Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

daß er statt der Stuhllehne des Mädchens Hand er¬
faßte und er glaubte, als er das Kleinod leise zu drük¬
ken wagte, einen kaum merkbaren Gegendruck zu
fühlen. --

"Kätzchen, Kätzchen, was machst du!" Mit
diesen Worten wandte sich das Mädchen und hob ein
Zwirnknäuel von dem Fußboden auf, das die Katze
zwischen den Vorderpfoten hielt, ein mystisches Ge¬
webe beginnend. Dann faßte sie mit kindlicher Un¬
befangenheit den Arm des in Himmelsentzücken ver¬
sunkenen Peregrinus, führte ihn zum Lehnsessel und
bat ihn nochmals, sich niederzulassen, indem sie selbst
sich ihm gegenüber setzte und irgend eine weibliche Ar¬
beit zur Hand nahm.

Peregrinus schwankte im Sturm auf einem wo¬
genden Meer. "O Prinzessin!" Das Wort ent¬
schlüpfte ihm, selbst wußte er nicht, wie es geschah.
Das Mädchen schaute ihn ganz erschrocken an, da war
es ihm, als habe er gegen die Holde gefrevelt und er
rief mit dem weichsten, wehmüthigsten Ton: meine
liebste theuerste Mademoiselle!

Das Mädchen erröthete und sprach mit holder
jungfräulicher Verschämtheit: die Eltern nennen mich
Röschen, nennen Sie mich auch so, lieber Herr Tyß,
denn ich gehöre ja auch zu den Kindern, denen Sie

daß er ſtatt der Stuhllehne des Mädchens Hand er¬
faßte und er glaubte, als er das Kleinod leiſe zu drük¬
ken wagte, einen kaum merkbaren Gegendruck zu
fühlen. —

»Kätzchen, Kätzchen, was machſt du!» Mit
dieſen Worten wandte ſich das Mädchen und hob ein
Zwirnknäuel von dem Fußboden auf, das die Katze
zwiſchen den Vorderpfoten hielt, ein myſtiſches Ge¬
webe beginnend. Dann faßte ſie mit kindlicher Un¬
befangenheit den Arm des in Himmelsentzücken ver¬
ſunkenen Peregrinus, führte ihn zum Lehnſeſſel und
bat ihn nochmals, ſich niederzulaſſen, indem ſie ſelbſt
ſich ihm gegenüber ſetzte und irgend eine weibliche Ar¬
beit zur Hand nahm.

Peregrinus ſchwankte im Sturm auf einem wo¬
genden Meer. »O Prinzeſſin!» Das Wort ent¬
ſchlüpfte ihm, ſelbſt wußte er nicht, wie es geſchah.
Das Mädchen ſchaute ihn ganz erſchrocken an, da war
es ihm, als habe er gegen die Holde gefrevelt und er
rief mit dem weichſten, wehmüthigſten Ton: meine
liebſte theuerſte Mademoiſelle!

Das Mädchen erröthete und ſprach mit holder
jungfräulicher Verſchämtheit: die Eltern nennen mich
Röschen, nennen Sie mich auch ſo, lieber Herr Tyß,
denn ich gehöre ja auch zu den Kindern, denen Sie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0237" n="232"/>
daß er &#x017F;tatt der Stuhllehne des Mädchens Hand er¬<lb/>
faßte und er glaubte, als er das Kleinod lei&#x017F;e zu drük¬<lb/>
ken wagte, einen kaum merkbaren Gegendruck zu<lb/>
fühlen. &#x2014;</p><lb/>
          <p>»Kätzchen, Kätzchen, was mach&#x017F;t du!» Mit<lb/>
die&#x017F;en Worten wandte &#x017F;ich das Mädchen und hob ein<lb/>
Zwirnknäuel von dem Fußboden auf, das die Katze<lb/>
zwi&#x017F;chen den Vorderpfoten hielt, ein my&#x017F;ti&#x017F;ches Ge¬<lb/>
webe beginnend. Dann faßte &#x017F;ie mit kindlicher Un¬<lb/>
befangenheit den Arm des in Himmelsentzücken ver¬<lb/>
&#x017F;unkenen Peregrinus, führte ihn zum Lehn&#x017F;e&#x017F;&#x017F;el und<lb/>
bat ihn nochmals, &#x017F;ich niederzula&#x017F;&#x017F;en, indem &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ich ihm gegenüber &#x017F;etzte und irgend eine weibliche Ar¬<lb/>
beit zur Hand nahm.</p><lb/>
          <p>Peregrinus &#x017F;chwankte im Sturm auf einem wo¬<lb/>
genden Meer. »O Prinze&#x017F;&#x017F;in!» Das Wort ent¬<lb/>
&#x017F;chlüpfte ihm, &#x017F;elb&#x017F;t wußte er nicht, wie es ge&#x017F;chah.<lb/>
Das Mädchen &#x017F;chaute ihn ganz er&#x017F;chrocken an, da war<lb/>
es ihm, als habe er gegen die Holde gefrevelt und er<lb/>
rief mit dem weich&#x017F;ten, wehmüthig&#x017F;ten Ton: meine<lb/>
lieb&#x017F;te theuer&#x017F;te Mademoi&#x017F;elle!</p><lb/>
          <p>Das Mädchen erröthete und &#x017F;prach mit holder<lb/>
jungfräulicher Ver&#x017F;chämtheit: die Eltern nennen mich<lb/>
Röschen, nennen Sie mich auch &#x017F;o, lieber Herr Tyß,<lb/>
denn ich gehöre ja auch zu den Kindern, denen Sie<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[232/0237] daß er ſtatt der Stuhllehne des Mädchens Hand er¬ faßte und er glaubte, als er das Kleinod leiſe zu drük¬ ken wagte, einen kaum merkbaren Gegendruck zu fühlen. — »Kätzchen, Kätzchen, was machſt du!» Mit dieſen Worten wandte ſich das Mädchen und hob ein Zwirnknäuel von dem Fußboden auf, das die Katze zwiſchen den Vorderpfoten hielt, ein myſtiſches Ge¬ webe beginnend. Dann faßte ſie mit kindlicher Un¬ befangenheit den Arm des in Himmelsentzücken ver¬ ſunkenen Peregrinus, führte ihn zum Lehnſeſſel und bat ihn nochmals, ſich niederzulaſſen, indem ſie ſelbſt ſich ihm gegenüber ſetzte und irgend eine weibliche Ar¬ beit zur Hand nahm. Peregrinus ſchwankte im Sturm auf einem wo¬ genden Meer. »O Prinzeſſin!» Das Wort ent¬ ſchlüpfte ihm, ſelbſt wußte er nicht, wie es geſchah. Das Mädchen ſchaute ihn ganz erſchrocken an, da war es ihm, als habe er gegen die Holde gefrevelt und er rief mit dem weichſten, wehmüthigſten Ton: meine liebſte theuerſte Mademoiſelle! Das Mädchen erröthete und ſprach mit holder jungfräulicher Verſchämtheit: die Eltern nennen mich Röschen, nennen Sie mich auch ſo, lieber Herr Tyß, denn ich gehöre ja auch zu den Kindern, denen Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/237
Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/237>, abgerufen am 27.11.2024.