche Gedanken
traͤgſt, flieh von hinnen, gebrochen iſt die Kraft
des Geſanges in dir, verſtummt ſind die wunder¬
baren Laute in deiner Bruſt die der Geiſt des
Herrn entzuͤndet!“ — Von Emanuela's Wor¬

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[307/0315] durch ſeine tollen Spaͤße und durch ſein verwun¬ derliches Zitherſpiel die Soldaten im Lager belu¬ ſtige. Die Koͤnigin trat ein und das Amt be¬ gann. Die Schweſtern im Chor intonirten das Sanctus, eben ſollte Julia mit maͤchtiger Stim¬ me wie ſonſt eintreten: Pleni sunt coeli gloria tua, da ging ein gellender Zitherton durch den Chor, Julia ſchlug ſchnell das Blatt zu¬ ſammen und wollte den Chor verlaſſen. „Was beginnſt du?“ rief Emanuela, O! ſagte Julia, hoͤrſt du denn nicht die praͤchtigen Toͤne des Meiſters? — dort bey ihm, mit ihm muß ich ſingen! damit eilte Julia nach der Thuͤre, aber Emanuela ſprach mit ſehr ernſter feierli¬ cher Stimme: Suͤnderin, die du den Dienſt des Herrn entweihſt, da du mit dem Munde ſein Lob verkuͤndeſt und im Herzen weltliche Gedanken traͤgſt, flieh von hinnen, gebrochen iſt die Kraft des Geſanges in dir, verſtummt ſind die wunder¬ baren Laute in deiner Bruſt die der Geiſt des Herrn entzuͤndet!“ — Von Emanuela's Wor¬ U 2

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/315>, abgerufen am 02.05.2024.