Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

"Gott, wir sind alle schwache, sündige Menschen. --
"Doch Herr Tyß, Sie sollten nun selbst gesehen ha¬
"ben, wie die kleine Prinzeß, die erst gekickert und
"gelacht hatte, daß es eine Lust war, immer stiller
"und stiller wurde und mich anstarrte mit solchen selt¬
"samen Blicken, daß mir in der That ganz graulich
"zu Muthe wurde. -- Und, denken Sie sich, Herr
"Tyß, plötzlich, ehe ich mirs versehen, liegt die kleine
"Prinzeß vor mir auf den Knien und will mir durch¬
"aus die Hand küssen, und ruft: Ja, du bist es,
"nun erst erkenne ich dich, ja du bist es selbst! --
"Und als ich nun ganz erstaunt frage, was das heis¬
"sen soll" --

Die Alte stockte, und als Peregrinus in sie drang,
doch nur weiter zu reden, nahm sie ganz ernst und
bedächtig eine große Prise und sprach: Wirst es zeitig
genug erfahren, mein Söhnchen, was sich nun wei¬
ter begab. Jedes Ding hat seine Zeit und seine
Stunde!

Peregrinus wollte eben noch schärfer in die Alte
dringen, ihm mehr zu sagen, als diese in ein gellen¬
des Gelächter ausbrach. Peregrinus mahnte sie mit
finstrem Gesicht daran, daß sein Zimmer eben nicht
der Ort sey, wo sie mit ihm Narrenspossen treiben
dürfe. Doch die Alte schien, beide Fäuste in die

»Gott, wir ſind alle ſchwache, ſündige Menſchen. —
»Doch Herr Tyß, Sie ſollten nun ſelbſt geſehen ha¬
»ben, wie die kleine Prinzeß, die erſt gekickert und
»gelacht hatte, daß es eine Luſt war, immer ſtiller
»und ſtiller wurde und mich anſtarrte mit ſolchen ſelt¬
»ſamen Blicken, daß mir in der That ganz graulich
»zu Muthe wurde. — Und, denken Sie ſich, Herr
»Tyß, plötzlich, ehe ich mirs verſehen, liegt die kleine
»Prinzeß vor mir auf den Knien und will mir durch¬
»aus die Hand küſſen, und ruft: Ja, du biſt es,
»nun erſt erkenne ich dich, ja du biſt es ſelbſt! —
»Und als ich nun ganz erſtaunt frage, was das heiſ¬
»ſen ſoll» —

Die Alte ſtockte, und als Peregrinus in ſie drang,
doch nur weiter zu reden, nahm ſie ganz ernſt und
bedächtig eine große Priſe und ſprach: Wirſt es zeitig
genug erfahren, mein Söhnchen, was ſich nun wei¬
ter begab. Jedes Ding hat ſeine Zeit und ſeine
Stunde!

Peregrinus wollte eben noch ſchärfer in die Alte
dringen, ihm mehr zu ſagen, als dieſe in ein gellen¬
des Gelächter ausbrach. Peregrinus mahnte ſie mit
finſtrem Geſicht daran, daß ſein Zimmer eben nicht
der Ort ſey, wo ſie mit ihm Narrenspoſſen treiben
dürfe. Doch die Alte ſchien, beide Fäuſte in die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0163" n="158"/>
»Gott, wir &#x017F;ind alle &#x017F;chwache, &#x017F;ündige Men&#x017F;chen. &#x2014;<lb/>
»Doch Herr Tyß, Sie &#x017F;ollten nun &#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;ehen ha¬<lb/>
»ben, wie die kleine Prinzeß, die er&#x017F;t gekickert und<lb/>
»gelacht hatte, daß es eine Lu&#x017F;t war, immer &#x017F;tiller<lb/>
»und &#x017F;tiller wurde und mich an&#x017F;tarrte mit &#x017F;olchen &#x017F;elt¬<lb/>
»&#x017F;amen Blicken, daß mir in der That ganz graulich<lb/>
»zu Muthe wurde. &#x2014; Und, denken Sie &#x017F;ich, Herr<lb/>
»Tyß, plötzlich, ehe ich mirs ver&#x017F;ehen, liegt die kleine<lb/>
»Prinzeß vor mir auf den Knien und will mir durch¬<lb/>
»aus die Hand kü&#x017F;&#x017F;en, und ruft: Ja, du bi&#x017F;t es,<lb/>
»nun er&#x017F;t erkenne ich dich, ja du bi&#x017F;t es &#x017F;elb&#x017F;t! &#x2014;<lb/>
»Und als ich nun ganz er&#x017F;taunt frage, was das hei&#x017F;¬<lb/>
»&#x017F;en &#x017F;oll» &#x2014;</p><lb/>
          <p>Die Alte &#x017F;tockte, und als Peregrinus in &#x017F;ie drang,<lb/>
doch nur weiter zu reden, nahm &#x017F;ie ganz ern&#x017F;t und<lb/>
bedächtig eine große Pri&#x017F;e und &#x017F;prach: Wir&#x017F;t es zeitig<lb/>
genug erfahren, mein Söhnchen, was &#x017F;ich nun wei¬<lb/>
ter begab. Jedes Ding hat &#x017F;eine Zeit und &#x017F;eine<lb/>
Stunde!</p><lb/>
          <p>Peregrinus wollte eben noch &#x017F;chärfer in die Alte<lb/>
dringen, ihm mehr zu &#x017F;agen, als die&#x017F;e in ein gellen¬<lb/>
des Gelächter ausbrach. Peregrinus mahnte &#x017F;ie mit<lb/>
fin&#x017F;trem Ge&#x017F;icht daran, daß &#x017F;ein Zimmer eben nicht<lb/>
der Ort &#x017F;ey, wo &#x017F;ie mit ihm Narrenspo&#x017F;&#x017F;en treiben<lb/>
dürfe. Doch die Alte &#x017F;chien, beide Fäu&#x017F;te in die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[158/0163] »Gott, wir ſind alle ſchwache, ſündige Menſchen. — »Doch Herr Tyß, Sie ſollten nun ſelbſt geſehen ha¬ »ben, wie die kleine Prinzeß, die erſt gekickert und »gelacht hatte, daß es eine Luſt war, immer ſtiller »und ſtiller wurde und mich anſtarrte mit ſolchen ſelt¬ »ſamen Blicken, daß mir in der That ganz graulich »zu Muthe wurde. — Und, denken Sie ſich, Herr »Tyß, plötzlich, ehe ich mirs verſehen, liegt die kleine »Prinzeß vor mir auf den Knien und will mir durch¬ »aus die Hand küſſen, und ruft: Ja, du biſt es, »nun erſt erkenne ich dich, ja du biſt es ſelbſt! — »Und als ich nun ganz erſtaunt frage, was das heiſ¬ »ſen ſoll» — Die Alte ſtockte, und als Peregrinus in ſie drang, doch nur weiter zu reden, nahm ſie ganz ernſt und bedächtig eine große Priſe und ſprach: Wirſt es zeitig genug erfahren, mein Söhnchen, was ſich nun wei¬ ter begab. Jedes Ding hat ſeine Zeit und ſeine Stunde! Peregrinus wollte eben noch ſchärfer in die Alte dringen, ihm mehr zu ſagen, als dieſe in ein gellen¬ des Gelächter ausbrach. Peregrinus mahnte ſie mit finſtrem Geſicht daran, daß ſein Zimmer eben nicht der Ort ſey, wo ſie mit ihm Narrenspoſſen treiben dürfe. Doch die Alte ſchien, beide Fäuſte in die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/163
Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/163>, abgerufen am 10.05.2024.