Andres kam eines Tages, als die Abend¬ dämmerung schon eingebrochen, mit seinem Kna¬ ben aus dem Forst zurück; schon war er dem Schlosse nahe, als er ein klägliches Gewimmer vernahm, das aus dem ihm nahen ausgetrockne¬ ten Feldgraben zu kommen schien. Er eilte näher und erblickte einen Menschen, der in elende schmutzige Lumpen gehüllt, im Graben lag und unter großen Schmerzen den Geist aufgeben zu wollen schien. Andres warf Flinte und Büchsen¬ sack ab, und zog mit Mühe den Unglücklichen heraus; aber als er nun dem Menschen in's Gesicht blickte, erkannte er mit Entsetzen den Tra¬ bacchio. Zurückschaudernd ließ er von ihm ab; aber da wimmerte Trabacchio dumpf. "An¬ dres, Andres, bist Du es? um der Barm¬ herzigkeit Gottes willen, der ich meine Seele empfohlen, habe Mitleid mit mir! Wenn Du mich rettest, rettest Du eine Seele von ewiger Verdammniß; denn bald ereilt mich ja der Tod, und noch nicht vollendet ist meine Buße!" "Ver¬
Andres kam eines Tages, als die Abend¬ daͤmmerung ſchon eingebrochen, mit ſeinem Kna¬ ben aus dem Forſt zuruͤck; ſchon war er dem Schloſſe nahe, als er ein klaͤgliches Gewimmer vernahm, das aus dem ihm nahen ausgetrockne¬ ten Feldgraben zu kommen ſchien. Er eilte naͤher und erblickte einen Menſchen, der in elende ſchmutzige Lumpen gehuͤllt, im Graben lag und unter großen Schmerzen den Geiſt aufgeben zu wollen ſchien. Andres warf Flinte und Buͤchſen¬ ſack ab, und zog mit Muͤhe den Ungluͤcklichen heraus; aber als er nun dem Menſchen in's Geſicht blickte, erkannte er mit Entſetzen den Tra¬ bacchio. Zuruͤckſchaudernd ließ er von ihm ab; aber da wimmerte Trabacchio dumpf. „An¬ dres, Andres, biſt Du es? um der Barm¬ herzigkeit Gottes willen, der ich meine Seele empfohlen, habe Mitleid mit mir! Wenn Du mich retteſt, retteſt Du eine Seele von ewiger Verdammniß; denn bald ereilt mich ja der Tod, und noch nicht vollendet iſt meine Buße!“ „Ver¬
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Andres kam eines Tages, als die Abend¬
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Schloſſe nahe, als er ein klaͤgliches Gewimmer
vernahm, das aus dem ihm nahen ausgetrockne¬
ten Feldgraben zu kommen ſchien. Er eilte naͤher
und erblickte einen Menſchen, der in elende
ſchmutzige Lumpen gehuͤllt, im Graben lag und
unter großen Schmerzen den Geiſt aufgeben zu
wollen ſchien. Andres warf Flinte und Buͤchſen¬
ſack ab, und zog mit Muͤhe den Ungluͤcklichen
heraus; aber als er nun dem Menſchen in's
Geſicht blickte, erkannte er mit Entſetzen den Tra¬
bacchio. Zuruͤckſchaudernd ließ er von ihm ab;
aber da wimmerte Trabacchio dumpf. „An¬
dres, Andres, biſt Du es? um der Barm¬
herzigkeit Gottes willen, der ich meine Seele
empfohlen, habe Mitleid mit mir! Wenn Du
mich retteſt, retteſt Du eine Seele von ewiger
Verdammniß; denn bald ereilt mich ja der Tod,
und noch nicht vollendet iſt meine Buße!“ „Ver¬
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/204>, abgerufen am 27.11.2024.
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