Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

bis er die Stadt hinter sich und ein nahegelegenes Ge¬
büsch erreicht hatte. Da es ferner in einer roman¬
haften Historie keinem Gebüsch an rauschenden Blät¬
tern, seufzenden, lispelnden Abendlüften, murmelnden
Quellen, geschwätzigen Bächen u. s. w. fehlen darf,
so ist zu denken, daß Peregrinus das alles an seinem
Zufluchtsorte fand. Auf einen bemoosten Stein, der
zur Hälfte im spiegelhellen Bache lag, dessen Wellen
kräuselnd um ihn her plätscherten, ließ sich Peregri¬
nus nieder, mit dem festen Vorsatz, die seltsamen
Abentheuer des Augenblicks überdenkend, den Ariad¬
nen Faden zu suchen und zu finden, der ihm den
Rückweg aus dem Labyrinth der wunderlichsten Räth¬
sel zeigen sollte.

Es mag wohl seyn, daß das in abgemessenen Pau¬
sen wiederkehrende Geflüster der Büsche, das eintö¬
nige Rauschen der Gewässer, das gleichmäßige Klap¬
pern einer entfernten Mühle bald sich als Grund¬
ton gestaltet, nach dem sich die Gedanken zügeln und
formen, so, daß sie nicht mehr ohne Rythmus und
Takt durcheinander brausen, sondern zu deutlicher Me¬
lodie werden. So kam denn auch Peregrinus, nach¬
dem er einige Zeit sich an dem anmuthigen Orte be¬
funden, zu ruhiger Betrachtung.

11

bis er die Stadt hinter ſich und ein nahegelegenes Ge¬
büſch erreicht hatte. Da es ferner in einer roman¬
haften Hiſtorie keinem Gebüſch an rauſchenden Blät¬
tern, ſeufzenden, lispelnden Abendlüften, murmelnden
Quellen, geſchwätzigen Bächen u. ſ. w. fehlen darf,
ſo iſt zu denken, daß Peregrinus das alles an ſeinem
Zufluchtsorte fand. Auf einen bemoosten Stein, der
zur Hälfte im ſpiegelhellen Bache lag, deſſen Wellen
kräuſelnd um ihn her plätſcherten, ließ ſich Peregri¬
nus nieder, mit dem feſten Vorſatz, die ſeltſamen
Abentheuer des Augenblicks überdenkend, den Ariad¬
nen Faden zu ſuchen und zu finden, der ihm den
Rückweg aus dem Labyrinth der wunderlichſten Räth¬
ſel zeigen ſollte.

Es mag wohl ſeyn, daß das in abgemeſſenen Pau¬
ſen wiederkehrende Geflüſter der Büſche, das eintö¬
nige Rauſchen der Gewäſſer, das gleichmäßige Klap¬
pern einer entfernten Mühle bald ſich als Grund¬
ton geſtaltet, nach dem ſich die Gedanken zügeln und
formen, ſo, daß ſie nicht mehr ohne Rythmus und
Takt durcheinander brauſen, ſondern zu deutlicher Me¬
lodie werden. So kam denn auch Peregrinus, nach¬
dem er einige Zeit ſich an dem anmuthigen Orte be¬
funden, zu ruhiger Betrachtung.

11
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0166" n="161"/>
bis er die Stadt hinter &#x017F;ich und ein nahegelegenes Ge¬<lb/>&#x017F;ch erreicht hatte. Da es ferner in einer roman¬<lb/>
haften Hi&#x017F;torie keinem Gebü&#x017F;ch an rau&#x017F;chenden Blät¬<lb/>
tern, &#x017F;eufzenden, lispelnden Abendlüften, murmelnden<lb/>
Quellen, ge&#x017F;chwätzigen Bächen u. &#x017F;. w. fehlen darf,<lb/>
&#x017F;o i&#x017F;t zu denken, daß Peregrinus das alles an &#x017F;einem<lb/>
Zufluchtsorte fand. Auf einen bemoosten Stein, der<lb/>
zur Hälfte im &#x017F;piegelhellen Bache lag, de&#x017F;&#x017F;en Wellen<lb/>
kräu&#x017F;elnd um ihn her plät&#x017F;cherten, ließ &#x017F;ich Peregri¬<lb/>
nus nieder, mit dem fe&#x017F;ten Vor&#x017F;atz, die &#x017F;elt&#x017F;amen<lb/>
Abentheuer des Augenblicks überdenkend, den Ariad¬<lb/>
nen Faden zu &#x017F;uchen und zu finden, der ihm den<lb/>
Rückweg aus dem Labyrinth der wunderlich&#x017F;ten Räth¬<lb/>
&#x017F;el zeigen &#x017F;ollte.</p><lb/>
          <p>Es mag wohl &#x017F;eyn, daß das in abgeme&#x017F;&#x017F;enen Pau¬<lb/>
&#x017F;en wiederkehrende Geflü&#x017F;ter der Bü&#x017F;che, das eintö¬<lb/>
nige Rau&#x017F;chen der Gewä&#x017F;&#x017F;er, das gleichmäßige Klap¬<lb/>
pern einer entfernten Mühle bald &#x017F;ich als Grund¬<lb/>
ton ge&#x017F;taltet, nach dem &#x017F;ich die Gedanken zügeln und<lb/>
formen, &#x017F;o, daß &#x017F;ie nicht mehr ohne Rythmus und<lb/>
Takt durcheinander brau&#x017F;en, &#x017F;ondern zu deutlicher Me¬<lb/>
lodie werden. So kam denn auch Peregrinus, nach¬<lb/>
dem er einige Zeit &#x017F;ich an dem anmuthigen Orte be¬<lb/>
funden, zu ruhiger Betrachtung.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">11<lb/></fw>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[161/0166] bis er die Stadt hinter ſich und ein nahegelegenes Ge¬ büſch erreicht hatte. Da es ferner in einer roman¬ haften Hiſtorie keinem Gebüſch an rauſchenden Blät¬ tern, ſeufzenden, lispelnden Abendlüften, murmelnden Quellen, geſchwätzigen Bächen u. ſ. w. fehlen darf, ſo iſt zu denken, daß Peregrinus das alles an ſeinem Zufluchtsorte fand. Auf einen bemoosten Stein, der zur Hälfte im ſpiegelhellen Bache lag, deſſen Wellen kräuſelnd um ihn her plätſcherten, ließ ſich Peregri¬ nus nieder, mit dem feſten Vorſatz, die ſeltſamen Abentheuer des Augenblicks überdenkend, den Ariad¬ nen Faden zu ſuchen und zu finden, der ihm den Rückweg aus dem Labyrinth der wunderlichſten Räth¬ ſel zeigen ſollte. Es mag wohl ſeyn, daß das in abgemeſſenen Pau¬ ſen wiederkehrende Geflüſter der Büſche, das eintö¬ nige Rauſchen der Gewäſſer, das gleichmäßige Klap¬ pern einer entfernten Mühle bald ſich als Grund¬ ton geſtaltet, nach dem ſich die Gedanken zügeln und formen, ſo, daß ſie nicht mehr ohne Rythmus und Takt durcheinander brauſen, ſondern zu deutlicher Me¬ lodie werden. So kam denn auch Peregrinus, nach¬ dem er einige Zeit ſich an dem anmuthigen Orte be¬ funden, zu ruhiger Betrachtung. 11

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/166
Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/166>, abgerufen am 27.11.2024.