Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

"schehe, wie es die Sterne wollen, ohne daß frem¬
"des sich einmische, so macht auch keinen Gebrauch
"von dem mikroskopischen Glase." --

"Scheint," sprach Peregrinus, "scheint doch
"sonst, Meister Floh, Euer Herz stark, Euer Geist
"fest und doch seyd Ihr jetzt so kleinmüthig, so ver¬
"zagt! Aber möget Ihr sonst auch so weise seyn wie Ihr
"wollt, ja mag Clemens des siebenten hochberühmter
"Nuntius Rorar, Euern Verstand weit über den
"unsrigen setzen, so habt Ihr doch keinen sonderli¬
"chen Begriff von dem festen Willen des Menschen
"und schlagt ihn wenigstens viel zu geringe an. Noch
"einmal! -- ich breche nicht mein Euch gegebenes
"Wort, und damit Ihr sehet, wie es mein fester
"Entschluß ist, die Kleine nicht wieder zu sehen,
"werde ich jetzt aufstehen, und mich, wie ich es mir
"schon gestern vorgenommen, zum Buchbinder Läm¬
"merhirt begeben."

"O Peregrinus," rief Meister Floh, "des
"Menschen Wille ist ein gebrechliches Ding, oft knickt
"ihn ein daher ziehendes Lüftchen. Welch eine Kluft
"liegt zwischen dem was man will und dem das ge¬
"schieht! -- Manches Leben ist nur ein stetes Wol¬
"len und mancher weiß vor lauter Wollen am Ende
"selbst nicht was er will. -- Ihr wollt Dörtje El¬

»ſchehe, wie es die Sterne wollen, ohne daß frem¬
»des ſich einmiſche, ſo macht auch keinen Gebrauch
»von dem mikroskopiſchen Glaſe.» —

»Scheint,» ſprach Peregrinus, »ſcheint doch
»ſonſt, Meiſter Floh, Euer Herz ſtark, Euer Geiſt
»feſt und doch ſeyd Ihr jetzt ſo kleinmüthig, ſo ver¬
»zagt! Aber möget Ihr ſonſt auch ſo weiſe ſeyn wie Ihr
»wollt, ja mag Clemens des ſiebenten hochberühmter
»Nuntius Rorar, Euern Verſtand weit über den
»unſrigen ſetzen, ſo habt Ihr doch keinen ſonderli¬
»chen Begriff von dem feſten Willen des Menſchen
»und ſchlagt ihn wenigſtens viel zu geringe an. Noch
»einmal! — ich breche nicht mein Euch gegebenes
»Wort, und damit Ihr ſehet, wie es mein feſter
»Entſchluß iſt, die Kleine nicht wieder zu ſehen,
»werde ich jetzt aufſtehen, und mich, wie ich es mir
»ſchon geſtern vorgenommen, zum Buchbinder Läm¬
»merhirt begeben.»

