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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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war glücklich genug, an eine Stelle zu kommen,
wo sich etwas Regenwasser gesammelt hatte, wel¬
ches er begierig einschlürfte. Er fühlte sich ge¬
stärkt und vermochte mühsam hinanzuklimmen und
sich fortzuschleichen, bis er den Forst erreichte, der
unfern von Fulda anhob und sich beinahe bis an
das Vachsche Schloß erstreckte. So war er bis
in die Gegend gekommen, wo ihn Andres mit
dem Tode ringend fand. Die entsetzliche Anstren¬
gung der letzten Kraft hatte ihn ganz erschöpft
und wenige Minuten später hätte ihn Andres
sicherlich todt gefunden. Ohne daran zu denken,
was künftig mit dem Trabacchio, der der Obrig¬
keit entflohen, werden sollte, brachte ihn Andres
in ein einsames Zimmer und pflegte ihn auf alle
nur mögliche Weise, aber so behutsam ging er
dabei zu Werke, daß niemand die Anwesenheit
des Fremden ahnte; denn selbst der Knabe, ge¬
wohnt dem Vater blindlings zu gehorchen, ver¬
schwieg getreulich das Geheimniß. Andres
frug nun den Trabacchio, "ob er denn gewiß

war gluͤcklich genug, an eine Stelle zu kommen,
wo ſich etwas Regenwaſſer geſammelt hatte, wel¬
ches er begierig einſchluͤrfte. Er fuͤhlte ſich ge¬
ſtaͤrkt und vermochte muͤhſam hinanzuklimmen und
ſich fortzuſchleichen, bis er den Forſt erreichte, der
unfern von Fulda anhob und ſich beinahe bis an
das Vachſche Schloß erſtreckte. So war er bis
in die Gegend gekommen, wo ihn Andres mit
dem Tode ringend fand. Die entſetzliche Anſtren¬
gung der letzten Kraft hatte ihn ganz erſchoͤpft
und wenige Minuten ſpaͤter haͤtte ihn Andres
ſicherlich todt gefunden. Ohne daran zu denken,
was kuͤnftig mit dem Trabacchio, der der Obrig¬
keit entflohen, werden ſollte, brachte ihn Andres
in ein einſames Zimmer und pflegte ihn auf alle
nur moͤgliche Weiſe, aber ſo behutſam ging er
dabei zu Werke, daß niemand die Anweſenheit
des Fremden ahnte; denn ſelbſt der Knabe, ge¬
wohnt dem Vater blindlings zu gehorchen, ver¬
ſchwieg getreulich das Geheimniß. Andres
frug nun den Trabacchio, „ob er denn gewiß

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[199/0207] war gluͤcklich genug, an eine Stelle zu kommen, wo ſich etwas Regenwaſſer geſammelt hatte, wel¬ ches er begierig einſchluͤrfte. Er fuͤhlte ſich ge¬ ſtaͤrkt und vermochte muͤhſam hinanzuklimmen und ſich fortzuſchleichen, bis er den Forſt erreichte, der unfern von Fulda anhob und ſich beinahe bis an das Vachſche Schloß erſtreckte. So war er bis in die Gegend gekommen, wo ihn Andres mit dem Tode ringend fand. Die entſetzliche Anſtren¬ gung der letzten Kraft hatte ihn ganz erſchoͤpft und wenige Minuten ſpaͤter haͤtte ihn Andres ſicherlich todt gefunden. Ohne daran zu denken, was kuͤnftig mit dem Trabacchio, der der Obrig¬ keit entflohen, werden ſollte, brachte ihn Andres in ein einſames Zimmer und pflegte ihn auf alle nur moͤgliche Weiſe, aber ſo behutſam ging er dabei zu Werke, daß niemand die Anweſenheit des Fremden ahnte; denn ſelbſt der Knabe, ge¬ wohnt dem Vater blindlings zu gehorchen, ver¬ ſchwieg getreulich das Geheimniß. Andres frug nun den Trabacchio, „ob er denn gewiß

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/207>, abgerufen am 26.11.2024.