Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

wahrhaften Freunde, die es wirklich gut meinen --
wie wandelbar ist des Menschen Gemüth! -- Kann
nicht selbst ein böses Zusammentreffen widerwärtiger
Umstände, eine Mißstimmung von der Unbill des
launischen Zufalls erzeugt, in der Seele dieser Freunde
einen vorübergehenden feindseligen Gedanken hervor¬
bringen?

Und diesen Gedanken, -- er faßt das unglück¬
selige Glas, finsteres Mißtrauen erfüllt das Gemüth,
und im ungerechtesten Zorn, in wahnsinniger Be¬
thörtheit, stoß' ich auch den wahren Freund von der
Brust und immer tiefer und tiefer bis in die Wurzel
des Lebens frißt das tödtende Gift des bösen Grolls,
der mich mit allem Seyn hienieden entzweit, mich
mir selbst entfremdet.

Nein! Frevel, ruchloser Frevel ist es, sich wie
jenem gefallenen Engel des Lichts, der die Sünde
über die Welt brachte, gleich stellen zu wollen, der
ewigen Macht, die das Innere des Menschen durch¬
schaut, weil sie es beherrscht.

Fort, fort, mit der unseligen Gabe!

Herr Peregrinus Tyß hatte das kleine Schäch¬
telchen, worin das mikroskopische Glas befindlich,
ergriffen, und war im Begriff, es mit aller Gewalt
gegen die Stubendecke zu schleudern.

wahrhaften Freunde, die es wirklich gut meinen —
wie wandelbar iſt des Menſchen Gemüth! — Kann
nicht ſelbſt ein böſes Zuſammentreffen widerwärtiger
Umſtände, eine Mißſtimmung von der Unbill des
launiſchen Zufalls erzeugt, in der Seele dieſer Freunde
einen vorübergehenden feindſeligen Gedanken hervor¬
bringen?

Und dieſen Gedanken, — er faßt das unglück¬
ſelige Glas, finſteres Mißtrauen erfüllt das Gemüth,
und im ungerechteſten Zorn, in wahnſinniger Be¬
thörtheit, ſtoß' ich auch den wahren Freund von der
Bruſt und immer tiefer und tiefer bis in die Wurzel
des Lebens frißt das tödtende Gift des böſen Grolls,
der mich mit allem Seyn hienieden entzweit, mich
mir ſelbſt entfremdet.

Nein! Frevel, ruchloſer Frevel iſt es, ſich wie
jenem gefallenen Engel des Lichts, der die Sünde
über die Welt brachte, gleich ſtellen zu wollen, der
ewigen Macht, die das Innere des Menſchen durch¬
ſchaut, weil ſie es beherrſcht.

Fort, fort, mit der unſeligen Gabe!

Herr Peregrinus Tyß hatte das kleine Schäch¬
telchen, worin das mikroskopiſche Glas befindlich,
ergriffen, und war im Begriff, es mit aller Gewalt
gegen die Stubendecke zu ſchleudern.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0255" n="250"/>
wahrhaften Freunde, die es wirklich gut meinen &#x2014;<lb/>
wie wandelbar i&#x017F;t des Men&#x017F;chen Gemüth! &#x2014; Kann<lb/>
nicht &#x017F;elb&#x017F;t ein bö&#x017F;es Zu&#x017F;ammentreffen widerwärtiger<lb/>
Um&#x017F;tände, eine Miß&#x017F;timmung von der Unbill des<lb/>
launi&#x017F;chen Zufalls erzeugt, in der Seele die&#x017F;er Freunde<lb/>
einen vorübergehenden feind&#x017F;eligen Gedanken hervor¬<lb/>
bringen?</p><lb/>
          <p>Und die&#x017F;en Gedanken, &#x2014; er faßt das unglück¬<lb/>
&#x017F;elige Glas, fin&#x017F;teres Mißtrauen erfüllt das Gemüth,<lb/>
und im ungerechte&#x017F;ten Zorn, in wahn&#x017F;inniger Be¬<lb/>
thörtheit, &#x017F;toß' ich auch den wahren Freund von der<lb/>
Bru&#x017F;t und immer tiefer und tiefer bis in die Wurzel<lb/>
des Lebens frißt das tödtende Gift des bö&#x017F;en Grolls,<lb/>
der mich mit allem Seyn hienieden entzweit, mich<lb/>
mir &#x017F;elb&#x017F;t entfremdet.</p><lb/>
          <p>Nein! Frevel, ruchlo&#x017F;er Frevel i&#x017F;t es, &#x017F;ich wie<lb/>
jenem gefallenen Engel des Lichts, der die Sünde<lb/>
über die Welt brachte, gleich &#x017F;tellen zu wollen, der<lb/>
ewigen Macht, die das Innere des Men&#x017F;chen durch¬<lb/>
&#x017F;chaut, weil &#x017F;ie es beherr&#x017F;cht.</p><lb/>
          <p>Fort, fort, mit der un&#x017F;eligen Gabe!</p><lb/>
          <p>Herr Peregrinus Tyß hatte das kleine Schäch¬<lb/>
telchen, worin das mikroskopi&#x017F;che Glas befindlich,<lb/>
ergriffen, und war im Begriff, es mit aller Gewalt<lb/>
gegen die Stubendecke zu &#x017F;chleudern.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[250/0255] wahrhaften Freunde, die es wirklich gut meinen — wie wandelbar iſt des Menſchen Gemüth! — Kann nicht ſelbſt ein böſes Zuſammentreffen widerwärtiger Umſtände, eine Mißſtimmung von der Unbill des launiſchen Zufalls erzeugt, in der Seele dieſer Freunde einen vorübergehenden feindſeligen Gedanken hervor¬ bringen? Und dieſen Gedanken, — er faßt das unglück¬ ſelige Glas, finſteres Mißtrauen erfüllt das Gemüth, und im ungerechteſten Zorn, in wahnſinniger Be¬ thörtheit, ſtoß' ich auch den wahren Freund von der Bruſt und immer tiefer und tiefer bis in die Wurzel des Lebens frißt das tödtende Gift des böſen Grolls, der mich mit allem Seyn hienieden entzweit, mich mir ſelbſt entfremdet. Nein! Frevel, ruchloſer Frevel iſt es, ſich wie jenem gefallenen Engel des Lichts, der die Sünde über die Welt brachte, gleich ſtellen zu wollen, der ewigen Macht, die das Innere des Menſchen durch¬ ſchaut, weil ſie es beherrſcht. Fort, fort, mit der unſeligen Gabe! Herr Peregrinus Tyß hatte das kleine Schäch¬ telchen, worin das mikroskopiſche Glas befindlich, ergriffen, und war im Begriff, es mit aller Gewalt gegen die Stubendecke zu ſchleudern.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/255
Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/255>, abgerufen am 27.04.2024.