»O Peregrinus,» rief Meiſter Floh, »des
»Menſchen Wille iſt ein gebrechliches Ding, oft knickt
»ihn ein daher ziehendes Lüftchen. Welch eine Kluft
»liegt zwiſchen dem was man will und dem das ge¬
»ſchieht! — Manches Leben iſt nur ein ſtetes Wol¬
»len und mancher weiß vor lauter Wollen am Ende
»ſelbſt nicht was er will. — Ihr wollt Dörtje El¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0228" n="223"/>
»&#x017F;chehe, wie es die Sterne wollen, ohne daß frem¬<lb/>
»des &#x017F;ich einmi&#x017F;che, &#x017F;o macht auch keinen Gebrauch<lb/>
»von dem mikroskopi&#x017F;chen Gla&#x017F;e.» &#x2014;</p><lb/>
          <p>»Scheint,» &#x017F;prach Peregrinus, »&#x017F;cheint doch<lb/>
»&#x017F;on&#x017F;t, Mei&#x017F;ter Floh, Euer Herz &#x017F;tark, Euer Gei&#x017F;t<lb/>
»fe&#x017F;t und doch &#x017F;eyd Ihr jetzt &#x017F;o kleinmüthig, &#x017F;o ver¬<lb/>
»zagt! Aber möget Ihr &#x017F;on&#x017F;t auch &#x017F;o wei&#x017F;e &#x017F;eyn wie Ihr<lb/>
»wollt, ja mag Clemens des &#x017F;iebenten hochberühmter<lb/>
»Nuntius Rorar, Euern Ver&#x017F;tand weit über den<lb/>
»un&#x017F;rigen &#x017F;etzen, &#x017F;o habt Ihr doch keinen &#x017F;onderli¬<lb/>
»chen Begriff von dem fe&#x017F;ten Willen des Men&#x017F;chen<lb/>
»und &#x017F;chlagt ihn wenig&#x017F;tens viel zu geringe an. Noch<lb/>
»einmal! &#x2014; ich breche nicht mein Euch gegebenes<lb/>
»Wort, und damit Ihr &#x017F;ehet, wie es mein fe&#x017F;ter<lb/>
»Ent&#x017F;chluß i&#x017F;t, die Kleine nicht wieder zu &#x017F;ehen,<lb/>
»werde ich jetzt auf&#x017F;tehen, und mich, wie ich es mir<lb/>
»&#x017F;chon ge&#x017F;tern vorgenommen, zum Buchbinder Läm¬<lb/>
»merhirt begeben.»</p><lb/>
          <p>»O Peregrinus,» rief Mei&#x017F;ter Floh, »des<lb/>
»Men&#x017F;chen Wille i&#x017F;t ein gebrechliches Ding, oft knickt<lb/>
»ihn ein daher ziehendes Lüftchen. Welch eine Kluft<lb/>
»liegt zwi&#x017F;chen dem was man will und dem das ge¬<lb/>
»&#x017F;chieht! &#x2014; Manches Leben i&#x017F;t nur ein &#x017F;tetes Wol¬<lb/>
»len und mancher weiß vor lauter Wollen am Ende<lb/>
»&#x017F;elb&#x017F;t nicht was er will. &#x2014; Ihr wollt Dörtje El¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[223/0228] »ſchehe, wie es die Sterne wollen, ohne daß frem¬ »des ſich einmiſche, ſo macht auch keinen Gebrauch »von dem mikroskopiſchen Glaſe.» — »Scheint,» ſprach Peregrinus, »ſcheint doch »ſonſt, Meiſter Floh, Euer Herz ſtark, Euer Geiſt »feſt und doch ſeyd Ihr jetzt ſo kleinmüthig, ſo ver¬ »zagt! Aber möget Ihr ſonſt auch ſo weiſe ſeyn wie Ihr »wollt, ja mag Clemens des ſiebenten hochberühmter »Nuntius Rorar, Euern Verſtand weit über den »unſrigen ſetzen, ſo habt Ihr doch keinen ſonderli¬ »chen Begriff von dem feſten Willen des Menſchen »und ſchlagt ihn wenigſtens viel zu geringe an. Noch »einmal! — ich breche nicht mein Euch gegebenes »Wort, und damit Ihr ſehet, wie es mein feſter »Entſchluß iſt, die Kleine nicht wieder zu ſehen, »werde ich jetzt aufſtehen, und mich, wie ich es mir »ſchon geſtern vorgenommen, zum Buchbinder Läm¬ »merhirt begeben.» »O Peregrinus,» rief Meiſter Floh, »des »Menſchen Wille iſt ein gebrechliches Ding, oft knickt »ihn ein daher ziehendes Lüftchen. Welch eine Kluft »liegt zwiſchen dem was man will und dem das ge¬ »ſchieht! — Manches Leben iſt nur ein ſtetes Wol¬ »len und mancher weiß vor lauter Wollen am Ende »ſelbſt nicht was er will. — Ihr wollt Dörtje El¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/228
Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/228>, abgerufen am 26.11.2024.