Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

gewesen und auch artig gegen die Frau Liebste, der
er von den Stücken Zeug die beim Zuschneiden unter
die Bank gefallen, einen propren Unterrock gefertigt.
Frau Liebste bewilligte also freundlich, daß das Schnei¬
derlein in die Apotheke treten und ein erwärmendes
Schnäpschen genießen möge. Trat auch wirklich in
die Apotheke und forderte dergleichen. Der ungeschickte
Lehrbursche, der allein in der Apotheke zurückgeblie¬
ben, da der Rezeptarius, das Subjekt, kurz alle
übrigen klügeren Leute fortgegangen, vergriff sich und
holte eine verschlossene Flasche vom Repositorio herab,
in der kein Magenelixir befindlich, wohl aber brenn¬
bare Luft, womit die Luftbälle gefüllt werden. Da¬
von schenkte der Lehrbursche ein Gläschen voll; das
setzte das Schneiderlein stracks an den Mund und
schlürfte die Luft begierig hinunter, als ein angeneh¬
mes Labsal. Wurde ihm aber alsbald gar poßierlich
zu Muthe, war ihm als hätte er ein Paar Flügel
an den Achseln oder als spiele jemand mit ihm Fang¬
ball. Denn ellenhoch und immer höher mußte er
in der Apotheke aufsteigen und niedersinken. "Ey
Jemine, Jemine, rief er, wie bin ich doch solch ein
flinker Tänzer geworden! -- Aber dem Lehrburschen
stand das Maul offen vor lauter Verwunderung. Ge¬
schah nun, daß jemand die Thüre rasch aufriß, so

geweſen und auch artig gegen die Frau Liebſte, der
er von den Stücken Zeug die beim Zuſchneiden unter
die Bank gefallen, einen propren Unterrock gefertigt.
Frau Liebſte bewilligte alſo freundlich, daß das Schnei¬
derlein in die Apotheke treten und ein erwärmendes
Schnäpschen genießen möge. Trat auch wirklich in
die Apotheke und forderte dergleichen. Der ungeſchickte
Lehrburſche, der allein in der Apotheke zurückgeblie¬
ben, da der Rezeptarius, das Subjekt, kurz alle
übrigen klügeren Leute fortgegangen, vergriff ſich und
holte eine verſchloſſene Flaſche vom Repoſitorio herab,
in der kein Magenelixir befindlich, wohl aber brenn¬
bare Luft, womit die Luftbälle gefüllt werden. Da¬
von ſchenkte der Lehrburſche ein Gläschen voll; das
ſetzte das Schneiderlein ſtracks an den Mund und
ſchlürfte die Luft begierig hinunter, als ein angeneh¬
mes Labſal. Wurde ihm aber alsbald gar poßierlich
zu Muthe, war ihm als hätte er ein Paar Flügel
an den Achſeln oder als ſpiele jemand mit ihm Fang¬
ball. Denn ellenhoch und immer höher mußte er
in der Apotheke aufſteigen und niederſinken. »Ey
Jemine, Jemine, rief er, wie bin ich doch ſolch ein
flinker Tänzer geworden! — Aber dem Lehrburſchen
ſtand das Maul offen vor lauter Verwunderung. Ge¬
ſchah nun, daß jemand die Thüre raſch aufriß, ſo

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0181" n="176"/>
gewe&#x017F;en und auch artig gegen die Frau Lieb&#x017F;te, der<lb/>
er von den Stücken Zeug die beim Zu&#x017F;chneiden unter<lb/>
die Bank gefallen, einen propren Unterrock gefertigt.<lb/>
Frau Lieb&#x017F;te bewilligte al&#x017F;o freundlich, daß das Schnei¬<lb/>
derlein in die Apotheke treten und ein erwärmendes<lb/>
Schnäpschen genießen möge. Trat auch wirklich in<lb/>
die Apotheke und forderte dergleichen. Der unge&#x017F;chickte<lb/>
Lehrbur&#x017F;che, der allein in der Apotheke zurückgeblie¬<lb/>
ben, da der Rezeptarius, das Subjekt, kurz alle<lb/>
übrigen klügeren Leute fortgegangen, vergriff &#x017F;ich und<lb/>
holte eine ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ene Fla&#x017F;che vom Repo&#x017F;itorio herab,<lb/>
in der kein Magenelixir befindlich, wohl aber brenn¬<lb/>
bare Luft, womit die Luftbälle gefüllt werden. Da¬<lb/>
von &#x017F;chenkte der Lehrbur&#x017F;che ein Gläschen voll; das<lb/>
&#x017F;etzte das Schneiderlein &#x017F;tracks an den Mund und<lb/>
&#x017F;chlürfte die Luft begierig hinunter, als ein angeneh¬<lb/>
mes Lab&#x017F;al. Wurde ihm aber alsbald gar poßierlich<lb/>
zu Muthe, war ihm als hätte er ein Paar Flügel<lb/>
an den Ach&#x017F;eln oder als &#x017F;piele jemand mit ihm Fang¬<lb/>
ball. Denn ellenhoch und immer höher mußte er<lb/>
in der Apotheke auf&#x017F;teigen und nieder&#x017F;inken. »Ey<lb/>
Jemine, Jemine, rief er, wie bin ich doch &#x017F;olch ein<lb/>
flinker Tänzer geworden! &#x2014; Aber dem Lehrbur&#x017F;chen<lb/>
&#x017F;tand das Maul offen vor lauter Verwunderung. Ge¬<lb/>
&#x017F;chah nun, daß jemand die Thüre ra&#x017F;ch aufriß, &#x017F;o<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0181] geweſen und auch artig gegen die Frau Liebſte, der er von den Stücken Zeug die beim Zuſchneiden unter die Bank gefallen, einen propren Unterrock gefertigt. Frau Liebſte bewilligte alſo freundlich, daß das Schnei¬ derlein in die Apotheke treten und ein erwärmendes Schnäpschen genießen möge. Trat auch wirklich in die Apotheke und forderte dergleichen. Der ungeſchickte Lehrburſche, der allein in der Apotheke zurückgeblie¬ ben, da der Rezeptarius, das Subjekt, kurz alle übrigen klügeren Leute fortgegangen, vergriff ſich und holte eine verſchloſſene Flaſche vom Repoſitorio herab, in der kein Magenelixir befindlich, wohl aber brenn¬ bare Luft, womit die Luftbälle gefüllt werden. Da¬ von ſchenkte der Lehrburſche ein Gläschen voll; das ſetzte das Schneiderlein ſtracks an den Mund und ſchlürfte die Luft begierig hinunter, als ein angeneh¬ mes Labſal. Wurde ihm aber alsbald gar poßierlich zu Muthe, war ihm als hätte er ein Paar Flügel an den Achſeln oder als ſpiele jemand mit ihm Fang¬ ball. Denn ellenhoch und immer höher mußte er in der Apotheke aufſteigen und niederſinken. »Ey Jemine, Jemine, rief er, wie bin ich doch ſolch ein flinker Tänzer geworden! — Aber dem Lehrburſchen ſtand das Maul offen vor lauter Verwunderung. Ge¬ ſchah nun, daß jemand die Thüre raſch aufriß, ſo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/181
Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/181>, abgerufen am 10.05.2024.