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Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.

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gnügen habe, ein Mensch zu seyn wie Ihr, sondern
nur ein Floh, wiewohl kein simpler, sondern ein
graduirter, meiner glorreichen Meisterschaft halber,
so verstehe ich mich dennoch sehr gut auf das mensch¬
liche Gemüth und auf das Thun und Treiben der
Menschen, unter denen ich ja beständig hausire. Man¬
chesmal kommt mir dieß Treiben sehr poßierlich, bei¬
nahe albern vor; nehmt das nicht übel, Verehrtester,
ich sage das nur als Meister Floh. Ihr habt recht
mein Freund, es wäre ein garstiges Ding, und
könnte unmöglich zu Gutem führen, wenn ein Mensch
dem andern so mir nichts dir nichts durch das Ge¬
hirn schaute; dem unbefangenen heitern Floh ist in¬
dessen diese Gabe des mikroskopischen Glases durchaus
nicht im mindesten bedrohlich.

Ihr wißt es, Verehrtester, und bald will es
das Geschick, glückseligster Herr Peregrinus, meine
Nation ist leichten, ja leichtfertigen, muthigen Sin¬
nes und man könnte sagen, sie bestehe aus lauter
jugendlich kecken Springinsfelden. Dabei kann ich
meines Theils mich aber einer gar besondern Lebens¬
klugheit berühmen, die Euch weisen Menschenkin¬
dern gemeinhin abzugehen pflegt. Das heißt, ich
habe nie etwas gethan im unschicklichen Moment.
Stechen ist nun einmal das Hauptbedingniß meines

gnügen habe, ein Menſch zu ſeyn wie Ihr, ſondern
nur ein Floh, wiewohl kein ſimpler, ſondern ein
graduirter, meiner glorreichen Meiſterſchaft halber,
ſo verſtehe ich mich dennoch ſehr gut auf das menſch¬
liche Gemüth und auf das Thun und Treiben der
Menſchen, unter denen ich ja beſtändig hauſire. Man¬
chesmal kommt mir dieß Treiben ſehr poßierlich, bei¬
nahe albern vor; nehmt das nicht übel, Verehrteſter,
ich ſage das nur als Meiſter Floh. Ihr habt recht
mein Freund, es wäre ein garſtiges Ding, und
könnte unmöglich zu Gutem führen, wenn ein Menſch
dem andern ſo mir nichts dir nichts durch das Ge¬
hirn ſchaute; dem unbefangenen heitern Floh iſt in¬
deſſen dieſe Gabe des mikroskopiſchen Glaſes durchaus
nicht im mindeſten bedrohlich.

Ihr wißt es, Verehrteſter, und bald will es
das Geſchick, glückſeligſter Herr Peregrinus, meine
Nation iſt leichten, ja leichtfertigen, muthigen Sin¬
nes und man könnte ſagen, ſie beſtehe aus lauter
jugendlich kecken Springinsfelden. Dabei kann ich
meines Theils mich aber einer gar beſondern Lebens¬
klugheit berühmen, die Euch weiſen Menſchenkin¬
dern gemeinhin abzugehen pflegt. Das heißt, ich
habe nie etwas gethan im unſchicklichen Moment.
Stechen iſt nun einmal das Hauptbedingniß meines

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[252/0257] gnügen habe, ein Menſch zu ſeyn wie Ihr, ſondern nur ein Floh, wiewohl kein ſimpler, ſondern ein graduirter, meiner glorreichen Meiſterſchaft halber, ſo verſtehe ich mich dennoch ſehr gut auf das menſch¬ liche Gemüth und auf das Thun und Treiben der Menſchen, unter denen ich ja beſtändig hauſire. Man¬ chesmal kommt mir dieß Treiben ſehr poßierlich, bei¬ nahe albern vor; nehmt das nicht übel, Verehrteſter, ich ſage das nur als Meiſter Floh. Ihr habt recht mein Freund, es wäre ein garſtiges Ding, und könnte unmöglich zu Gutem führen, wenn ein Menſch dem andern ſo mir nichts dir nichts durch das Ge¬ hirn ſchaute; dem unbefangenen heitern Floh iſt in¬ deſſen dieſe Gabe des mikroskopiſchen Glaſes durchaus nicht im mindeſten bedrohlich. Ihr wißt es, Verehrteſter, und bald will es das Geſchick, glückſeligſter Herr Peregrinus, meine Nation iſt leichten, ja leichtfertigen, muthigen Sin¬ nes und man könnte ſagen, ſie beſtehe aus lauter jugendlich kecken Springinsfelden. Dabei kann ich meines Theils mich aber einer gar beſondern Lebens¬ klugheit berühmen, die Euch weiſen Menſchenkin¬ dern gemeinhin abzugehen pflegt. Das heißt, ich habe nie etwas gethan im unſchicklichen Moment. Stechen iſt nun einmal das Hauptbedingniß meines

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Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/257>, abgerufen am 28.04.2024.