Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

wahrer Künstlergenialität ihm weit überlegenen
Florentin, und erzählte zugleich, wie der Mal¬
theser zu ihm über die Kunst gesprochen. "Ei,
lieber Bruder Berthold!" sprach Florentin:
"der Maltheser hat in der That recht, und ich
stelle die wahre Landschaft den tief bedeutsamen
heiligen Historien, wie sie die alten Mahler dar¬
stellen, völlig gleich. Ja, ich halte sogar dafür,
daß man erst durch das Darstellen der uns näher
liegenden organischen Natur sich stärken müsse, um
Licht zu finden in ihrem nächtlichen Reich. Ich
rathe Dir Berthold, daß Du Dich gewöhnst
Figuren zu zeichnen, und in ihnen Deine Gedan¬
ken zu ordnen; vielleicht wird es dann heller um
Dich werden. Berthold that so wie ihm der
Freund geboten, und es war ihm, als zögen die
finstern Wolkenschatten, die sich über sein Leben
gelegt, vorüber.

"Ich mühte mich, das, was nur wie dunkle
Ahnung tief in meinem Innern lag, wie in je¬
nem Traum hieroglyphisch darzustellen, aber die

wahrer Kuͤnſtlergenialitaͤt ihm weit uͤberlegenen
Florentin, und erzaͤhlte zugleich, wie der Mal¬
theſer zu ihm uͤber die Kunſt geſprochen. „Ei,
lieber Bruder Berthold!“ ſprach Florentin:
„der Maltheſer hat in der That recht, und ich
ſtelle die wahre Landſchaft den tief bedeutſamen
heiligen Hiſtorien, wie ſie die alten Mahler dar¬
ſtellen, voͤllig gleich. Ja, ich halte ſogar dafuͤr,
daß man erſt durch das Darſtellen der uns naͤher
liegenden organiſchen Natur ſich ſtaͤrken muͤſſe, um
Licht zu finden in ihrem naͤchtlichen Reich. Ich
rathe Dir Berthold, daß Du Dich gewoͤhnſt
Figuren zu zeichnen, und in ihnen Deine Gedan¬
ken zu ordnen; vielleicht wird es dann heller um
Dich werden. Berthold that ſo wie ihm der
Freund geboten, und es war ihm, als zoͤgen die
finſtern Wolkenſchatten, die ſich uͤber ſein Leben
gelegt, voruͤber.

„Ich muͤhte mich, das, was nur wie dunkle
Ahnung tief in meinem Innern lag, wie in je¬
nem Traum hieroglyphiſch darzuſtellen, aber die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0269" n="261"/>
wahrer Ku&#x0364;n&#x017F;tlergenialita&#x0364;t ihm weit u&#x0364;berlegenen<lb/><hi rendition="#g">Florentin</hi>, und erza&#x0364;hlte zugleich, wie der Mal¬<lb/>
the&#x017F;er zu ihm u&#x0364;ber die Kun&#x017F;t ge&#x017F;prochen. &#x201E;Ei,<lb/>
lieber Bruder <hi rendition="#g">Berthold</hi>!&#x201C; &#x017F;prach <hi rendition="#g">Florentin</hi>:<lb/>
&#x201E;der Malthe&#x017F;er hat in der That recht, und ich<lb/>
&#x017F;telle die wahre Land&#x017F;chaft den tief bedeut&#x017F;amen<lb/>
heiligen Hi&#x017F;torien, wie &#x017F;ie die alten Mahler dar¬<lb/>
&#x017F;tellen, vo&#x0364;llig gleich. Ja, ich halte &#x017F;ogar dafu&#x0364;r,<lb/>
daß man er&#x017F;t durch das Dar&#x017F;tellen der uns na&#x0364;her<lb/>
liegenden organi&#x017F;chen Natur &#x017F;ich &#x017F;ta&#x0364;rken mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, um<lb/>
Licht zu finden in ihrem na&#x0364;chtlichen Reich. Ich<lb/>
rathe Dir <hi rendition="#g">Berthold</hi>, daß Du Dich gewo&#x0364;hn&#x017F;t<lb/>
Figuren zu zeichnen, und in ihnen Deine Gedan¬<lb/>
ken zu ordnen; vielleicht wird es dann heller um<lb/>
Dich werden. <hi rendition="#g">Berthold</hi> that &#x017F;o wie ihm der<lb/>
Freund geboten, und es war ihm, als zo&#x0364;gen die<lb/>
fin&#x017F;tern Wolken&#x017F;chatten, die &#x017F;ich u&#x0364;ber &#x017F;ein Leben<lb/>
gelegt, voru&#x0364;ber.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich mu&#x0364;hte mich, das, was nur wie dunkle<lb/>
Ahnung tief in meinem Innern lag, wie in je¬<lb/>
nem Traum hieroglyphi&#x017F;ch darzu&#x017F;tellen, aber die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[261/0269] wahrer Kuͤnſtlergenialitaͤt ihm weit uͤberlegenen Florentin, und erzaͤhlte zugleich, wie der Mal¬ theſer zu ihm uͤber die Kunſt geſprochen. „Ei, lieber Bruder Berthold!“ ſprach Florentin: „der Maltheſer hat in der That recht, und ich ſtelle die wahre Landſchaft den tief bedeutſamen heiligen Hiſtorien, wie ſie die alten Mahler dar¬ ſtellen, voͤllig gleich. Ja, ich halte ſogar dafuͤr, daß man erſt durch das Darſtellen der uns naͤher liegenden organiſchen Natur ſich ſtaͤrken muͤſſe, um Licht zu finden in ihrem naͤchtlichen Reich. Ich rathe Dir Berthold, daß Du Dich gewoͤhnſt Figuren zu zeichnen, und in ihnen Deine Gedan¬ ken zu ordnen; vielleicht wird es dann heller um Dich werden. Berthold that ſo wie ihm der Freund geboten, und es war ihm, als zoͤgen die finſtern Wolkenſchatten, die ſich uͤber ſein Leben gelegt, voruͤber. „Ich muͤhte mich, das, was nur wie dunkle Ahnung tief in meinem Innern lag, wie in je¬ nem Traum hieroglyphiſch darzuſtellen, aber die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/269
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/269>, abgerufen am 25.11.2024.