das aufgespannte Netz herunter. Da fiel ihm meine Gestalt ins Auge, "he da! he da!" rief er laut: "seid ihr es Christian?" -- Ich trat auf ihn zu, erklärte ihm was mich in die Kirche gelockt, und, den sinnreichen Einfall mit dem Schattennetz hochpreisend, gab ich mich als Ken¬ ner und Ausüber der edlen Mahlerkunst zu er¬ kennen. Ohne mir darauf weiter zu antworten, sprach Berthold: "Christian ist auch wei¬ ter nichts, als ein Faulenzer; treu wollte er aus¬ halten bei mir die ganze Nacht hindurch, und nun liegt er gewiß irgendwo auf dem Ohr! -- Mein Werk muß vorrücken, denn morgen mahlt sich's vielleicht hier in der Blende teufelmäßig schlecht -- und allein kann ich doch jetzt nichts machen." Ich erbot mich ihm behülflich zu seyn. Er lachte laut auf, faßte mich bei beiden Schultern und rief: "das ist ein excellenter Spaß; was wird Christian sagen, wenn er morgen merkt, daß er ein Esel ist, und ich seiner gar nicht bedurft habe? Nun so kommt, fremder Geselle und Bru¬
der,
das aufgeſpannte Netz herunter. Da fiel ihm meine Geſtalt ins Auge, „he da! he da!“ rief er laut: „ſeid ihr es Chriſtian?“ — Ich trat auf ihn zu, erklaͤrte ihm was mich in die Kirche gelockt, und, den ſinnreichen Einfall mit dem Schattennetz hochpreiſend, gab ich mich als Ken¬ ner und Ausuͤber der edlen Mahlerkunſt zu er¬ kennen. Ohne mir darauf weiter zu antworten, ſprach Berthold: „Chriſtian iſt auch wei¬ ter nichts, als ein Faulenzer; treu wollte er aus¬ halten bei mir die ganze Nacht hindurch, und nun liegt er gewiß irgendwo auf dem Ohr! — Mein Werk muß vorruͤcken, denn morgen mahlt ſich's vielleicht hier in der Blende teufelmaͤßig ſchlecht — und allein kann ich doch jetzt nichts machen.“ Ich erbot mich ihm behuͤlflich zu ſeyn. Er lachte laut auf, faßte mich bei beiden Schultern und rief: „das iſt ein excellenter Spaß; was wird Chriſtian ſagen, wenn er morgen merkt, daß er ein Eſel iſt, und ich ſeiner gar nicht bedurft habe? Nun ſo kommt, fremder Geſelle und Bru¬
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das aufgeſpannte Netz herunter. Da fiel ihm
meine Geſtalt ins Auge, „he da! he da!“ rief
er laut: „ſeid ihr es Chriſtian?“ — Ich trat
auf ihn zu, erklaͤrte ihm was mich in die Kirche
gelockt, und, den ſinnreichen Einfall mit dem
Schattennetz hochpreiſend, gab ich mich als Ken¬
ner und Ausuͤber der edlen Mahlerkunſt zu er¬
kennen. Ohne mir darauf weiter zu antworten,
ſprach Berthold: „Chriſtian iſt auch wei¬
ter nichts, als ein Faulenzer; treu wollte er aus¬
halten bei mir die ganze Nacht hindurch, und
nun liegt er gewiß irgendwo auf dem Ohr! —
Mein Werk muß vorruͤcken, denn morgen mahlt
ſich's vielleicht hier in der Blende teufelmaͤßig
ſchlecht — und allein kann ich doch jetzt nichts
machen.“ Ich erbot mich ihm behuͤlflich zu ſeyn.
Er lachte laut auf, faßte mich bei beiden Schultern
und rief: „das iſt ein excellenter Spaß; was wird
Chriſtian ſagen, wenn er morgen merkt, daß
er ein Eſel iſt, und ich ſeiner gar nicht bedurft
habe? Nun ſo kommt, fremder Geſelle und Bru¬
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/232>, abgerufen am 24.11.2024.
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