Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

Selbstqual verzweifelnder Liebe jeden Tropfen aus
dem Giftbecher, den ihm Peregrinus ohne es zu ah¬
nen gereicht, gierig auszukosten, ließ er sich jeden
kleinen Zug von Dörtjens Beginnen wiederholen. Da¬
zwischen murmelte er: "In den Armen -- an der
Brust -- glühende Küße." -- Dann sprang er vom
Fenster zurück, lief in der Stube umher und gebehr¬
dete sich, wie ein Rasender.

Vergebens rief Peregrinus ihm zu, er möge ihn
doch nur weiter hören, er habe ihm noch viel Tröstli¬
ches zu sagen; Pepusch ließ nicht nach mit Toben.

Das Zimmer wurde aufgeschlossen und ein Ab¬
geordneter des Raths kündigte dem Herrn Peregrinus
Tyß an, daß kein gesetzlicher Grund zu seiner
längeren Haft gefunden worden und er zurückkehren
könne in seine Wohnung.

Den ersten Gebrauch den Peregrinus von seiner
wieder erlangten Freiheit machte, war, daß er sich als Ge¬
währsmann für den verhafteten George Pepusch stell¬
te, dem er bezeugte, daß er wirklich der George Pe¬
pusch sey, mit dem er in innigster Freundschaft ver¬
bunden zu Madras gelebt, und der ihm als ein ver¬
mögender ganz unbescholtener Mann bekannt sey.

Meister Floh ergoß sich in sehr philosophischen
lehrreichen Betrachtungen, die darauf hinausliefen,

9

Selbſtqual verzweifelnder Liebe jeden Tropfen aus
dem Giftbecher, den ihm Peregrinus ohne es zu ah¬
nen gereicht, gierig auszukoſten, ließ er ſich jeden
kleinen Zug von Dörtjens Beginnen wiederholen. Da¬
zwiſchen murmelte er: »In den Armen — an der
Bruſt — glühende Küße.» — Dann ſprang er vom
Fenſter zurück, lief in der Stube umher und gebehr¬
dete ſich, wie ein Raſender.

Vergebens rief Peregrinus ihm zu, er möge ihn
doch nur weiter hören, er habe ihm noch viel Tröſtli¬
ches zu ſagen; Pepuſch ließ nicht nach mit Toben.

Das Zimmer wurde aufgeſchloſſen und ein Ab¬
geordneter des Raths kündigte dem Herrn Peregrinus
Tyß an, daß kein geſetzlicher Grund zu ſeiner
längeren Haft gefunden worden und er zurückkehren
könne in ſeine Wohnung.

Den erſten Gebrauch den Peregrinus von ſeiner
wieder erlangten Freiheit machte, war, daß er ſich als Ge¬
währsmann für den verhafteten George Pepuſch ſtell¬
te, dem er bezeugte, daß er wirklich der George Pe¬
puſch ſey, mit dem er in innigſter Freundſchaft ver¬
bunden zu Madras gelebt, und der ihm als ein ver¬
mögender ganz unbeſcholtener Mann bekannt ſey.

Meiſter Floh ergoß ſich in ſehr philoſophiſchen
lehrreichen Betrachtungen, die darauf hinausliefen,

9
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0134" n="129"/>
Selb&#x017F;tqual verzweifelnder Liebe jeden Tropfen aus<lb/>
dem Giftbecher, den ihm Peregrinus ohne es zu ah¬<lb/>
nen gereicht, gierig auszuko&#x017F;ten, ließ er &#x017F;ich jeden<lb/>
kleinen Zug von Dörtjens Beginnen wiederholen. Da¬<lb/>
zwi&#x017F;chen murmelte er: »In den Armen &#x2014; an der<lb/>
Bru&#x017F;t &#x2014; glühende Küße.» &#x2014; Dann &#x017F;prang er vom<lb/>
Fen&#x017F;ter zurück, lief in der Stube umher und gebehr¬<lb/>
dete &#x017F;ich, wie ein Ra&#x017F;ender.</p><lb/>
          <p>Vergebens rief Peregrinus ihm zu, er möge ihn<lb/>
doch nur weiter hören, er habe ihm noch viel Trö&#x017F;tli¬<lb/>
ches zu &#x017F;agen; Pepu&#x017F;ch ließ nicht nach mit Toben.</p><lb/>
          <p>Das Zimmer wurde aufge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en und ein Ab¬<lb/>
geordneter des Raths kündigte dem Herrn Peregrinus<lb/>
Tyß an, daß kein ge&#x017F;etzlicher Grund zu &#x017F;einer<lb/>
längeren Haft gefunden worden und er zurückkehren<lb/>
könne in &#x017F;eine Wohnung.</p><lb/>
          <p>Den er&#x017F;ten Gebrauch den Peregrinus von &#x017F;einer<lb/>
wieder erlangten Freiheit machte, war, daß er &#x017F;ich als Ge¬<lb/>
währsmann für den verhafteten George Pepu&#x017F;ch &#x017F;tell¬<lb/>
te, dem er bezeugte, daß er wirklich der George Pe¬<lb/>
pu&#x017F;ch &#x017F;ey, mit dem er in innig&#x017F;ter Freund&#x017F;chaft ver¬<lb/>
bunden zu Madras gelebt, und der ihm als ein ver¬<lb/>
mögender ganz unbe&#x017F;choltener Mann bekannt &#x017F;ey.</p><lb/>
          <p>Mei&#x017F;ter Floh ergoß &#x017F;ich in &#x017F;ehr philo&#x017F;ophi&#x017F;chen<lb/>
lehrreichen Betrachtungen, die darauf hinausliefen,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">9<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0134] Selbſtqual verzweifelnder Liebe jeden Tropfen aus dem Giftbecher, den ihm Peregrinus ohne es zu ah¬ nen gereicht, gierig auszukoſten, ließ er ſich jeden kleinen Zug von Dörtjens Beginnen wiederholen. Da¬ zwiſchen murmelte er: »In den Armen — an der Bruſt — glühende Küße.» — Dann ſprang er vom Fenſter zurück, lief in der Stube umher und gebehr¬ dete ſich, wie ein Raſender. Vergebens rief Peregrinus ihm zu, er möge ihn doch nur weiter hören, er habe ihm noch viel Tröſtli¬ ches zu ſagen; Pepuſch ließ nicht nach mit Toben. Das Zimmer wurde aufgeſchloſſen und ein Ab¬ geordneter des Raths kündigte dem Herrn Peregrinus Tyß an, daß kein geſetzlicher Grund zu ſeiner längeren Haft gefunden worden und er zurückkehren könne in ſeine Wohnung. Den erſten Gebrauch den Peregrinus von ſeiner wieder erlangten Freiheit machte, war, daß er ſich als Ge¬ währsmann für den verhafteten George Pepuſch ſtell¬ te, dem er bezeugte, daß er wirklich der George Pe¬ puſch ſey, mit dem er in innigſter Freundſchaft ver¬ bunden zu Madras gelebt, und der ihm als ein ver¬ mögender ganz unbeſcholtener Mann bekannt ſey. Meiſter Floh ergoß ſich in ſehr philoſophiſchen lehrreichen Betrachtungen, die darauf hinausliefen, 9

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/134
Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/134>, abgerufen am 11.05.2024.