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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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Unabsehbar breitete sich das Feldlager Isa¬
bellens und Ferdinand's von Arragonien
vor den festen Mauern von Granada aus. Ver¬
gebens auf Hülfe hoffend, immer enger und
enger eingeschlossen, verzagte der feige Boabdil
und im bittern Hohn vom Volk das ihn den
kleinen König nannte, verspottet, fand er nur in
den Opfern blutdürstiger Grausamkeit augenblick¬
lichen Trost. Aber eben in dem Grade, wie die
Muthlosigkeit und Verzweiflung täglich mehr Volk
und Kriegsheer in Granada erfaßte, wurde leben¬
diger Siegeshoffnung und Kampfeslust im spani¬
schen Lager. Es bedürfte keines Sturms. Fer¬
dinand begnügte sich die Wälle zu beschießen,
und die Ausfälle der Belagerten zurückzutreiben.
Diese kleinen Gefechte glichen mehr frölichen Tur¬
nieren als ernsten Kämpfen und selbst der Tod
der im Kampfe Gefallnen konnte die Gemüther
nur erheben, da sie hochgefeiert im Gepränge
des kirchlichen Cultus wie in der strahlenden Glo¬
rie des Märtyrthums für den Glauben erschienen.

Unabſehbar breitete ſich das Feldlager Iſa¬
bellens und Ferdinand's von Arragonien
vor den feſten Mauern von Granada aus. Ver¬
gebens auf Huͤlfe hoffend, immer enger und
enger eingeſchloſſen, verzagte der feige Boabdil
und im bittern Hohn vom Volk das ihn den
kleinen Koͤnig nannte, verſpottet, fand er nur in
den Opfern blutduͤrſtiger Grauſamkeit augenblick¬
lichen Troſt. Aber eben in dem Grade, wie die
Muthloſigkeit und Verzweiflung taͤglich mehr Volk
und Kriegsheer in Granada erfaßte, wurde leben¬
diger Siegeshoffnung und Kampfesluſt im ſpani¬
ſchen Lager. Es beduͤrfte keines Sturms. Fer¬
dinand begnuͤgte ſich die Waͤlle zu beſchießen,
und die Ausfaͤlle der Belagerten zuruͤckzutreiben.
Dieſe kleinen Gefechte glichen mehr froͤlichen Tur¬
nieren als ernſten Kaͤmpfen und ſelbſt der Tod
der im Kampfe Gefallnen konnte die Gemuͤther
nur erheben, da ſie hochgefeiert im Gepraͤnge
des kirchlichen Cultus wie in der ſtrahlenden Glo¬
rie des Maͤrtyrthums fuͤr den Glauben erſchienen.

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[297/0305] Unabſehbar breitete ſich das Feldlager Iſa¬ bellens und Ferdinand's von Arragonien vor den feſten Mauern von Granada aus. Ver¬ gebens auf Huͤlfe hoffend, immer enger und enger eingeſchloſſen, verzagte der feige Boabdil und im bittern Hohn vom Volk das ihn den kleinen Koͤnig nannte, verſpottet, fand er nur in den Opfern blutduͤrſtiger Grauſamkeit augenblick¬ lichen Troſt. Aber eben in dem Grade, wie die Muthloſigkeit und Verzweiflung taͤglich mehr Volk und Kriegsheer in Granada erfaßte, wurde leben¬ diger Siegeshoffnung und Kampfesluſt im ſpani¬ ſchen Lager. Es beduͤrfte keines Sturms. Fer¬ dinand begnuͤgte ſich die Waͤlle zu beſchießen, und die Ausfaͤlle der Belagerten zuruͤckzutreiben. Dieſe kleinen Gefechte glichen mehr froͤlichen Tur¬ nieren als ernſten Kaͤmpfen und ſelbſt der Tod der im Kampfe Gefallnen konnte die Gemuͤther nur erheben, da ſie hochgefeiert im Gepraͤnge des kirchlichen Cultus wie in der ſtrahlenden Glo¬ rie des Maͤrtyrthums fuͤr den Glauben erſchienen.

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/305>, abgerufen am 25.11.2024.