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Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.

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"zelst und sie nachher ihr Elend doppelt fühlen, wenn
"sie aus nagendem Hunger kaum genießbare Speise,
"die mancher leckerer Schooßhund verwirft, kauen
"müssen -- ha, wie mir diese Armenabfütterungen
"aneckeln, wenn ich bedenke, daß das, was an
"einem Tage verspendet wird, hinreichen würde, sie
"Monate hindurch zu ernähren auf mäßige Weise! --
"Du überhäufst die Kinder armer Leute mit glän¬
"zenden Spielsachen und bedenkst nicht, daß ein höl¬
"zerner buntgemalter Säbel, ein Lumpenpüppchen,
"ein Kukuk, ein geringes Naschwerk von Vater und
"Mutter einbescheert, sie eben so, ja vielleicht noch
"mehr erfreut. Aber sie fressen sich überdem an dei¬
"nem verdammten Marzipan matt und krank und
"mit der Kenntniß glänzenderer Gaben, die ihnen in
"der Folge versagt bleiben, ist der Keim der Unzu¬
"friedenheit, des Mißmuths in ihre Seele gepflanzt.
"Du bist reich, du bist lebenskräftig, und doch ent¬
"ziehst du dich jeder Mittheilung und vereitelst so
"jedes freundliche Annähern dir wohlwollender Gemü¬
"ther. Ich will es glauben, daß der Tod deiner El¬
"tern dich erschüttert hat, aber wenn jeder, der einen
"empfindlichen Verlust erlitten hat, in sein Schnek¬
"kenhaus kriechen sollte, so würde, beim Teufel, die
"Welt einem Leichenhause gleichen und ich wollte nicht

»zelſt und ſie nachher ihr Elend doppelt fühlen, wenn
»ſie aus nagendem Hunger kaum genießbare Speiſe,
»die mancher leckerer Schooßhund verwirft, kauen
»müſſen — ha, wie mir dieſe Armenabfütterungen
»aneckeln, wenn ich bedenke, daß das, was an
»einem Tage verſpendet wird, hinreichen würde, ſie
»Monate hindurch zu ernähren auf mäßige Weiſe! —
»Du überhäufſt die Kinder armer Leute mit glän¬
»zenden Spielſachen und bedenkſt nicht, daß ein höl¬
»zerner buntgemalter Säbel, ein Lumpenpüppchen,
»ein Kukuk, ein geringes Naſchwerk von Vater und
»Mutter einbeſcheert, ſie eben ſo, ja vielleicht noch
»mehr erfreut. Aber ſie freſſen ſich überdem an dei¬
»nem verdammten Marzipan matt und krank und
»mit der Kenntniß glänzenderer Gaben, die ihnen in
»der Folge verſagt bleiben, iſt der Keim der Unzu¬
»friedenheit, des Mißmuths in ihre Seele gepflanzt.
»Du biſt reich, du biſt lebenskräftig, und doch ent¬
»ziehſt du dich jeder Mittheilung und vereitelſt ſo
»jedes freundliche Annähern dir wohlwollender Gemü¬
»ther. Ich will es glauben, daß der Tod deiner El¬
»tern dich erſchüttert hat, aber wenn jeder, der einen
»empfindlichen Verluſt erlitten hat, in ſein Schnek¬
»kenhaus kriechen ſollte, ſo würde, beim Teufel, die
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[125/0130] »zelſt und ſie nachher ihr Elend doppelt fühlen, wenn »ſie aus nagendem Hunger kaum genießbare Speiſe, »die mancher leckerer Schooßhund verwirft, kauen »müſſen — ha, wie mir dieſe Armenabfütterungen »aneckeln, wenn ich bedenke, daß das, was an »einem Tage verſpendet wird, hinreichen würde, ſie »Monate hindurch zu ernähren auf mäßige Weiſe! — »Du überhäufſt die Kinder armer Leute mit glän¬ »zenden Spielſachen und bedenkſt nicht, daß ein höl¬ »zerner buntgemalter Säbel, ein Lumpenpüppchen, »ein Kukuk, ein geringes Naſchwerk von Vater und »Mutter einbeſcheert, ſie eben ſo, ja vielleicht noch »mehr erfreut. Aber ſie freſſen ſich überdem an dei¬ »nem verdammten Marzipan matt und krank und »mit der Kenntniß glänzenderer Gaben, die ihnen in »der Folge verſagt bleiben, iſt der Keim der Unzu¬ »friedenheit, des Mißmuths in ihre Seele gepflanzt. »Du biſt reich, du biſt lebenskräftig, und doch ent¬ »ziehſt du dich jeder Mittheilung und vereitelſt ſo »jedes freundliche Annähern dir wohlwollender Gemü¬ »ther. Ich will es glauben, daß der Tod deiner El¬ »tern dich erſchüttert hat, aber wenn jeder, der einen »empfindlichen Verluſt erlitten hat, in ſein Schnek¬ »kenhaus kriechen ſollte, ſo würde, beim Teufel, die »Welt einem Leichenhauſe gleichen und ich wollte nicht

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Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/130>, abgerufen am 24.11.2024.