Selbstqual verzweifelnder Liebe jeden Tropfen aus dem Giftbecher, den ihm Peregrinus ohne es zu ah¬ nen gereicht, gierig auszukosten, ließ er sich jeden kleinen Zug von Dörtjens Beginnen wiederholen. Da¬ zwischen murmelte er: "In den Armen -- an der Brust -- glühende Küße." -- Dann sprang er vom Fenster zurück, lief in der Stube umher und gebehr¬ dete sich, wie ein Rasender.
Vergebens rief Peregrinus ihm zu, er möge ihn doch nur weiter hören, er habe ihm noch viel Tröstli¬ ches zu sagen; Pepusch ließ nicht nach mit Toben.
Das Zimmer wurde aufgeschlossen und ein Ab¬ geordneter des Raths kündigte dem Herrn Peregrinus Tyß an, daß kein gesetzlicher Grund zu seiner längeren Haft gefunden worden und er zurückkehren könne in seine Wohnung.
Den ersten Gebrauch den Peregrinus von seiner wieder erlangten Freiheit machte, war, daß er sich als Ge¬ währsmann für den verhafteten George Pepusch stell¬ te, dem er bezeugte, daß er wirklich der George Pe¬ pusch sey, mit dem er in innigster Freundschaft ver¬ bunden zu Madras gelebt, und der ihm als ein ver¬ mögender ganz unbescholtener Mann bekannt sey.
Meister Floh ergoß sich in sehr philosophischen lehrreichen Betrachtungen, die darauf hinausliefen,
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Selbſtqual verzweifelnder Liebe jeden Tropfen aus dem Giftbecher, den ihm Peregrinus ohne es zu ah¬ nen gereicht, gierig auszukoſten, ließ er ſich jeden kleinen Zug von Dörtjens Beginnen wiederholen. Da¬ zwiſchen murmelte er: »In den Armen — an der Bruſt — glühende Küße.» — Dann ſprang er vom Fenſter zurück, lief in der Stube umher und gebehr¬ dete ſich, wie ein Raſender.
Vergebens rief Peregrinus ihm zu, er möge ihn doch nur weiter hören, er habe ihm noch viel Tröſtli¬ ches zu ſagen; Pepuſch ließ nicht nach mit Toben.
Das Zimmer wurde aufgeſchloſſen und ein Ab¬ geordneter des Raths kündigte dem Herrn Peregrinus Tyß an, daß kein geſetzlicher Grund zu ſeiner längeren Haft gefunden worden und er zurückkehren könne in ſeine Wohnung.
Den erſten Gebrauch den Peregrinus von ſeiner wieder erlangten Freiheit machte, war, daß er ſich als Ge¬ währsmann für den verhafteten George Pepuſch ſtell¬ te, dem er bezeugte, daß er wirklich der George Pe¬ puſch ſey, mit dem er in innigſter Freundſchaft ver¬ bunden zu Madras gelebt, und der ihm als ein ver¬ mögender ganz unbeſcholtener Mann bekannt ſey.
Meiſter Floh ergoß ſich in ſehr philoſophiſchen lehrreichen Betrachtungen, die darauf hinausliefen,
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Selbſtqual verzweifelnder Liebe jeden Tropfen aus
dem Giftbecher, den ihm Peregrinus ohne es zu ah¬
nen gereicht, gierig auszukoſten, ließ er ſich jeden
kleinen Zug von Dörtjens Beginnen wiederholen. Da¬
zwiſchen murmelte er: »In den Armen — an der
Bruſt — glühende Küße.» — Dann ſprang er vom
Fenſter zurück, lief in der Stube umher und gebehr¬
dete ſich, wie ein Raſender.
Vergebens rief Peregrinus ihm zu, er möge ihn
doch nur weiter hören, er habe ihm noch viel Tröſtli¬
ches zu ſagen; Pepuſch ließ nicht nach mit Toben.
Das Zimmer wurde aufgeſchloſſen und ein Ab¬
geordneter des Raths kündigte dem Herrn Peregrinus
Tyß an, daß kein geſetzlicher Grund zu ſeiner
längeren Haft gefunden worden und er zurückkehren
könne in ſeine Wohnung.
Den erſten Gebrauch den Peregrinus von ſeiner
wieder erlangten Freiheit machte, war, daß er ſich als Ge¬
währsmann für den verhafteten George Pepuſch ſtell¬
te, dem er bezeugte, daß er wirklich der George Pe¬
puſch ſey, mit dem er in innigſter Freundſchaft ver¬
bunden zu Madras gelebt, und der ihm als ein ver¬
mögender ganz unbeſcholtener Mann bekannt ſey.
Meiſter Floh ergoß ſich in ſehr philoſophiſchen
lehrreichen Betrachtungen, die darauf hinausliefen,
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Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/134>, abgerufen am 16.02.2025.
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